„Maaßen hat das Parlament betrogen“: Diskussion über den Verfassungsschutzchef bei „Markus Lanz“

Zu Gast bei „Markus Lanz“: Till Schweiger, Lilli Schweiger, Renate Künast, Rick Astley und Robin Alexander (v.l.) (Bild: Screenshot ZDF)
Zu Gast bei „Markus Lanz“: Till Schweiger, Lilli Schweiger, Renate Künast, Rick Astley und Robin Alexander (v.l.) (Bild: Screenshot ZDF)

Die Beförderung des Verfassungsschutzpräsidenten Hans-Georg Maaßen zum Staatssekretär stand im Mittelpunkt der Sendung am Mittwoch von „Markus Lanz“. Dabei herrschte merkliche Uneinigkeit.

Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen sorgte mit seinen Äußerungen über die rechtsradikalen Ausschreitungen in Chemnitz gegenüber der Bild-Zeitung für deutschlandweite Empörung und eine Zerreißprobe für die Große Koalition. Maaßen hatte angezweifelt, dass es eine „Hetzjagd“ gegen ausländische Personen gegeben habe und stellte auch die Authentizität von bestehendem Videomaterial in Frage. Außerdem wird ihm eine geheime Absprache mit der AfD vorgeworfen. Nach Rücktrittsforderungen steht seit gestern fest: Maaßen muss als Chef des Verfassungsschutzes seinen Posten räumen – wird aber zum Staatssekretär befördert. Bei „Markus Lanz“ war man sich uneinig: Während Grünen-Politikerin Künast Fundamentalkritik an Maaßen übte, die über die aktuelle Kontroverse hinausging, plädierte Journalist Robin Alexander zu etwas Vorsicht bei den Vorwürfen gegenüber Maaßen.

Künast hegte schon vorher sichtlich wenig Sympathien für den Verfassungsschutzchef. „Ich habe ehrlich gesagt schon seit einiger Zeit das Gefühl gehabt, dass der Mann überfordert ist und auch nicht so richtig weiß, was er mit diesem Amt für das Land positives, sinnstiftendes anstellen soll“, so Künast. „Der ist ja nach der NSU zum Aufräumen hingekommen […] weil man da gemerkt hat, dass dieses Amt eine rechtsextreme, rechtsterroristische Entwicklung in diesem Land, in dem elf Menschen ums Leben gekommen sind, gar nicht wahrgenommen hat.“

Renate Künast kritisierte Maaßen scharf. (Bild: Screenshot ZDF)
Renate Künast kritisierte Maaßen scharf. (Bild: Screenshot ZDF)

Künast brachte auch die Sondersitzung des Bundestags im Parlament nach dem Attentat am Berliner Breitscheidplatz 2016 als Beispiel. „Ich kann mich sehr gut daran erinnern, wie alle Behördenchefs, Staatssekretäre lange Ausführungen gemacht haben, zum Teil nichtssagend. Dann kam Herr Maaßen dran, alle Abgeordneten erwarten, jetzt sagt der Chef vom Verfassungsschutz etwas Bedeutendes. Sagt der ‚Ich habe dem nichts hinzuzufügen’. Ich weiß noch, wie Konstantin von Notz mich anblickte und sagte ,Der Mann hat an der Stelle Dreck am Stecken’“. Es könne nicht sein, so Nahles, dass nach einem Attentat mit zwölf Toten, „er nicht mal versucht zu begründen, dass sein Amt irgendeinen Sinn macht.“

Künast weiter: „Wir haben später festgestellt, er hat uns nicht die Wahrheit gesagt. Sie hatten direkt dran einen V-Mann. Sie waren also schon in diesem Umfeld. Er hat weder beim NSU-Prozess also beim Rechtsextremismus aufgeräumt, vor neuen Entwicklungen warnt uns auch nie das Bundesamt davor, davon erfahren wir von allen anderen. Er hat das Parlament betrogen.“

„Die Quelle für die Geschichte war ein AfD-Mann, der das behauptet hat. Der hat am selben Nachmittag, als man ihn gefragt hat, behauptet, eigentlich wüsste er es doch nicht. Das nenne ich als Journalist eine prekäre Quelle“, so Alexander. „Ich muss Herrn Maaßen nicht verteidigen, aber Sie haben schon sehr schwere Vorwürfe in den Raum gestellt, wo man sagen müsste, das sind Ihre Vorwürfe. ‚Er hat das Parlament betrogen’, das würden sicherlich sehr viele von Ihren Kollegen im Parlament anders sehen. Und dass er das Geschäft der AfD betreibt finde ich auch einen sehr starken Vorwurf für jemanden, der die letzten Jahre damit verbracht hat, uns vor Extremisten – und zwar rechts, links und islamistischen – zu schützen. […] Ich finde, da müsste man auch die andere Seite hören.“

„Ich erfinde das ja nicht. Ich erlebe ihn selber im Parlament“, konterte Künast – und sprach erneut den Fall Anis Amri an. „Das war ja ein Sammelsurium an Versagen“, wandte Schauspieler Till Schweiger ein. „Ich würde auch nicht sagen, dass ich ihm das alleine zuschiebe“, so Künast.

„Sie hatten immer die politische Agenda, den Verfassungsschutz abzuschaffen“, kritisierte Alexander Künast. „Schon als Sie in Berlin im Abgeordnetenhaus waren. Dass Sie jetzt die Kronzeugin sind…“, fuhr er fort. Das wollte Künast nicht gelten lassen. „Jetzt lenken Sie ab. Wir reden gar nicht über die Frage, ob ich es immer abschaffen wollte“, so die Politikerin. Es ginge darum, ob ein Verfassungsschutzchef geeignet für sein Amt ist – und das sei bei Maaßen nicht der Fall gewesen.

Sollte es zutreffen, dass Maaßen sich mit AfD-Politikern getroffen haben soll, sei dies an sich noch kein Vergehen, stellte Lanz in den Raum. „Er müsste in der Lage sein, in abstrakter Form, worüber man geredet hat“.

Alexander sieht die Beförderung Maaßens als strategisch nachvollziehbar: „Wenn man ihn rausschmeißt, macht man ihn zu einer Ikone der AfD. Das wollte Seehofer vermeiden. Wenn man weiter mit ihm arbeitet, ist es schwierig, wenn die Kanzlerin und der Koalitionspartner kein Vertrauen mehr zu ihm haben. Um diese Gemengelage auflösen, da sind Gehaltserhöhungen von 2000 Euro brutto nicht der teuerste Kompromiss, den man in Berlin schon gemacht hat“, so sein Fazit.