Macron nähert sich Ernennung eines Premierministers: Gespräche im Elysée
Fast zwei Monate nach der Parlamentswahl in Frankreich scheint die Ernennung eines Premierministers bevorzustehen. Präsident Emmanuel Macron empfing am Montag zwei mögliche Kandidaten für das Amt sowie seine beiden Amtsvorgänger zu Beratungen im Elysée. Als erstes traf er mit dem ehemaligen sozialistischen Premierminister Bernard Cazeneuve zusammen, der das Amt erneut antreten könnte.
Der 61-Jährige war aus der Sozialistischen Partei ausgetreten, als diese ein Wahlbündnis mit den Linkspopulisten einging. Das linke Wahlbündnis war als stärkste Kraft aus der Wahl zur Nationalversammlung hervorgegangen, ist aber von einer absoluten Mehrheit weit entfernt. Das Regierungslager verlor seinerseits die relative Mehrheit und ist auf neue Partner angewiesen, um regieren zu können.
Macron traf anschließend die beiden früheren Präsidenten, den Sozialisten François Hollande und den Konservativen Nicolas Sarkozy. Zudem war am Nachmittag ein Treffen mit dem ehemaligen konservativen Präsidentschaftskandidaten Xavier Bertrand geplant, der sich selber als Kandidat für das Amt des Premierministers ins Gespräch gebracht hat.
Es kamen zudem Gerüchte auf, dass Macron den in der Öffentlichkeit unbekannten Thierry Beaudet ernennen könnte, der derzeit dem Rat für Wirtschaft, Umwelt und Soziales vorsteht. Der 62-Jährige gilt als guter Konsenssucher, hat aber wenig politische Erfahrung. Seine mögliche Ernennung könnte ein Zeichen dafür sein, dass Macron sich weiterhin möglichst großen Einfluss auf die Regierungsgeschäfte sichern will.
Nach der Parlamentswahl Ende Juni und Anfang Juli hatte Macron die bisherige Regierung unter Premier Gabriel Attal geschäftsführend im Amt belassen. Er begründete dies mit der notwendigen politischen Stabilität während der Olympischen und Paralympischen Spiele. Letztere enden am 11. September. Die Zeit für die Regierungsbildung drängt, weil die künftige Regierung bis Anfang Oktober einen Haushaltsentwurf für 2025 vorlegen muss.
Traditionell schlägt nach einer Parlamentswahl das größte Lager in der Nationalversammlung einen Kandidaten für das Amt des Premierministers vor. Das Linksbündnis hatte die relativ unbekannte Politikerin Lucie Castets zur Kandidatin erklärt, die bei Macron jedoch auf Ablehnung stieß. Der Präsident kann ernennen, wen er möchte, ist aber darauf angewiesen, dass der Premierminister für die Gesetzesvorhaben der Regierung in der Nationalversammlung eine Mehrheit bekommt.
Cazeneuve sei "aus Pflichtgefühl" bereit, das Amt zu übernehmen, hieß es in seinem Umfeld. Er war am Ende der Amtszeit von Hollande mehrere Monate Regierungschef und zuvor Innenminister. Aus dieser Zeit hat er einen guten Kontakt zu Macron, der unter Hollande Wirtschaftsminister war.
Der konservative Regionalpräsident Bertrand hat die Unterstützung von Sarkozy, der ihn in einem am Freitag veröffentlichten Interview empfahl. Allerdings ist das konservative Lager gespalten. Fraktionschef Laurent Wauquiez etwa möchte lieber in der Opposition bleiben, um aus dieser Position heraus 2027 bei der Präsidentschaftswahl anzutreten.
kol/bfi