Die Magie von Schalke - Ich war etliche Male bei Bayern - doch diesmal war im Stadion alles anders

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Thomas Müller schwärmt von SchalkeIMAGO/kolbert-press

Der FC Bayern gewinnt in der Champions League gegen Schachtar Donezk. Das Duell ist aber kein normales Fußballspiel. Es findet auf Schalke statt. Dort beweist der Rekordmeister aus vielerlei Hinsicht ein königsblaues Herz. Eine Reportage.

Als Kind lernt jeder Fußballfan einen Witz: „Warum gibt es auf Schalke Pommes nur in Tüten? Weil Schalker keine Schale halten können.“

Ich war zwar schon oft hier in der Arena, Pommes hatte ich aber noch nie. Bis zu diesem Tag, der mein Weltbild auf den Kopf stellen soll…

Es ist ein ungewöhnlicher Weg zum Stadion. In der Straßenbahn vom Hauptbahnhof werden die königsblauen Farben sehnlichst vermisst. Die Schalker Arena erstrahlt ebenfalls nicht in der gewohnten Helligkeit. Die blauen Leuchten schimmern zwar, der „Veltins Arena“-Schriftzug im Osten ist aber abgedunkelt, die Buchstaben des Sponsors gar umgeklappt.

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Es fehlt was, aber bei „fremden Sponsoren“ ist die Uefa rigoros. Viele Schalker kennen den Anblick noch aus legendären Abenden, von denen man sich heute noch leidenschaftlich und mit einer Prise Melancholie erzählt.

Donzek spielt auf Schalke - und der FC Bayern ist zu Gast

So lange ist das gar nicht her, fünfeinhalb Jahre. Heute dümpelt Schalke im Tabellenkeller der Zweiten Liga, Champions League wird in Gelsenkirchen trotzdem gespielt.

Der ukrainische Meister Schachtar Donezk hat sich für diese Saison eingemietet, der Sport muss auch weiter vor dem Krieg in der Heimat flüchten, Donezk ist von den Russen besetzt.

Zweimal erklang diese Saison schon die legendäre Hymne auf dem Rudi-Assauer-Platz, nun ist aber erstmals (und einmalig) ein deutsches Team dabei. Kein Geringerer als der Rekordmeister aus München lässt sich im Ruhrpott blicken, der FC Bayern.

Müller schwärmt von Schalke

Die Bayern freuten sich über die Rückkehr nach Gelsenkirchen. Ur-Bayer Thomas Müller sagt nach dem Spiel mit einem Grinsen: „Ich bin sehr gerne hierhergekommen. Auch aus melancholischen Gründen. Das Stadion hier macht einfach Spaß." Er wünsche sich, "dass Schalke wieder in der Bundesliga spielen wird.“ Dem Konkurrenten von einst wird hinterhergetrauert.

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Müller erlebt zuvor eine „ungewöhnliche“ Atmosphäre, wie es sein Boss Max Eberl beschreibt. Die bayerischen Fans sind freilich in der Überzahl, aber der ernste Hintergrund für das geschenkte Heimspiel bleibt allgegenwärtig.

Donezk-Fans erinnern daran, dass der Krieg in ihrer Heimat noch immer anhält<span class="copyright">IMAGO/Steinsiek.ch</span>
Donezk-Fans erinnern daran, dass der Krieg in ihrer Heimat noch immer anhältIMAGO/Steinsiek.ch

 

„Da sitzen Menschen auf der Tribüne neben dir, bei denen zuhause kein schöner Zustand ist“, sagt Eberl. „Es ist keine richtige Euphorie entstanden. Das ziert sich auch nicht. Trotzdem habe ich eine sehr angenehme, friedliche Atmosphäre gespürt“, sagt der Sportvorstand.

Eberl weiß, dass sein Team nun zurück in die Heimat fahren kann. Dem Gegner ist das nicht vergönnt.

Die Bayern-Fans, die ihre Mannschaft nicht jede Woche im Stadion anfeuern können, geben dennoch ihr Bestes. Der zusätzlich mitgereiste Ultra-Block, der nach angedrohtem Boykott aufgrund horrender Ticketpreise doch den Weg in den Westen fand, sorgt für Fußballstimmung.

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Aber auch hier bleibt die Absurdität: Gab es schon Spiele auf Schalke, bei denen der stete Lärmpegel nicht aus dem Norden, der berüchtigten Kurve kam?

Bayern spielt wie Schalke - aber nur kurz

Die königsblaue Vereinshymne, das Steigerlied, eine der schönsten Hymnen im Fußball, erklingt dennoch vor Anpfiff. Zumindest für wenige Zeilen.

Eine Hommage an den Bergbau, für den auch Donezk bekannt ist. Die Hämmer sind im Schachtar-Wappen abgebildet. Partnerstadt von Donezk ist ironischerweise Bochum. „Glück auf“ gilt aber überall. Besonders in diesen Zeiten.

Die Bayern-Mannschaft bedankt sich auf Schalke bei den Fans<span class="copyright">IMAGO/Nordphoto</span>
Die Bayern-Mannschaft bedankt sich auf Schalke bei den FansIMAGO/Nordphoto

 

Es wird aber auch sportlich und es dauert dann keine fünf Minuten, da haben sich die Bayern ans Schalker Abwehrspiel dieser Tage orientiert und sie geben Schachtar freies Geleit zum 0:1. Ein Wackelstart.

Die Machtverhältnisse bleiben nicht lange verschoben. Auf frisch verlegtem Rasen zaubern die Bayern in Person von Jamal Musiala. Solche grazilen Bewegungen des Nationalspielers hat man hier schon lange nicht mehr bewundern dürfen. Aber keiner der Ballkünstler erzielt den schnellen Ausgleich, sondern Malocher Konrad Laimer (11.). So gehört sich das hier.

Bayern-Fans singen Schmählied auf den BVB

Müller bringt die Bayern noch vor der Pause in Führung (45.). Am Ende haben sich dann auch die Zauberfüße ihre Treffer erarbeitet. Erst trifft Michael Olise per Foulelfmeter, dann jubelt Musiala nach einer tollen Einzelaktion. Olise setzt dann mit einem wunderbaren Dribbling den Schlusspunkt zum 5:1. Dann ist Schluss.

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„So was hat man lange nicht gesehen“… Nein, das singen die Bayern-Fans nicht. Sie zeigen vielmehr Gespür für die Arena und ihre königsblauen Fans. Kurz vor Schluss stimmt der Gästeblock einen bekannten BVB-Schmähgesang an. In der Sache sind sie wohl vereint. Die Magie von Schalke.

Und dann wären da noch die Pommes aus Schalen. Aus Schalen! Auf Schalke! Schalke und Schalen! Verzeiht mir, lieber Schalker. Natürlich ist das hier so normal wie die Liebe zum Fußball. Und köstlich sind sie.