Hightech-Wald bei Nacht - Malaysia, Singapur und Borneo – Sternekoch im größten Gewächshaus der Welt
In finsterer Nacht durch den ältesten Dschungel der Welt, Auge in Auge mit frei lebenden Orang-Utans, unter Hightech-Bäumen, die Regenwasser sammeln und Strom erzeugen: Die Natur Malaysias, Singapurs und Borneos ist ein einzigartiges Erlebnis. Und wer will, kann dort sogar eine der besten Mahlzeiten seines Lebens genießen – mitten im Wald, versteht sich.
Pemandu Pelancon Berlesen gibt einen klaren Ratschlag: „Jetzt geht es etwas bergab – aber trotzdem: Bitte nicht an den Baumstämmen festhalten.“ Der drahtige Mittfünfziger kennt sich eben im Dschungel auch in der Finsternis kurz vor Mitternacht aus wie am helllichten Tag. Schließlich hat er hier in Taman Negara auf Malaysia schon sein ganzes Leben verbracht. Darum weiß er: An jedem Baumstamm könnte sich eine Giftschlange, ein Skorpion oder eine Tarantel verbergen. Also: FInger weg.
Angst kommt dennoch auf diesem Pfad in der Dunkelheit nicht auf. Zu groß ist die Faszination: Hinter jedem Rascheln, Pfeifen, Knacken oder Rufen in der Dunkelheit steckt schließlich ein Wunder des Waldes. Und der Ranger, der seit Jahren für den Studienreiseanbieter Studiosus arbeitet, kennt das Tier oder die Pflanze dahinter, schaltet kurz die Taschenlampe an und erklärt das geheimnisvolle Leben der Tausendfüßler, Gibbons oder Pfeilgiftfrösche. Als Mitteleuropäer hätten wir sonst einfach nichts gesehen.
Älteste Wald der Welt größer als Saarland und Berlin zusammen
Der älteste Wald der Welt ist größer als das Saarland und Berlin zusammengenommen – schon vor rund 130 Millionen Jahren standen hier ganz ähnliche Bäume oder Farne, und Dinosaurier stapften durch den Dschungel. Pemandu erzählt davon während stundenlanger Wanderungen auf die Berggipfel, über 40 Meter hohe Hängebrücken, an Flüssen und Schluchten vorbei. Oder beim Besuch der Semang. Einige der Ureinwohner streifen noch als Nomaden mit Blasrohr durch den Dschungel, treffsicher und mit Wissen über jeden Baum und Strauch, über Insekten, Reptilien, Affen oder Vögel. Pemandu übersetzt ihre Erzählungen – und der Besucher kann nur staunen über all das Wissen und Können.
Malaysia, Borneo und selbst der hochmoderne Stadtstaat Singapur halten so viele herausragende Wald-Erlebnisse bereit wie wohl nirgendwo sonst auf dem Globus: seltene Tiere, majestätische Baumriesen, aber auch neuartige künstliche Wälder, die mit KI unsere Umwelt bereichern. Wer auf den Inseln in Südostasien mit guten Guides und offenen Augen unterwegs ist, wird seine Sichtweise auf diese besondere Natur grundlegend verändern. Oder besser gesagt: nachhaltig.
„Bei euch in Europa habt ihr ja vor Jahrhunderten schon fast alle Urwälder abgeholzt“
Denn Nachhaltigkeit ist hier kein Modewort, mit dem sich der Aufenthalt nach zwölf Stunden Langstreckenflug modisch verschönern lässt. Das fängt übrigens schon damit an, dass die Studiosus-Macher den CO-Ausstoß des Fluges ihrer Gäste klimatechnisch ausgleichen, zum Beispiel durch Aufforsten des Regenwaldes. Die Regierungen in Kuala Lumpur und Singapur haben aber auch längst den Wert ihrer Wälder und deren Bewohner erkannt und handeln. „Bei euch in Europa habt ihr ja vor Jahrhunderten schon fast alle Urwälder abgeholzt“, weiß auch Pemandu.
Er sieht deshalb die Kritik an den Rodungen der vergangenen Jahrzehnte zugunsten von Palmöl-Plantagen differenziert. „Bis vor einigen Jahren hatten wir ja noch eine wachsende Bevölkerung. Da haben die Plantagen viele Kleinbauern aus der Armut geholt“, erklärt der Einheimische. Seit einiger Zeit geht diese Entwicklung aber zurück – und der weltweit größte Produzent von Palmöl hat viele Initiativen gestartet, um die Abholzung zu bekämpfen und den Naturschutz zu fördern.
Mehr als die Hälfte der Landesfläche steht inzwischen unter Waldschutz – der Naturpark Taman Negara ist der älteste von ihnen. Affen, Wasserbüffel, Krokodile, Adler und viele andere wilde Tiere gibt es zu erleben. Tief im Inneren der Wälder wird zuweilen sogar einer der 60 dort noch lebenden Malaysischen Tiger gesichtet.
Ein Dutzend „Waldmenschen“ im Blick
Das scheue Wappentier des Landes bekommen normale Besucher zwar ziemlich sicher nicht zu Gesicht. Dafür warten im Süden der Insel Borneo Affen auf uns, die es neben Sumatra nur noch hier in freier Wildbahn zu sehen gibt: Orang-Utans. Im „Semenggoh-Reservat“ müssen wir nach einem kurzen Marsch durch den Dschungel einige Zeit ganz still verharren. Drei Armlängen vor uns liegen einige Bananenstauden und ein paar Kokosnüsse. Bald raschelt es 30, 40 Meter über uns in den Baumwipfeln. Zuerst sind nur rötliche Schatten schnell schwingend zu erhaschen. Dann klettern die Menschenaffen zu Boden. Ein Dutzend „Waldmenschen“, wie Orang-Utan auf Deutsch heißt, vom Baby an der Mutterbrust über den Halbwüchsigen bis zum Endvierziger mit seinen mächtigen Backenwülsten. Aus den Augenwinkeln hat er die Besucher immer im Blick, wenn er zum ungestörten Essen sekundenschnell wieder auf seine Baumwipfel turnt.
Der ein oder andere Orang-Utan wird die Europäer womöglich aus einem früheren Leben kennen. Denn nur hier auf Borneo werden seltene Tiere wieder ausgewildert, die sonst nur in den Zoos von Hamburg über Duisburg bis München im Gehege zu sehen sind. Die deutschen Tierparks unterstützen darum die Arbeit der Ranger im Dschungel der Insel.
Teil des „Heart of Borneo“-Plans
Auch der Besucher kann eine Patenschaft für einen der Affen übernehmen – und wird so Teil des „Heart of Borneo“-Plans. In diesem Abkommen zwischen Malaysia, Indonesien und Brunei haben sich die Staaten verpflichtet, die einzigartige Flora und Fauna auf Borneo zu schützen und gleichzeitig eine nachhaltige Nutzung der natürlichen Ressourcen zu gewährleisten.
Der malaysische Bundesstaat Sabah auf Borneo hat hierbei eine Vorreiterrolle eingenommen – und bereits ein Drittel seines Territoriums als Naturschutzgebiet ausgewiesen. Gut für Tiere, Pflanzen und das Weltklima, wie der örtliche Ranger Lawrence Bayang betont. „Und der Öko-Tourismus trägt dazu bei, dass diese Pläne finanzierbar sind“, sagt der Mann aus den Wäldern.
Das wohl größte Gewächshaus der Welt
Die Dschungel Borneos und Malaysias erreichen viele Reisende aus Europa über den Stadtstaat Singapur, der auf einer Insel vor der Südspitze Malaysias liegt. Und im dicht besiedelten Hightech-Land wartet ein ganz anderes Walderlebnis auf die Besucher – sogar gleich bei der Landung: Mitten im Flughafen Changi liegt das wohl größte Gewächshaus der Welt. Zwischen Wasserfällen, Bächen und Baumriesen gleiten dort hypermoderne, fahrerlose Züge – natürlich emissionsfrei – zu den fünf Terminals. Typisch asiatische Lichtshows setzen den Wald alle halbe Stunde in immer neues Licht.
Klar, das ist keine klassische Natur – aber eben doch ein Beitrag, um die Luft an diesem Ort zu reinigen und im Schatten der Bäume auf einen Teil der künstlichen Klimatisierung zu verzichten. Die braucht es sonst vielerorts in diesen Staaten nah am Äquator, wo die 35-Grad-Marke und die hohe Luftfeuchtigkeit der Normalzustand sind.
Mit der pfeilschnellen U-Bahn in die City
Noch nachhaltiger wird es, wenn der Reisende mit der pfeilschnellen U-Bahn in die City fährt. Denn die Innenstadt ist einerseits ähnlich imposant wie die Silhouetten New Yorks, Shanghais oder Hongkongs. Andererseits aber sind auch hier ungleich mehr Parks, Straßenbäume, Flüsse, Wälder oder Seen zu finden. Alles blitzsauber, gut zu Fuß zu erkunden – und Teil eines ökologischen Masterplans, den der Staat seit mehr als fünf Jahrzehnten verfolgt.
Durch innovative Technologien, intelligente Stadtplanung und harsche Strafen für Umweltsünder leistet Singapur so Pionierarbeit in Sachen nachhaltiger Urbanisierung. „Das müssen wir aber auch“, erklärt die örtliche Führerin Natalie Chai. Denn Singapur hat kaum eigene Energie-Ressourcen und führt noch fast 90 Prozent seiner Lebensmittel aus dem Ausland ein. Von dieser Abhängigkeit will sich dieses nach Brunei reichste Land der Region aber zielstrebig lösen. Und das grüne Gewissen spielt eine entscheidende Rolle dabei.
Immer mehr Hochhäuser mit grünen Dächern oder Fassaden
Immer mehr Hochhäuser haben darum bereits grüne Dächer oder Fassaden – und das nicht zur Show. „Wir fördern konsequent sogenanntes ,vertical farming´, bei dem Ackerflächen oder Pflanzbehälter rund um die Gebäude errichtet werden“, so Chai. Bisher werden nur etwa ein Prozent der Landfläche Singapurs für Landwirtschaft genutzt. Schon in sechs Jahren sollen es fast ein Drittel sein.
Darum stehen mitten in der Stadt auch mehrstöckige Farm-Gebäude, in denen Obst und Gemüse in speziellen Wuchsbehältern und unter energiesparenden Lampen bis zu 15-mal mehr Ertrag als herkömmliche Betriebe liefern. Auch die Erzeugung von Fleisch aus dem Biolabor fördern die Asiaten massiv. Das ist eben auch im Gewerbegebiet möglich – „und Bio-Abgase oder Wald-Kahlschlag entstehen dabei nicht“, erklärt Chai den nachhaltigen Ansatz.
„Gardens by the Bay“
Den wohl spektakulärsten Öko-Wald der Welt erleben die Besucher allerdings an anderer Stelle Singapurs: in den „Gardens by the Bay“, einem 101 Hektar großen Naturgebiet, das als Modell für nachhaltige Stadtentwicklung dient.
Dutzende bis zu 50 Meter hohe sogenannte „Supertrees“ beherbergen inmitten einer Parklandschaft am südchinesischen Meer vertikale Gärten. Die künstlichen Hightech-Bäume speichern per Photovoltaik die reichlich vorhandene Energie aus der Sonne und zugleich kostbares Regenwasser. Die nachts bunt beleuchteten Anlagen reduzieren mit ausgeklügelter Software und Künstlicher Intelligenz zudem nicht nur die CO₂-Emissionen, sondern tragen auch zur Verbesserung der Luftqualität bei. Wichtig für das Ziel Singapurs, genau wie die EU bis 2050 komplett klimaneutral zu werden – und zudem ein Touristenmagnet des Staates, wenn allabendlich spektakuläre Licht– und Soundshows auf die Bäume mit dem gigantischen Luxushotel Marina Bay Sands im Hintergrund projiziert werden.
Sternekoch zwischen 32.000 Pflanzen im größten Gewächshaus der Welt
Der nachhaltige Einfluss des Hightech-Dschungels lässt sich aber noch ganz anders und höchst genussreich erleben: etwa zum Lunch bei Michael Wilson. „Hier habe ich mir meinen Traum erfüllt“, sagt der Sternekoch und strahlt den Gast freudig an. Zwischen 32.000 Pflanzen im größten Gewächshaus der Welt, dem Flower Dome, hat der Australier sein Restaurant Marguerite eingerichtet. Nicht einmal ein Dutzend Tische im Wald zwischen Palmen, Farnen und bunten Blumen, zubereitet werden die Gänge großteils mitten im Raum an drei offenen Kochinseln.
Kreationen wie die blaue Garnele aus Neukaledonien, als Paste kunstvoll zu Tagliolini geformt – und dann in einer klaren, gewürzten Meeresfrüchte-Consommé gedämpft, mit Korianderöl, Thai-Basilikum, Fenchelpollen und Fingerlimette angemacht. Oder einem Dessert aus in Kirschsaft getränkten Pistazien-Törtchen auf Pistazien-Eis, Honigwaben, Kirschmarmelade und frischen Kirschen in einem Schokoladenmantel. Gekrönt von einer täuschend echten Kirsche; die besteht im Inneren aus dunkler Mousse au Chocolat, überzogen mit hauchdünner kirschroter Glasur.
„Einer der Supertrees draußen beherbergt einen riesigen Ventilator“
„Alles mit Liebe, höchster Kunst und harter Arbeit kreiert“, sagt der Patron. Und trotz der schweißtreibenden Tätigkeit und einer gnadenlosen Sonne, die auf das Glashaus brennt, ist es stets angenehm frisch im 20 Meter hohen Raum. „Einer der Supertrees draußen beherbergt einen riesigen Ventilator, der die Luft aus dem Glashaus ansaugt und per Solarenergie gekühlt wieder zurückbringt“, sagt Wilson und zupft an einem saftigen Thai-Basilikum aus dem eigenen Kräutergarten inmitten der Banyan-Bäume, Bromelien oder Bananenstauden. Mehr Wald geht einfach nicht.