Kann man jetzt Aktien kaufen? - Überall „fallende Messer“? Wie Profis mit dem Börsencrash umgehen

Wie sollten sich Anleger nach der Panik zum Wochenauftakt verhalten?<span class="copyright">Bloomberg</span>
Wie sollten sich Anleger nach der Panik zum Wochenauftakt verhalten?Bloomberg

6,4 Billionen Dollar haben die globalen Börsen in den vergangenen Wochen verloren. Am Montag kulminierte die nervöse Stimmung dann in einer regelrechten Panik am Parkett. Wie gehen Profis mit dem Crash um? Und gibt es jetzt Nachkaufchancen für Anleger?

Schon seit einiger Zeit wackeln die Märkte – und am Montag sind sie tatsächlich kollabiert. Der japanische Leitindex Nikkei sackte um rekordverdächtige zwölf Prozent ab, der deutsche Leitindex Dax##chartIcon baute die Verlust der Vortage mit minus 1,8 Prozent deutlich aus.

Und auch an den so fulminant ins Jahr gestarteten US-Börsen präsentierten sich Anlegern nur tiefrote Kurstafeln. Die Märkte sind nicht in ein sprichwörtliches, sondern ein tatsächliches Sommerloch gefallen.

 

Was es für Anleger nicht leichter macht: Schon am Dienstag strebten die Kurse mancherorts wieder aufwärts. Der Nikkei raste um gut zehn Prozent nach oben und glich damit seine Vortagesverluste teilweise aus. Beim Dax sah es nicht ganz so gut aus, wenngleich Börsianer kommentierten, es sei ein gutes Zeichen, dass die Marke von 17.000 Punkten noch steht.

 

Wie also sollen sich Anleger nun verhalten? Doch schon wieder einsteigen, womöglich günstig nachkaufen? Manche Profis bleiben angesichts der insgesamt 6,4 Billionen Dollar an verlorener Marktkapitalisierung in den vergangenen drei Wochen skeptisch.

„Derzeit gibt es überall fallende Messer“

So auch Vishnu Varathan, Analyst bei der japanischen Großbank Mizuho in Singapur. „Es ist die große Auflösung“, erklärt Varathan gegenüber Bloomberg . Im Jargon der Händler gleicht es einem „Griff ins fallende Messer“, wenn Trader versuchen, zum richtigen Zeitpunkt eine fallende Aktie zu kaufen. Und derzeit, sagt Varathan, „gibt es überall fallende Messer“.

Die Bank of Japan hat die Märkte kalt erwischt, sagt indes Chris-Oliver Schickentanz, Chefanlagestratege der Capitell AG. Die Notenbank hat die Zinsen erhöht, und gleichzeitig ihre Anleihenkäufe reduziert, das hat „massive Nervosität“ in die Märkte gebracht. Gleichzeitig sprang dadurch der Yen-Kurs an, und sogenannte Carry-Trader mussten ihre Positionen schließen.

 

Bei diesem Fall des „Carry Trades“ liehen sich Anleger günstig Yen, um dann in Fremdwährung lukrativ anzulegen. Das funktioniert aber nicht, wenn der Wechselkurs gegen den Anleger arbeitet. Gleichzeitig waren auch bestimmte regelbasierte Anleger zum Verkauf gezwungen.

Und zu guter Letzt, sagt Schickentanz, „sind im Sommer viele Anleger mit Stop-Loss-Limits abgesichert, die aufgrund der fallenden Kurse ausgelöst und den Absturz so verschlimmert haben“.

Wer jetzt einsteigt, sollte sein Kapital clever stückeln

Der Börsenprofi sagt ganz klar: „Fakt ist, dass keiner von uns den Tiefpunkt erwischen wird. Die Frage ist eher: Sind wir ‚noch oben‘ und kommt noch richtiges Ungemach oder sind wir ‚schon unten‘? Wir glauben, dass wir noch nicht am Ende dieser Korrekturbewegung sind.“

Wer jetzt schon einsteigen will, sollte das in Tranchen tun, rät der Experte. „Sagen wir, jetzt sollen noch 10.000 Euro investiert werden. Dann würde ich das in fünf Tranchen von 2000 Euro teilen. Die erste Tranche kann direkt heute oder morgen investiert werden, die weiteren dann mit Abständen von jeweils drei bis vier Tagen.“

So steigen Anleger zu einem vernünftigen Kurs ein, sagt Schickentanz. „Außerdem vermeidet man so, das ganze Kapital ausgerechnet am schlechtesten Tag zu investieren.“

„Sicherlich gibt es nicht nur fallende Messer“, sagt indes Udo Rieder, Portfolio-Manager bei der KSW Vermögen. Aber: „Angesichts einer sich in vielen Regionen abkühlenden Wirtschaft, sich eintrübenden Stimmungsindikatoren und charttechnisch angeschlagenen Märkten sollte man nicht zu optimistisch hinsichtlich einer kurzfristigen schnellen Erholung der Märkte sein.“

Anleger sollten Werte suchen, die „in Sippenhaft“ genommen wurden

Laut Rieder ist es wahrscheinlich, dass noch günstigere Einstiegsmomente kommen, „zumal die Saisonalität aktuell auch keine Stütze ist“. Sollten Anleger „unbedingt schon wieder“ einsteigen wollten, müssen sie dabei bedenken, dass gerade die heftigen Verluste bei Anlegerlieblingen oft fundamentale Gründe haben, wie etwa der Abbau von Überbewertungen.

„Insofern sollte man eher auf Werte zurückgreifen, die solide Fundamentalkennzahlen aufweisen und ‚in Sippenhaft‘ genommen wurden“, sagt Rieder. Fündig werden Anleger dabei allemal: „Abgesehen von den recht teuren ‚Magnificient Seven‘ ist der breite US-Markt zumindest nicht dramatisch überbewertet.“

Noch günstiger erscheinen europäische Aktien sowie Titel aus den Schwellenländern und China. Dabei lohnt ein Blick in die zweite Reihe: „Small-Caps sind in fast allen Regionen im Vergleich zu ihren Large Caps unterbewertet und im langfristigen historischen Vergleich günstig.“

Was die Sektoren angeht, gebe es derzeit keine klaren Favoriten, sagt Schickentanz. Im Gegenteil: „Am Montag haben wir teilweise sehr unsystematische Verkäufe gesehen, im Dax war Eon##chartIcon eine der größten Verlierer, dabei hat der Konzern ein total defensives und prognostizierbares Geschäftsmodell. Das ist nur ein Beispiel von vielen, was einfach nicht passt“, so der Profi.

Statt auf Sektoren suche Schickentanz „auf Einzelwert-Ebene“ nach interessanten Stories. Dort können Anleger Werte identifizieren, die „unverhältnismäßig abgestraft worden sind“. Der Profi verrät gegenüber FOCUS online, dass er dabei auch einige Tech-Aktien im Visier haben.

Die Gefahr einer zweiten Verkaufswelle ist da

Rolf Ehlhardt von der Independent Capital Management in Mannheim empfiehlt, nichts zu überstürzen. „Die Liquidität [des Portfolios] sollte auf 20 Prozent ausgebaut werden. Wer mehr hat, kann vereinzelt Qualitätsaktien kaufen“, sagt der Vermögensverwalter. Das seien beispielsweise Allianz##chartIcon , Nestle##chartIcon oder Roche##chartIcon . Gleichwohl gelte weiter „Safety First“.

Richtig billig seien Aktien laut Ehlhardt auch nach diesem Einbruch nämlich nicht. Einzig Edelmetallaktien seien bei weitem nicht so stark eingebrochen. „Auch Rohstoffwerte, wie Freeport McMoran oder Rio Tino, sind auf lukrative Kurse gefallen.“ Vorsicht bleibt dennoch angebracht: „Wenn jetzt die Börse beginnt, eine Rezession einzupreisen, könnte nach einer kleinen Erholung eine zweite Verkaufswelle kommen, die dann unter das gestrige Tief läuft.“