„Wie man einen Wikinger erzieht“ - Dänische Kinder sind glücklicher, weil ihre Eltern 6 Dinge anders machen

Wie die Dänen ihre Kinder zu glücklichen Menschen erziehen<span class="copyright">Getty Images/Cavan Images RF</span>
Wie die Dänen ihre Kinder zu glücklichen Menschen erziehenGetty Images/Cavan Images RF

Dänische Kinder spielen anders, lernen anders, essen anders. Sie singen, kämpfen, klettern, fallen und stehen wieder auf. Was machen ihre Eltern anders? Und könnte diese andere Art der Kindererziehung der Grund sein für das Glück der Dänen sein?

„Ich wusste, dass ich in Schwierigkeiten steckte, als mein Vorschulkind nach Holzrauch riechend nach Hause kam und mir erzählte, dass er „Messerfertigkeiten“ geübt hätte. Als seine Zwillingsgeschwister sich zu ihrem zweiten Geburtstag eine Säge wünschten, wurde mir klar, dass ich den Rubikon überschritten hatte: Ich war unbeabsichtigt zu einer Mutter von Wikingern geworden.“

Mit diesen Worten beginnt die Journalistin und Autorin Helen Russel einen Artikel im „Guardian“, in dem sie beschreibt, was sie in Dänemark über die Erziehung von „Wikinger-Kindern“ gelernt hat. Ihre Erfahrungen hat Russell auch in dem kürzlich erschienenen Buch „How To Raise A Viking“ (Wie man einen Wikinger großzieht) verarbeitet.

Die Britin beschreibt, dass Kinder in Dänemark und anderen nordischen Ländern anders aufwachsen als sie es aus ihrer Heimat kennt: „Nordische Kinder machen die Dinge anders. Sie essen anders, lernen anders, spielen anders, kleiden sich anders, schlafen sogar anders. Sie singen, kämpfen, klettern, fallen und stehen wieder auf. Sie sind jeden Tag stundenlang in der Natur unterwegs – und das, obwohl das Wetter schrecklich ist.“

Könnte der Umgang mit Kindern in Dänemark ein Grund dafür sein, dass das Land regelmäßig an der Spitze des World Happiness Reports steht?

Auch die Autorinnen Jessica Joelle Alexander und Iben Dissing Sandahl glauben, dass die Kindererziehung der Dänen ihr Glücksfaktor ist. Die Amerikanerin und die Dänin haben das dänische Erziehungskonzept und seine Auswirkung auf die Kinder jahrelang erforscht und bringen dessen Erfolg auf eine schlichte Formel:

Glückliche Kinder wachsen zu glücklichen Erwachsenen heran, die glückliche Kinder großziehen und so weiter.  

Ihre Erkenntnisse haben sie in dem Buch „Warum dänische Kinder glücklicher und ausgeglichener sind“ zusammengefasst. Was können wir also von dänischen Eltern über Kindererziehung lernen?

1. Dänische Eltern vermitteln ihren Kindern richtige Lebenskompetenzen

Die Dänen betrachten Kinder als grundsätzlich gut und richtig und begegnen ihnen mit Respekt. Sie wissen, dass sie zunächst ihr eigenes Verhalten kontrollieren müssen, wenn sie sich dasselbe von ihren Kindern wünschen. Und sie möchten nicht in erster Linie erfolgreiche Kinder großziehen, sondern resiliente Menschen, die einen eigenen inneren Kompass besitzen, der sie durchs Leben führt.

Kurz gesagt geht es in Dänemark darum, den Kindern Lebenskompetenzen zu vermitteln, sodass sie selbst in der Lage sind, sich im Leben zurechtzufinden, glückliche Beziehungen einzugehen und ein hohes Maß an Zufriedenheit zu erlangen.

2. Dänische Eltern lassen ihre Kinder Probleme mit eigener Kraft lösen

Dänische Eltern halten Druck für den falschen Weg. Eltern und Lehrer konzentrieren sich daher auf Dinge wie Autonomie, Zusammenhalt, Sozialisation, Selbstwertgefühl und Demokratie. Sie wissen, dass Kinder zwar auch Bildung erhalten und viele Fähigkeiten erlernen sollen – ihnen ist aber auch bewusst, dass echtes Glück nicht allein auf gute Bildung zurückgeht.  

Fast alle dänischen Eltern halten die Konzentration auf die Leistung der Kinder und den Druck, der dadurch auf ihnen lastet, für den falschen Weg. Sie haben verstanden, dass Kinder, die immer nur gute Leistungen erbringen, um eine Bewertung von außen zu bekommen, keinen starken inneren Antrieb entwickeln können.

Daher räumen sie ihren Kindern viele Freiräume ein, bringen ihnen ein hohes Maß an Vertrauen entgegen und erlauben ihnen, Probleme aus eigener Kraft zu lösen und Hindernisse eigenständig zu überwinden.

Dänische Kinder sind deshalb mehr als andere mit sich selbst im Reinen, folgen selbstgesteckten Zielen, können besser mit Stress und Belastungen umgehen und sind resilienter.

3. Dänische Eltern machen freies Spiel zur Priorität

Verschiedene wissenschaftliche Untersuchungen sind zu dem Ergebnis gekommen, dass das Spielen eine wesentliche Voraussetzung ist, um den Umgang mit Stress zu lernen. Im Spiel haben Kinder die Möglichkeit, sich auszuprobieren, die eigenen Grenzen auszuloten und wertvolle soziale Kompetenzen zu erlernen.

In den meisten Industrienationen kommt das kindliche Spiel inzwischen viel zu kurz, weil die Kleinen neben der Schule häufig noch andere Verpflichtungen wie Musik- oder Sportunterricht haben. Seit Jahren geht die Anzahl der Stunden, in denen Kinder einfach nur spielen dürfen, stetig zurück.

Dabei hat das freie Spiel eine unschätzbare Bedeutung für Kinder: „Aus der Gehirnforschung weiß man, dass völlig absichtsloses Spielen für die besten Vernetzungen im Gehirn sorgt“, erklärt der bekannte Neurobiologe Gerald Hüther.

Dänische Eltern legen viel Wert darauf, dass ihre Kinder frei spielen und sie versuchen, sich dabei nicht zu sehr einzumischen. Jede Bewertung, jedes unnötige Eingreifen von außen kann den Spielfluss behindern und häufig wird den Kindern die Möglichkeit genommen, selbst Lösungen für jegliche Probleme zu finden.

Das Spielen hat in Dänemark eine so große Bedeutung, dass es sogar von den Schulen gefördert wird. Lange Zeit durften dänische Kinder erst mit sieben Jahren eingeschult werden. Lehrer und Pädagogen fanden es wichtig, dass Kinder in erster Linie Kinder sein und spielen durften.

Bis heute endet der reguläre Unterricht in Dänemark um 14 Uhr. Danach können die Kinder in die sogenannte Freizeitschule gehen, wo sie in erster Linie zum Spielen angeregt werden.

4. Dänische Eltern loben im richtigen Maß

Die Art, wie ein Kind gelobt wird, kann darüber entscheiden, wie es mit neuen Herausforderungen umgeht und wie sehr es sich auf die eigenen Fähigkeiten verlassen kann. Dänische Eltern wissen, dass überschwängliches Lob das Selbstwertgefühl eher einschränkt.

Was Kinder wirklich brauchen, ist schlichtes, ehrliches und prozessbezogenes Lob: Sie sollten nicht für ihre Intelligenz oder ein Talent gelobt werden, sondern für ihre Arbeit, ihr Engagement, ihre Ausdauer , ihre Lernerfolge. 

Die dänische Art zu loben zeichnet sich insbesondere durch Bescheidenheit aus. Ziel ist, dass das Kind keine Anerkennung von anderen Menschen braucht, um sich wertvoll zu fühlen. Anstatt immer nur zu sagen, dass ein Bild oder eine Arbeit „toll“ ist, sprechen dänische Eltern mit ihren Kindern über ihre Arbeiten und stellen ihnen Fragen. Sie sagen genau, was ihnen an der Arbeit ihrer Kinder gefällt und weisen sie darauf hin, dass ihre Entwicklung ein fortlaufender Prozess ist.

5. Dänische Eltern bleiben eher locker

Der dänische Erziehungsstil basiert auf den Grundprinzipien der Demokratie. Das bedeutet, dass dänische Eltern Regeln für das Familienleben aufstellen und auch von ihren Kinder erwarten, diese einzuhalten. Doch sie gehen sehr auf ihre Kinder ein, wenn sie diese Regeln „austesten“ wollen.

Das hat viel damit zu tun, dass die Dänen ein grundsätzlich positives Bild von ihren Kindern haben. Anstatt zum Beispiel die Autonomiephase von Kleinkindern zwischen zwei und drei als schrecklich zu betrachten, begrüßen sie sie als wichtigen Entwicklungsschritt, der vollkommen normal ist.

In dänischen Familien wird weder viel geschrien noch geschlagen. Die Dänen wollen nämlich, dass ihre Kinder ihnen mit Respekt begegnen. Und das geht natürlich nur, wenn auch sie ihnen Respekt entgegenbringen.

Anstatt ihre Kinder also mit Angst zu erziehen, die nicht Respekt, sondern Angst fördert, begegnen sie ihnen mit freundlicher Bestimmtheit. So verhindern sie unnötige Machtkämpfe und Wutausbrüche und stärken die Bindung zu ihren Kindern.

6. Dänische Eltern schätzen Bedeutung von „hygge“

Das ist der Grund, warum dänische Kinder auch im Erwachsenenalter noch gerne Zeit mit ihren Eltern und Familien verbringen und ihr berühmtes Hygge – kuschelige Familienzeit – praktizieren. Es ist ein wichtiger Schlüssel zu ihrem Glück und eine wundervolle Tradition, von denen alle Menschen außerhalb von Dänemark viel lernen können.

Denn das Grundprinzip von „hygge“ geht auf Gemeinsamkeit zurück. Die Dänen glauben, dass es dem Leben Sinn und Zweck gibt, wenn man sich mit anderen Menschen verbunden fühlt. Sie nehmen die Zeit, die sie mit der Familie, Freunden oder lieben Menschen verbringen ganz bewusst war, machen es sich gemütlich, genießen gutes Essen, singen und spielen zusammen.

Gemeinsame Freizeitakivitäten spielen im dänischen Alltagsleben daher eine große Rolle und ein Großteil der Bevölkerung ist in Vereinen oder Clubs aktiv.

Kinder arbeiten von klein auf an Gruppenprojekten, sodass sie lernen, Teams zu bilden und anderen zu helfen. Daher werden besonders gute Schüler in Dänemark auch zu Bescheidenheit angehalten, sodass sie sich empathisch um schwächere Mitschüler kümmern können. Dänische Kinder werden also zu Teamplayern erzogen. Deshalb gelten Dänen auf der ganzen Welt als angenehme Arbeitskollegen und sympathische Menschen.