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"Manche Filmstudios werden die Krise nicht überleben"

Die Corona-Krise trifft auch Hollywood mit voller Härte. Erfolgsproduzent Patrick Wachsberger ("Twilight", "Die Tribute von Panem") erzählt im Interview, was das für die Filmbranche bedeutet.

Patrick Wachsberger ist einer der erfolgreichsten Produzenten Hollywoods und für Hits wie "Twilight", "Die Tribute von Panem", "Mr. & Mrs. Smith", "La La Land" und "John Wick" verantwortlich. Seine Filme spielten für die Filmstudios Lionsgate und Summit Milliarden ein, bevor sich Wachsberger im vergangenen Jahr entschloss, eigene Wege zu gehen. Zusammen mit zwei Landsleuten gründete der 68-jährige Franzose die Produktionsfirma Picture Perfect Federation, um nicht mehr nur Kinofilme, sondern auch Serien für Streamingdienste zu produzieren. Wie er die Auswirkung der Corona-Pandemie auf die Branche einschätzt, erklärt Wachsberger im Telefoninterview.

teleschau: Herr Wachsberger, wie sehr hat Sie der Shutdown getroffen?

Patrick Wachsberger: Wir waren gerade dabei, in Südafrika die Serie "Around the World in 80 Days" zu drehen, in Osteuropa hätten weitere Aufnahmen stattfinden sollen. Zunächst war ich damit beschäftigt, den Drehstopp einzuleiten und mich um das Budget zu kümmern, das natürlich darunter leiden wird. Was ich als Erstes gelernt habe war, dass der Grund des Drehstopps, die Pandemie, nicht von der Versicherung abgedeckt wird. Gott sei Dank war der Sender, für den wir drehen, verständnisvoll, sodass wir das klären konnten. Ich bin mir sicher, dass wir die Produktion wieder aufnehmen werden. Aber natürlich wird die Serie nicht mehr in diesem Jahr anlaufen können.

teleschau: Können Sie den Drehstopp für andere Projekte nutzen?

Wachsberger: Ja, wir suchen derzeit zum Beispiel Autoren für neue Drehbücher und fangen an, weitere Produktionen zu planen. Die Frage ist aber: Wann und vor allem wo können wir wieder drehen? Sicherlich nicht hier in den USA - so, wie sich Donald Trump verhält, wird das noch für längere Zeit nicht möglich sein. Auch England fällt länger aus, dort wütet die Pandemie zu heftig. Gott sei Dank bleiben noch andere Länder, in denen wir arbeiten können.

teleschau: Wenn die Kinos demnächst wieder öffnen: Wird es dann überhaupt genug Filme geben?

Wachsberger: Bereits abgedrehte Filme, die auf Festivals wie etwa Sundance vorgestellt wurden, aber keinen Käufer gefunden haben, könnten nun doch in die Kinos kommen. Und auch die Europäer haben sicherlich genügend Filme auf Lager, die sie in die Kinos bringen können. Die Franzosen haben ihre französischen Filme und die Deutschen eben ihre deutschen Filme. Was den Kinos aber auf jeden Fall fehlen wird, sind die amerikanischen Filme. Fakt ist: 2021 wird es einen extremen Mangel an amerikanischen Filmen und noch mehr an Hollywood-Blockbustern geben.

teleschau: Betrifft das auch die Streamingdienste?

Wachsberger: Die Aktienkurse der Streaming-Riesen wie Amazon und Netflix sind derzeit so hoch wie noch nie zuvor. Die große Frage, die sich sicherlich alle Filmemacher momentan stellen, ist aber: Welche Filme und Serien wollen die Zuschauer nach der Krise sehen? Keiner hat Lust auf Katastrophenfilme und schon gar nicht auf Thriller, in denen irgendwelche Bakterien die Menschheit auslöschen. Was bislang Science-Fiction war, ist jetzt Realität geworden.

"Es ist eine sehr schwere Zeit"

teleschau: Was werden die Leute stattdessen sehen wollen?

Wachsberger: Ganz klar: romantische Komödien und überhaupt alles, was die Menschen zum Lachen bringt. In den USA werden außerdem Filme, die sich um das Thema Sport drehen, einschlagen. Aber natürlich bleibt immer noch die große Frage: Wann werden die Kinos überhaupt wieder aufmachen?

teleschau: Was glauben Sie?

Wachsberger: Das ist schwer zu sagen. Ich glaube, die großen Kinos werden die Krise überleben, die kleineren wahrscheinlich nicht. Wenn die Kinos dann wieder aufmachen, aber die Auflage haben, dass neben jedem Zuschauer immer drei Plätze frei sein müssen, dann werden viele das wirtschaftlich auch nicht lange durchhalten. Corona hat die gesamte Welt befallen. Manche Länder werden besser und manche schlechter aus der Krise hervorgehen. Es wird sicherlich nicht jedes Kino weltweit zum gleichen Zeitpunkt wiedereröffnet. Es sei denn, ein Impfstoff wird gefunden. Aber das kann noch dauern.

teleschau: Wie hart trifft die Krise die Hollywood-Studios?

Wachsberger: Disney beispielsweise ist sicherlich schwer betroffen. Ihre gesamten Freizeitparks sind geschlossen, sämtliche Sportveranstaltungen fallen aus, und die 71 Milliarden, die sie ausgegeben haben, um Fox zu kaufen, sind sicherlich eine größere Belastung als zunächst angenommen. Sony hingegen könnte mit Videospielen das Geld reinholen, das ihnen durch die Kinoschließungen fehlt. Fakt ist auch, dass die Streaming-Riesen zu einer enormen Konkurrenz für die Filmstudios geworden sind. Amazon und Netflix sind schon voll mit dabei. HBO Max und Hulu sind gerade im Anmarsch, und Apple+ mischt neuerdings auch noch mit. Einen Kinofilm oder gar einen Blockbuster zu produzieren, kostet immens viel Geld, einen Film für eine Streaming-Plattform zu produzieren, nicht. Manche Studios werden die Krise besser überstehen und manche nicht überleben. Das ist leider die Wahrheit.

teleschau: Wie geht es Ihnen persönlich in der Heim-Quarantäne?

Wachsberger: Es ist eine sehr schwere Zeit, die wir alle zusammen gerade durchmachen. Meine Heim-Quarantäne ist aber bei weitem angenehmer als bei vielen anderen. Ich habe ein großes Haus, einen großen Garten und ein Fitnesscenter - und hier in Los Angeles vor allem schönes Wetter. Ich versuche, mich so gut es geht an die Regeln zu halten. Einmal die Woche gehe ich zum Markt, um frisches Obst und Gemüse zu kaufen, und zum Supermarkt, um die notwendigsten Lebensmittel zu besorgen. Ansonsten bleibe ich daheim.

teleschau: Was machen Sie den ganzen Tag?

Wachsberger: Ich schaue mir viele Serien an und lese Drehbücher - aber auch ganz normale Bücher. Dazu hatte ich schon lange keine Zeit mehr. Nachrichten hingegen schaue ich schon gar nicht mehr. Das macht einen nur verrückt und depressiv. Wir können an der Lage sowieso nichts ändern und müssen abwarten, bis wir das Coronavirus im Griff haben.