"Mein Mann kommt mehr über den Kopf, ich über den Bauch"

Bisher konzentrierte sie sich auf ihre Theaterkarriere: Lina Beckmann, 40, gilt seit rund anderhalb Jahrzehnten als eine der besten Bühnendarstellerinnnen Deutschlands. Nun wird sie über den "Polizeiruf" einem Millionenpublikum - wohl deutlich - bekannter. (Bild: NDR / Christine Schroeder)
Bisher konzentrierte sie sich auf ihre Theaterkarriere: Lina Beckmann, 40, gilt seit rund anderhalb Jahrzehnten als eine der besten Bühnendarstellerinnnen Deutschlands. Nun wird sie über den "Polizeiruf" einem Millionenpublikum - wohl deutlich - bekannter. (Bild: NDR / Christine Schroeder)

Das gab es im deutschen Fernsehen wohl noch nie: Mit Charly Hübner hängt ein TV-Star seine Kommissars-Rolle im "Polizeiruf 110" an den Nagel - und es übernimmt seine Frau, die Hamburger Theaterschauspielerin Lina Beckmann. Wie ging man im Hause Hübner / Beckmann mit der brisanten Personalie um?

Lina Beckmann ist ein Star am Deutschen Schauspielhaus Hamburg, einer der renommiertesten Bühnen Deutschlands. Auch anderswo, wo die gebürtige Hagenerin am Theater tätig war, hat sie bleibenden Eindruck hinterlassen. 2011 gewann sie den Preis "Schauspielerin des Jahres", viele weitere Auszeichnungen folgten. In Film und Fernsehen hat sich die 40-Jährige dagegen eher rar gemacht - was sich nun jedoch ändert. Mit dem Krimi "Polizeiruf 110: Seine Familie kann man sich nicht aussuchen" (Sonntag, 24. April, 20.15 Uhr, Das Erste) übernimmt Beckmann die Ermittlerinnen-Rolle an der Seite Anneke Kim Sarnaus, die nach dem freiwilligen Ausstieg ihres Zwölf-Jahres-Partners Charly Hübner verwaist war. Die Besonderheit: Lina Beckmann ist mit Charly Hübner verheiratet. Da muss man doch mal fragen, wie es zu der durchweg ungewöhnlichen Nachfolgeregelung kam - und was sie in der Familie Hübner & Beckmann auslöste.

teleschau: Frau Beckmann, hatte Ihr Mann Charly Hübner seine Finger im Spiel, als es darum ging, seine Nachfolge beim Rostocker "Polizeiruf" zu regeln?

Lina Beckmann: Nein, überhaupt nicht. Als mein Mann mir sagte, dass er aussteigen will, habe ich ihn gefragt: "Aber wer wird denn dein Nachfolger, deine Nachfolgerin?" Später bekam ich dann einen Anruf von meiner Agentur, die fragte, was ich davon halten würde, wenn ich die neue Kommissarin wäre. Ich war total überrascht. Charly und ich haben natürlich sofort diskutiert, aber er meinte dann irgendwann: "Das musst du ganz allein entscheiden."

teleschau: Warum wollte er Ihnen dabei nicht helfen?

Lina Beckmann: Weil er noch viel zu tief in dem Geschehen drin war. Meine Agentin sagte letztlich etwas, das meine Entscheidung auf jeden Fall beeinflusste. Sie fragte mich, ob ich so lange überlegen würde, wenn ich die Nachfolgerin von jemandem wäre, den ich nicht so gut kennen würde. Da musste ich zugeben: Ich hätte wahrscheinlich sofort zugesagt. Das habe ich dann auch getan. Etwas nur deshalb nicht zu machen, weil mein Mann Vorgänger in einer Rolle war, wäre ja auch ziemlich blöd.

Charly Hübner und seine Frau Lina Beckmann beim Deutschen Fernsehpreis 2016 in Düsseldorf. Das Paar ist auch immer wieder mal zusammen in Film- und Fernsehrollen zu sehen. Wer weiß, vielleicht gibt es irgendwann auch mal ein kurzes Bukow-Comeback im "Polizeiruf" ... (Bild: 2016 Getty Images/Mathis Wienand)
Charly Hübner und seine Frau Lina Beckmann beim Deutschen Fernsehpreis 2016 in Düsseldorf. Das Paar ist auch immer wieder mal zusammen in Film- und Fernsehrollen zu sehen. Wer weiß, vielleicht gibt es irgendwann auch mal ein kurzes Bukow-Comeback im "Polizeiruf" ... (Bild: 2016 Getty Images/Mathis Wienand)

Bukows Schwester, Hübners Frau

teleschau: Aber warum mussten Sie so lange überlegen? Ist es irgendwie unredlich, was da geschehen ist?

Lina Beckmann: Nun ja, ich glaube, das gab es noch nicht im deutschen Fernsehen. Dass die Ehefrau Nachfolgerin ihres Mannes in einer großen Reihen-Hauptrolle wird. Mir persönlich wäre es extrem unangenehm, wenn jemand sagen würde, ich habe die Rolle bekommen, weil mein Mann mich ins Spiel gebracht hat.

teleschau: Im vorletzten Polizeiruf mit Charly Hübner wurde Ihre Figur, die ja die Halbschwester von Bukow ist, bereits eingeführt. Ich nehme an, damals war schon klar, dass Sie ein Jahr später in Rostock übernehmen würden?

Lina Beckmann: Es war klar, dass in der Folge "Sabine", die im März 2021 lief, Bukows Vater sterben und beerdigt werden würde. Dazu gab es die Idee des Senders, ob meine Rolle nicht Bukows Schwester sein könnte, die zur Trauerfeier anreist. Ich fand das eine gute Idee. Mir hat es geholfen, die alte Atmosphäre noch einmal zu spüren.

teleschau: Wurde Melly Böwe damals schon als Polizistin eingeführt?

Lina Beckmann: Indirekt, ja. Melly redet zwar nicht über ihren Beruf bei der Trauerfeier, aber Sascha Bukow sagt in einer Szene zu Katrin König, also Anneke Kim Sarnau: "Sie ist dann auch Polizistin geworden."

Zwei Damen in Rostock: Nach dem Abgang von Charly Hübner beim "Polizeiruf 110" übernimmt dessen Real Life-Ehefrau (und Film-Halbschwester) Lina Beckmann (links) den frei gewordenen Ermittlungs-Platz an der Seite von Schauspiel-Kollegin Anneke Kim Sarnau. (Bild: NDR / Christine Schroeder)
Zwei Damen in Rostock: Nach dem Abgang von Charly Hübner beim "Polizeiruf 110" übernimmt dessen Real Life-Ehefrau (und Film-Halbschwester) Lina Beckmann (links) den frei gewordenen Ermittlungs-Platz an der Seite von Schauspiel-Kollegin Anneke Kim Sarnau. (Bild: NDR / Christine Schroeder)

"Man muss mit den Geheimnissen haushalten"

teleschau: Die Konstruktion, dass Melly Böwe weit weg von Rostock lebt, ist nun aber ein Problem. Im ersten Film wird sie aus Bochum, wo sie mit ihrer Tochter lebt, an die Ostsee wegen eines Falls geschickt. Wird sie danach dorthin versetzt?

Lina Beckmann: Da dies im ersten Film noch nicht aufgelöst wird, kann ich noch nicht drüber sprechen. Aber ja, sie wird ziemlich bald in Rostock leben und arbeiten (lacht).

teleschau: Wie war Ihre Erfahrung mit dem ersten Dreh?

Lina Beckmann: Sehr aufregend. Eine Rolle mit ganz langem Atem anzulegen, weil sie sich über Jahre entwickeln könnte, ist für mich etwas Neues. Man muss mit den Geheimnissen haushalten, Dinge zurückhalten, dosieren. Ich spiele ja vor allem Theater. Wenn ich gedreht habe, waren das vielleicht zehn Tage, die ich mit einer Rolle verbrachte. Für einen Kinofilm waren es einmal ein paar mehr, aber die Entwicklung der Figur bleibt trotzdem auf diesen einen Kinofilm beschränkt. So etwas wie im "Polizeiruf" ist schauspielerisch etwas ganz anderes. Auch deshalb, weil ich mit anderen Figuren spiele, die ihrerseits sehr viel Geschichte mit sich herumtragen.

teleschau: Wie haben die Kollegen "mit viel Geschichte" die Neue aufgenommen?

Lina Beckmann: Sehr gut - und das war das große Plus bei dieser Aufgabe. Ich spiele sehr gerne mit Anneke Kim Sarnau, die Chemie stimmt total. Aber auch mit den Männern im Kommissariat machte es großen Spaß. Es sind wahnsinnig tolle, offene Kollegen. Aber es war schon enorm aufregend, das muss ich sagen.

Der erste Post-Charly-Hübner-Polizeiruf beginnt mit einer Irritation: Katrin König (Anneke Kim Sarnau) wundert sich, dass Profilerin Melly Böwe (Lina Beckmann), Halbschwester ihres Ex-Ermittlungs- und Lebenspartners Bukow, aus Bochum anreist und einen ihrer Verdächtigen schützt.

 (Bild: NDR / Christine Schroeder)
Der erste Post-Charly-Hübner-Polizeiruf beginnt mit einer Irritation: Katrin König (Anneke Kim Sarnau) wundert sich, dass Profilerin Melly Böwe (Lina Beckmann), Halbschwester ihres Ex-Ermittlungs- und Lebenspartners Bukow, aus Bochum anreist und einen ihrer Verdächtigen schützt. (Bild: NDR / Christine Schroeder)

"Ich könnte Kritiken lesen, mir Einschaltquoten ansehen ..."

teleschau: Sie stehen schon viele Jahre in großen Hauptrollen auf der Bühne bedeutender deutscher Theater. Müsste man da nicht viel mehr Lampenfieber haben, als wenn man in eine Kamera spielt?

Lina Beckmann: Wenn ich "live" im Theater spiele, spüre ich, wie das bei den Menschen ankommt, was es mit ihnen macht. Man atmet mit den Leuten, mit diesem Gefühl bin ich quasi groß geworden. Dass ich nun etwas drehe, das in einem Büroraum stattfindet, vom Regisseur später geschnitten und mit Musik unterlegt wird, ist hingegen sehr ungewohnt. Ich kann im Moment des Entstehens nicht sagen, was aus diesem Moment gemacht wird und wie mein Spiel ankommt. Daran muss man sich echt gewöhnen. Und es löst große Nervosität bei mir aus - noch (lacht).

teleschau: Können Sie damit leben, erst mal nicht zu wissen, wie man ankommt?

Lina Beckmann: Ich werde es lernen müssen, weil ich mich ja nicht zu den Menschen ins Wohnzimmer setzen kann, um zu sehen, wie sie mich finden. Ich könnte Kritiken lesen, mir Einschaltquoten ansehen, aber das sind keine "direkten" Rückmeldungen auf mein Spiel. Was die Leute wirklich fühlen, wenn sie den "Polizeiruf" sehen, bekomme ich nicht mit. Das ist absurd für mich.

teleschau: Wird Ihnen Charly Hübner denn eine Hilfe sein - und Rückmeldung geben?

Lina Beckmann: Wir sind ein Paar, das schon auch über die Arbeit spricht. Vor allem aber darüber, was man erlebt hat und wie es einem damit geht. Ich habe ja schon zwei "Polizeirufe" abgedreht. In dieser Zeit habe ich ihn schon öfter um Hilfe gebeten oder um Rat gefragt, weil er diesen Erzähl-Kosmos Rostock so gut kennt. Er war in diesen Situationen sehr "pädagogisch", sag ich mal (lacht).

teleschau: Inwiefern?

Lina Beckmann: Wir gehen als Schauspieler unterschiedlich an unseren Beruf heran. Ganz klassisch würde ich sagen, dass mein Mann mehr über den Kopf kommt und ich über den Bauch.

"Die Neue" im Rostocker "Polizeiruf 110" als Nachfolgerin Charly Hübners: Ermittlerin Melly Böwe (Lina Beckmann) lebt zu Beginn ihres ersten Falles noch in Bochum - und kümmert sich dort um ihre halbwüchsige Tochter. (Bild: NDR / Christine Schroeder)
"Die Neue" im Rostocker "Polizeiruf 110" als Nachfolgerin Charly Hübners: Ermittlerin Melly Böwe (Lina Beckmann) lebt zu Beginn ihres ersten Falles noch in Bochum - und kümmert sich dort um ihre halbwüchsige Tochter. (Bild: NDR / Christine Schroeder)

"Ich werde auch immer die Neue bleiben"

teleschau: Der Rest des Rostocker Teams ist mehr oder minder seit zwölf Jahren zusammen. Hat man als Neue überhaupt eine Chance, in diese Clique reinzukommen?

Lina Beckmann: Man fühlt sich schon wie die Neue in der Klasse. Ich werde auch immer die Neue bleiben, weil man zwölf Jahre gemeinsame Geschichte nicht aufholen kann. Wie gesagt, die Kollegen sind alle offen und nett. Aber ich muss letztendlich mit diesem Status klarkommen.

teleschau: Kannten Sie Anneke Kim Sarnau schon vorher?

Lina Beckmann: Ja, aber wir haben davor noch nie zusammen gearbeitet. Es war toll mit ihr zu arbeiten, wir haben auch privat schnell eine schöne Ebene gefunden. Und beim Spielen funktioniert es auch. Das eine hat mit dem anderen übrigens wenig zu tun. Es ist keine Selbstverständlichkeit, dass beides gut läuft, und das hat nicht unbedingt etwas mit der Qualität des Schauspielers oder der Schauspielerin zu tun.

teleschau: Werden Sie am Theater kürzertreten und sich nun mehr auf die Fernseh-Karriere konzentrieren?

Lina Beckmann: Nein, das Theater ist mir dafür viel zu wichtig. Ich war immer fest im Ensemble und ich werde auch jetzt nicht damit aufhören. Theater ist das, was ich liebe. Der Rostocker "Polizeiruf" ist ein großartiges Format mit großartigen Kollegen. Und eine Herausforderung, auf die man sehr gespannt ist.

teleschau: Also drehen Sie als Kommissarin Melly Böwe ab sofort zwei Filme pro Jahr?

Lina Beckmann: Genau, das ist erst mal das Ziel. Die ersten beiden Filme haben wir hintereinander gedreht, und so wird es auch wieder sein, wenn Film drei und vier entstehen.

Löst als neue Ermittlerin im Rostocker "Polizeiruf 110" als Nachfolgerin Charly Hüberns ihre Ersten Fall: Melly Böwe, gespielt von Lina Beckmann. (Bild: NDR / Christine Schroeder)
Löst als neue Ermittlerin im Rostocker "Polizeiruf 110" als Nachfolgerin Charly Hüberns ihre Ersten Fall: Melly Böwe, gespielt von Lina Beckmann. (Bild: NDR / Christine Schroeder)