Markus Lanz: Die großen Themen der Menschheit – Reue, Verantwortung und Zungenküsse

Über Markus Lanz’ wilden Themen-Mix kann man sich aufregen. Vielleicht spiegelt er unsere Gesellschaft aber auch einfach sehr akkurat wider.

Wie oft wir uns hier die Haare raufen. Was für willkürliche Gesprächsrunden der Lanz wieder zusammengestellt hat! Auch diese ist nicht anders. WELT-Autor Robin Alexander berichtet vom Besuch der Kanzlerin bei Donald Trump und den postsowjetischen Zuständen im Weißen Haus. Schauspielerin Ingrid van Bergen, die einst im Affekt ihren Liebhaber erschoss, sinniert über Reue. Kriegsreporter Carsten Stormer spricht über die Verantwortung, Journalist zu sein – und Comedian Dieter Nuhr erzählt von seinen ersten Zungenküssen als Messdiener, die nach Aschenbecher schmeckten.

Ingrid van Bergen verbrachte fünf Jahre im Gefängnis, weil sie ihren Liebhaber erschoss
Ingrid van Bergen verbrachte fünf Jahre im Gefängnis, weil sie ihren Liebhaber erschoss

Passt das zusammen? Nein. Und ja, das kann man furchtbar finden. Aber am Schluss gibt es auch ein recht rundes Bild unserer Gesellschaft ab.

Der Transparenz zuliebe müssen wir (das „wir“ ist an dieser Stelle ein dem Format angepasstes „ich“) uns an dieser Stelle outen. Wir finden es bemerkenswert, was Carsten Stormer tut. Der Mann ist sich der Verantwortung bewusst, die unsere angeborenen Privilegien mit sich bringen. Stormer sagt: „Ich will mich der Wirklichkeit nicht verweigern. Ich möchte was in Syrien passiert an mich heranlassen.“ Er zieht als Journalist in den Krieg und wird über zehn Jahre Zeuge von Gewalt, Grauen und menschlicher Tragödie. Nicht etwa, weil es glamourös und gut bezahlt wäre. Das ist es meistens nicht. Im Gegenteil. Stormer weiß auch, dass seine Arbeit Narben hinterlässt, die zu Flicken er ein ganzes Leben brauchen wird. Mit dieser Einstellung spricht er einer Generation von Sinnsuchern aus dem Herzen. Denjenigen, für die einfach nur leben nicht genug ist; die nach anderen Wirklichkeiten suchen und diese begreifen wollen.

Von Darfur über Somalia bis nach Syrien: Als Kriegsreporter hat Carsten Stormer schon viele Tragödien bezeugt
Von Darfur über Somalia bis nach Syrien: Als Kriegsreporter hat Carsten Stormer schon viele Tragödien bezeugt

Doch was passiert nach jeder Rückkehr aus eben solch einer grausamen Wirklichkeit? Man betritt eine andere Welt und eine andere Wirklichkeit. Eine, in der nicht Fassbomben die größte Sorge sind, sondern kaputte Waschmaschinen. Oder Rotweinflecken. Man trifft auf Menschen wie Dieter Nuhr, der kalauert, dass man die Klitoris früher für eine japanische Orchideenart hielt und der über zwölfjährige Pornofanatiker witzelt. „Die erscheinen zum ersten Sex im Blaumann und mit Rohrzange und sagen: „Ich komme, um ein Rohr zu verlegen“ und denken, das muss so sein.“

Zwischen dem, was Dieter Nuhr und Carsten Stormer da gestern Abend erzählten, liegen Welten – und Wirklichkeiten. Und mit der Wirklichkeit ist das ja so eine Sache: Jeder hat seine eigene. Und manchmal ist es das, was uns am allermeisten gegen den Strich geht. Zumindest das bildet diese Runde – und bilden viele andere von Markus Lanz’ Gesprächsrunden – wirklich ganz hervorragend ab. (ah)

Fotos: Screenshot/ZDF