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Markus Lanz über seine Angststörung bei "Reinhold Beckmann trifft..."

Reinhold Beckmann traf an diesem Montagabend Reinhold Messner und Markus Lanz. Zwei Südtiroler mit mehr Gemeinsamkeiten als man denkt. Foto: NDR / Morris Mac Matzen
Reinhold Beckmann traf an diesem Montagabend Reinhold Messner und Markus Lanz. Zwei Südtiroler mit mehr Gemeinsamkeiten als man denkt. Foto: NDR / Morris Mac Matzen

Im Format “Reinhold Beckmann trifft…”, das Montagabend 23 Uhr auf dem NDR läuft, hat der Moderator diesmal zwei Menschen zu Gast, die mehr gemeinsam haben, als man anfangs hätte vermuten können: Reinhold Messner und Markus Lanz. Er spricht mit ihnen über den Begriff Heimat und dabei offenbaren sich ungeahnte Probleme.

Sie kommen beide aus Südtirol, sind nur etwa 50 Kilometer voneinander geboren, beide in einem kleinen Dorf, das nur 300 Einwohner zählt: Markus Lanz und Reinhold Messner. Der Fernsehmoderator und der Alpinist haben, auch aufgrund ihres Ursprungs, mehr gemeinsam als sich bei der Kombination hätte vermuten lassen.

Zunächst spricht Moderator Reinhold Beckmann mit ihnen über Heimat, für einen Südtiroler, wie beide sagen, ein schwieriger Begriff. “Sprache hat für Heimat eine wichtige Bedeutung. Willst du jemand einkassieren, dann musst du ihm die Sprache nehmen”, sagt Markus Lanz. In seinem Militärdienst, den er in Neapel ableistete, hatten Südtiroler einen schlechten Stand. “Ihr Wort für uns war, die ‘deutschen Bastarde’.” Angekommen in Deutschland bemühte sich Lanz schnell seinen Südtiroler Einschlag in der Sprache loszuwerden “aus einem absoluten Minderwertigkeitskomplex heraus”, wie er sagt. Um eben nicht sofort als Südtiroler erkannt zu werden.

Für Reinhold Messner ist Heimat vor allem das Gefühl von Enge. “Alles war eng bei uns: Die Berge ringsum, die einen erdrückten, aber auch die Vorschriften und Gebote, die vom Bürgermeister und Pfarrer aufgestellt worden sind.” Dieser Enge zu entfliehen ist einer seiner wichtigsten Antriebe gewesen, Bergsteiger zu werden. Als er dann den Mount Everest bestieg, wollte seine Südtiroler Heimat diesen Aufstieg für sich reklamieren. “Ich bin dem entgegengetreten und habe gleich gesagt: Ich bin nicht für Südtirol auf dem Mount Everest gewesen, sondern für mich. Es war ein ganz egoistischer Grund”, erzählt Messner. Besonders, wenn er heute in seinem Heimatort die Kirchenglocken läuten höre, überfalle ihn wieder diese Schwere, diese Enge von damals.

In Lanz hingegen wecken Kirchenglocken Kindheitserinnerungen, die er nur zu gern zurückbringen würde. Sein Vater starb als Lanz gerade 14 Jahre alt war. “Damit war die Kindheit beendet. Es war die entscheidende Zäsur in meinem Leben.” Nachhause kommen sei seitdem untrennbar mit diesem Ereignis verbunden.

715 Menschen auf dem Mount Everest – das sind keine Alpinisten

Messners lebensverändernder Einschnitt war der Verlust seines Bruders am Nanga Parbat. “Wir waren eine eingespielte Seilschaft, trotzdem sind wir in eine Notlage geraten, aus der wir uns befreien konnten. Nur damit mein Bruder später von eine Lawine erschlagen wurde”, erzählt Messner. “Ich kam zurück in eine völlig andere Welt. Besonders für meine Eltern, Brüder und Schwester war es schwer, denn für sie war es nicht greifbar.” Erst 35 Jahre später, nach dem Tod der Eltern, reisten die Geschwister dorthin, um den Bruder zu bergen und Abschied zu nehmen. Der Gletscher hatte ihn 35 Jahre behalten und weiter talwärts getragen.

Trotzdem: Das was Menschen heute als Alpinismus bezeichneten, sei weit entfernt davon. “Alpinismus entwickelt sich nur nach einer Prämisse: möglich oder unmöglich? Und jede neue Generation strebt danach, etwas Unmögliches möglich zu machen. Ich wollte so schwierig klettern, dass die anderen nicht hinterherkommen.” Die 715 Menschen, die im vergangenen Mai auf dem Mount Everest waren – mit Sherpas und auf ausgetrampelten Pisten – das seien keine Alpinisten.

Lanz persönlicher Mount Everest war die Moderation von “Wetten, dass…?”. Das sieht er auch selbst so. Warum er sich dafür angeboten habe, fragt Beckmann: “Der Sender wollte das Format erhalten und am Ende war ich der Letzte, der übrig blieb, nachdem sehr viele andere sich in den nächsten Busch gerettet hatten.” Dankbar sei er dafür, dass ihm ermöglich wurde nach der harten Kritik an “Wetten, dass…?” weiter zu machen.

Selbstbestimmung als Schlüssel zum Glück

Doch nicht immer war Lanz so selbstsicher. Er erzählt davon, dass es eine Zeit gab, in der er sich eingeredet habe, er würde an einem Herzanfall sterben. Er sei von Arzt zu Arzt gegangen, bis einer zu ihm gesagt hat: “Wenn du nicht willst, dass es passiert, dann passiert es auch nicht.” Denn körperlich war Markus Lanz völlig in Ordnung, er litt jedoch unter Panikattacken und einer Art Zwangsstörung oder Neurose. Eine Weile traute er sich auch nicht auf die offene Straße hinaus zu gehen, in eine U-Bahn zu steigen oder einen Bus.” Mittlerweile sei das aber überwunden, dabei habe ihm vor allem ein Trip nach Grönland geholfen. Seine Ängste überwinden, das war das Ziel.

Ängste kennt auch Reinhold Messner. “Die Angst ist immer unterschwellig da, sie zieht die Linie, die man nicht überschreiten sollte. Die Angst kommt immer in der Dunkelheit und beim Warten.” Wenn man sich forschen Schrittes bewege, weiche die Angst vor einem zurück, erzählt Messner.

Lanz und Messner – angenehm ruhig, gestalten eine Sendung, in der auch Reinhold Beckmann ruhig wird und so den richtigen Ton für diese schweren Themen findet. Die zwei Südtiroler sind zu Berühmtheiten des gesamten deutschsprachigen Raums geworden und hatten doch jeder ihr Päckchen zu tragen. Als Quintessenz bleibt der Gedanke von Markus Lanz: “Nur ein selbstbestimmtes Leben, ist ein glückliches Leben.”