Markus Lanz: Was die AfD mit Sex und Sinnlichkeit zu tun hat

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Zugegeben, es ging schon manchmal ins Auge, wenn Markus Lanz sich an die große Politik wagt. Er bleibt mit seinen bisweilen doch recht platten Fragen oft hinter seinen Ansprüchen als ernstzunehmender Talkmaster zurück und kratzt nur an der Oberfläche. Das ist auch seinem Format geschuldet: zu viele Gäste, zu viele unterschiedliche Themen presst er in seine Runde.

Anne Will hat bereits am Sonntagabend die Präsidentenwahl in Österreich – noch vor dem endgültigen Ergebnis – durchgekaut. Auch bei Lanz drehte sich gestern nun nochmals alles um die Frage: Was bedeutet das Ergebnis für Deutschland und Europa? Werner Schneyder, österreichischer Kabarettist, hatte „mit Angstschweiß auf der Stirn“ das Kopf-an-Kopf-Rennen von Alexander Van der Bellen, von den Grünen unterstützt, und FPÖ-Kandidat Norbert Hofer verfolgt. Für ihn ist die Sache klar: Es ist ein Wahlergebnis gegen, nicht für jemandem.

“Geht es um Sex?”

Damit beginnt die große Show von Thomas Kliche, Politologe und Experte für „politische Psychologie“. Er fabuliert von Sigmund Freud und dem Begehren der Menschen. „Gegen was fühlt sich eigentlich immer gut an.“ Auch die AfD – spannt er den Bogen zu Deutschland – mache nur „negative Politik“, legt sich auf nichts fest, ist immer gegen etwas gerichtet. Doch: „Das ist noch keine Lösung für etwas.“ Soweit, so verständlich. Doch Kliche verstrickt sich zunehmend: Die Welt werde immer komplizierter, Integration, sexuelle Minderheiten, „Gendering“, schmeißt er einen Topf. Da sei es „sexy“ zu sagen, alle anderen müssen sich an uns anpassen, nicht wir an sie.

Die Alarmknöpfe schrillen bei Lanz spürbar, das Signalwort ist gefallen. Hat Lanz richtig gehört? „Sie sagen, es geht um Sex?“, hakt er sicherheitshalber nochmal nach. „Geht es um Sinnlichkeit? Wo entdecken sie bei Beatrix von Storch diese Sinnlichkeit?“ Lacher im Publikum, Beifall, Punkt für Lanz.

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Die wieder einmal recht einfache Antwort von Kliche: „Extreme Parteien versprechen wenigstens für Momente, die Sau rauszulassen. Und genau das machen die auch: in Form der Provokation.“ Wir dürfen „aggressiv“ sein, laut sagen, dass Minarette nicht gebaut werden sollen. „Wir gehören zusammen, sind was Besseres, wer reinkommen will, soll sich anpassen.“ Alles sei einfacher mit diesem Prinzip der Ausgrenzung, dieser Ablehnung des Fremden, der anderen. Es gehe um „rausjagen, rausschieben, zur Anpassung zwingen“. Die AfD – da wolle er nicht drum rumreden – sei für ihn darum klar nicht nur rechtspopulistisch, sondern „rechtsextrem“.

“Ein starker Vorwurf”

Lanz hat in seine Talkrunden bereits mehrmals die AfD zum Hauptthema gemacht, immer wieder Vertreter der Partei eingeladen und die Diskussion gesucht. Kliches Behauptung geht im offenbar zu weit. Er will es genau wissen, was denn genau an der AfD eindeutig rechtsextrem sei: die Anhänger, die Parteispitze, die Ideologie? „Ich weigere mich zu glauben, dass jeder von denen rechtsextrem ist“, wirft Lanz ein – und kassiert wieder Beifall. Das sei ein starker Vorwurf, ein starkes Wort, angesichts der Tatsache, dass die AfD-Wähler sich zum Teil „tief in der bürgerlichen Mitte“ finden: Darunter sei schließlich nicht nur der Nazi, sondern auch der von der SPD enttäuschte Arbeiter.

Auch Journalist Quoos stellt sich Kliche entgegen und bezeichnet es als großen Fehler, „alle AfD-Wähler als rechtsextrem zu brandmarken“, - denn das führe genau dazu, dass sich jene von den etablierten Parteien weiter abwenden. Zwischenapplaus. Es klingt ein wenig nach Pärchen-Beratung und Psychotherapie, wenn er stattdessen dafür plädiert, die AfD-Unterstützer besser zu verstehen: „Man muss sich mit ihrer Gefühlswelt auseinandersetzen.“

Ach ja, da war doch noch was: Österreich. Wenn unversöhnliche Lager in einer Demokratie sich so gegenüberstehen wie bei dieser Wahl, das mache ihm Angst, gesteht Lanz ein. Es gehe jetzt darum, diese beiden Lager zu versöhnen. Das jedoch überlässt er lieber anderen. Klarheit konnte die Diskussion wenig bringen. Bei Lanz geht es schon wieder um das nächste Thema, die ncähste große Frage: Warum bekommen wir Gänsehaut, reagieren dünnhäutig und fahren immer wieder aus der Haut? Dr. Johannes Wimmer darf sein neues Buch vorstellen – richtig, über die Haut, die immerhin „unsere Visitenkarte“ sei.

Wir lernen: Erfolg kann, zumindest bei solariumgebräunten Managern, wohl auch eine Frage des Teints sein. Die Politiker hingegen blieben oftmals ganz schön blass, übrigens unabhängig von ihrer politischen Richtung…

Vielleicht sollte Lanz das nächste Mal Sophia Thomalla zu dem Thema befragen:

Foto: Screenshots/ZDF