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Markus Lanz: Wolfgang Kubicki über provokante Äußerungen in der Politik

Auch am Donnerstagabend geht es bei Markus Lanz um die Ausschreitungen in Chemnitz. (Screenshot ZDF)
Auch am Donnerstagabend geht es bei Markus Lanz um die Ausschreitungen in Chemnitz. (Screenshot ZDF)

Auch am Donnerstagabend bleiben die Ausschreitungen in Chemnitz Thema im Talk von Markus Lanz. Zu Gast ist unter anderem der Stellvertretende FPD-Chef Wolfgang Kubicki, der mit seiner provokanten Aussage über eine mögliche Mitschuld Angela Merkels an den rechtsextremen Übergriffen in Chemnitz auch innerhalb seiner Partei für Ärger gesorgt hat. Eine der Hauptfragen des Abends: Spielen solche Aussagen den rechten Kräften in die Hände und fehlt uns die richtige Sprache, um nuanciert über Probleme und Missstände zu reden?

Die offene rechte Gewalt, die man am Montag auf den Straßen Chemnitz’ sah, lässt noch immer viele Fragen offen. Wer waren diese 6.000 Menschen, die rechtes Gedankengut propagierten und sich gewaltbereit auf die Straße stellten?

Wolfang Kubicki, der mit seiner Aussage „Die Wurzeln für die Ausschreitungen liegen im ‚Wir schaffen das‘ von Kanzlerin Angela Merkel“ für Empörung gesorgt hatte, bleibt dabei: Das Erstarken der AfD hat damit zu tun, dass die Flüchtlingskrise nicht vernünftig gemanagt wurde. Diese Schuld träfe nun einmal auch die Bundesregierung.
Das müsse man sagen können, ohne innerhalb kurzer Zeit und mit nur einem Satz zum Rechtpopulisten erklärt zu werden, so Kubicki.

Damit leitet der FDP-Politiker schon die Frage des Abends, die Markus Lanz seinen Gästen immer wieder stellt: Fehlt uns die richtige Sprache, um über Probleme zu sprechen? Kubicki findet, dass gerade die Annahme, man dürfe bestimmte Dinge nicht sagen, weil sie den Rechten in die Hände spielen würden, falsch sei – denn genau diese Haltung würde dafür sorgen, rechten Kräften mehr Macht zu verleihen. „Wenn wir anfangen, nicht mehr zu kommunizieren, nicht mehr zu argumentieren, sondern zu denunzieren untereinander, dann ist diese Gesellschaft bald am Ende.“

Der Satz: ‚Wir schaffen das‘ von Kanzlerin Angela Merkel hätte, so Kubicki, den Eindruck erweckt, es würde keine Probleme geben. Und: Die 6.000 Menschen, die in Chemnitz auf der Straße standen, seien nicht alle Nazis gewesen, sondern auch Menschen, die sich abgehängt fühlen. Wenn jemand das Gefühl hätte, über Probleme nicht reden zu dürfen, ohne in die rechtsradikale Ecke gedrängt zu werden, stelle er sich irgendwann eben selbst dort hin.

Hajo Schumacher, Kolumnist der „Berliner Morgenpost“ und des „Hamburger Abendblatts“, sieht das anders: „Das sind Kriminelle und keine abgehängten Menschen.“ Natürlich könne man nicht alle in einen Topf werfen. Und es sei durchaus verständlich, dass die Menschen derzeit immer unzufriedener mit der Politik würden. Doch in Chemnitz hätte man sich aus anderen Gründen zusammengefunden. Das erkläre aber nicht, warum die AfD in Sachsen bei 25 Prozent liege, wendet Kubicki ein. „Wenn wir so weitermachen, erreichen die 30 Prozent.“

Soziologe und Rechtsextremismusforscher Dr. Matthias Quent wird etwas deutlicher:
„Das waren vielleicht nicht 6.000 Nazis, aber 6.000 Rechtsradikale. […] Nicht jeder Rechtsradikale ist eine Neonazi und will das dritte Reich zurück, aber trotzdem verbindet sie ein Ausländerhass, es verbindet sie Rassismus, es verbindet sie der Wunsch nach einem autoritären Staat.“

Rechtsextremismusforscher Dr. Matthias Quent sieht die Flüchtlingskrise nicht als Grund für die Ausschreitungen in Chemnitz. (Bild. Screenshot: ZDF)
Rechtsextremismusforscher Dr. Matthias Quent sieht die Flüchtlingskrise nicht als Grund für die Ausschreitungen in Chemnitz. (Bild. Screenshot: ZDF)

Die Flüchtlingskrise sei nicht der Grund für die Ausschreitungen gewesen, so Quent. Es mag eine Auslöserereignis gewesen sein, aber es habe in Sachsen schon 2007 Hetzjagden und ein großes rechtradikales Potential gegeben, das bereits seit zwanzig, dreißig Jahren in soziologischen Analysen immer wieder festgestellt worden sei. So hätte der Soziologe Wilhelm Heitmeyer schon vor über 20 Jahren erklärt, dass es diese 30 Prozent Wählerpotential für eine rechtpopulistische Partei gäbe.

Dass man Menschen geradezu in eine rechte Ecke dränge, hält Quent für die falsche Schlussfolgerung. Diese Menschen gab es, so der Rechtsextremismusforscher, schon immer. Nur würde derzeit vermittelt, dass bestimmte Dinge jetzt wieder sagbar sind. Die Form, in der öffentliche Diskurse derzeit geführt würden, wirken enthemmend und radikalisierend, so der Experte. Die Menschen die an den Ausschreitungen in Chemnitz teilnahmen, sähen sich nicht als abgehängt, sondern fühlten sich als Avantgarde, als kämpferische Elite, die den nationalen Aufbruch vorbereiten will.

Provokative Äußerungen demokratischer Politiker nähmen, so Quent weiter, den Rechten sicher nicht den Wind aus den Segeln. Das zeigten schließlich die Entwicklungen in Österreich, den USA oder Frankreich. „Das ist ein Selbstläufer, der uns nach rechts führt.“