Maybrit Illner: Das große Duell zwischen Sigmar Gabriel und Serdar Somuncu

In der Runde dominierten zwei Gäste beinahe die gesamte Sendezeit. (Bild: ZDF/Jule Roehr)
In der Runde dominierten zwei Gäste beinahe die gesamte Sendezeit. (Bild: ZDF/Jule Roehr)

Fake News, Jamaika, Türkei-Zoff: Das Jahr 2017 war reich an politischen und diplomatischen Tiefpunkten. In der Sendung von Maybrit Illner sollten die Gäste darüber diskutieren. Doch am Ende geriet der Talk zu einem Zwiegespräch.

Das Thema der Jahresrückblicks-Sendung fiel düster aus: „Vertrauen, Wahrheit, Sicherheit – was ging 2017 verloren?“ Zu Gast waren an diesem Abend SPD-Außenminister Sigmar Gabriel, der CSU-Ehrenvorsitzende Edmund Stoiber, US-Journalistin Melinda Crane, ZDF-Chefredakteur Peter Frey sowie der Kabarettist Serdar Somuncu. Letzterer sollte einen Großteil der Sendezeit beanspruchen.

Erst die missglückten Jamaika-Verhandlungen und jetzt das Wiederbeleben einer alten Ehe zwischen SPD und Union: Ob das nicht eine gute Zeit für Kabarettisten sei, wollte Maybrit Illner von Comedian Serdar Somuncu wissen. „Ja, eigentlich ein gefundenes Fressen“, antwortete der 49-Jährige. Die SPD sei nahtlos von einer Zwangsehe in eine offene Zweierbeziehung gewechselt.

Eine „Koalition des Misstrauens” – so nannte ZDF-Chefredakteur Peter Frey eine mögliche Neuauflage zwischen SPD, CDU und CSU. Und Journalistin Melinda Crane meinte, man müsse sich aus zwei Gründen schnell einig werden, wie es regierungstechnisch weitergehe: Einerseits warte der französische Präsident Emmanuel Macron noch auf eine Antwort, wie die europapolitische Zukunft aussehe. Andererseits gebe es bald Wahlen in der EU. Bis dahin brauche man „klare Initiativen für Europa“.

Nachdem das erste Drittel der Sendung äußert pessimistisch ausfiel, steuerte Noch-Außenminister Gabriel entgegen: „Was sind wir für ein glückliches Land! Wir haben relativ niedrige Arbeitslosigkeit, wir haben steigende Renten, steigende Löhne, Haushaltsüberschüsse.“ Einen Seitenhieb auf das Eingangsstatement von Comedian Somuncu konnte er sich dabei nicht verkneifen: „Unsere größte Sorge ist, ob die Kabarettisten genug Stoff haben für das kommende Jahr.“

Serdar Somuncu kritisierte die Koalitionsgespräche zwischen SPD und Union. (Bild: ZDF/Jule Roehr)
Serdar Somuncu kritisierte die Koalitionsgespräche zwischen SPD und Union. (Bild: ZDF/Jule Roehr)

Wenig später schoss Somuncu zurück: „Sie haben nicht nur Ihrer Partei viel zugemutet, sondern Ihre Partei hat auch Ihnen viel zugemutet. Das merkt man jetzt, wo Sie Außenminister sind und eine viel gelassenere Ausstrahlung haben.“ Gabriel konterte: „Augen auf bei der Berufswahl, würde man sagen.“ Darauf Somuncu: „Werden Sie Kabarettist, dann gehe ich in die SPD.“

Doch das zunächst amüsante Hickhack ging schnell in einen ernsten Diskurs über die Türkei-Politik der Bundesregierung über. Somuncu wollte von Gabriel wissen, wie dieser mit dem türkischen Präsidenten Erdogan kommuniziere. „Sehr offen“, beteuerte Gabriel. „Sprechen Sie Ihn auf Deniz Yücel an?“, bohrte der Kabarettist nach. Gabriel: „Immer.“ Der deutsch-türkische Journalist Yücel sitzt seit 27. Februar dieses Jahres ohne Anklage in einem türkischen Gefängnis.

Laut Gabriel gebe es kein Gespräch mit Vertretern der türkischen Regierung, bei dem dieser Name nicht falle. „Das beeindruckt die türkische Regierung aber nur in begrenztem Maße“, schob der Außenminister nach.

Sigmar Gabriel beteuerte, sich für den in der Türkei inhaftierten Journalisten Deniz Yücel einzusetzen. (Bild: ZDF/Jule Roehr)
Sigmar Gabriel beteuerte, sich für den in der Türkei inhaftierten Journalisten Deniz Yücel einzusetzen. (Bild: ZDF/Jule Roehr)

Die Sendung mutierte ab diesem Zeitpunkt zunehmend zu einem Duell zwischen Somuncu und Gabriel. Der Comedian warf dem SPD-Politiker vor, man würde mit der Türkei zu sanft umgehen. Und zwar „um sich die Flüchtlingsfrage vom Hals zu schaffen“. Gabriel attackierte darauf seinen Gesprächspartner mit scharfen Worten: „Passen Sie auf. Jetzt müssen wir gucken, ob wir noch irgendwie vernünftig miteinander umgehen.“ Und fügte hinzu: „Ich halte das für dummes Zeug, was Sie sagen.“

Man zahle der Türkei, so Gabriel, große Summen an Geld, „dass der Türkei geholfen wird, die größte Anzahl an Flüchtlingen aufzunehmen“. Einige Minuten später stellte Somuncu dann fest: „Eigentlich hatten wir ja einen Jahresrückblick vor, jetzt kleben wir schon wieder beim Flüchtlingsthema.“ Und wurde daraufhin abstrakt: „Das ist übrigens auch ein Teil des Jahresrückblicks, dass alle Diskussionssendungen immer beim Flüchtlingsthema landen.“

Am Ende wollte Maybrit Illner von Somuncu wissen, welche Bundesregierung man am Ende des nächsten Jahres haben werde. Der entgegnete selbstbewusst: „Ich bin dann der nächste Kanzler.“ Lachen im Publikum und in der Runde. Und wie sieht Sigmar Gabriel die Zukunft Deutschlands? „Wenn er Kanzler wird, dann werde ich Kabarettist.“

Letztendlich kamen die beiden Streithähne an diesem Abend doch noch zusammen: Gabriel und Somuncu reichten sich versöhnlich die Hand.