Maybrit Illner: Juso-Chef bekommt Lob von unerwarteter Seite

Eloquent verteidige Juso-Chef Kevin Kühnert (l.) in der Sendung seine Haltung. (Bild: ZDF/Harry Schnitger)
Eloquent verteidige Juso-Chef Kevin Kühnert (l.) in der Sendung seine Haltung. (Bild: ZDF/Harry Schnitger)

Am Sonntag entscheiden 600 Delegierte auf dem SPD-Parteitag in Bonn über eine Neuauflage der großen Koalition. Schärfster Kritiker dieses Bündnisses ist der Berliner Jungpolitiker Kevin Kühnert. Ein Politologe sieht ihn derweil schon als „Boris Johnson der deutschen Politik“.

Erst vor Kurzem hat die Öffentlichkeit von ihm Notiz genommen: Kevin Kühnert, Bundesvorsitzender der Jungsozialisten, hat es mit seiner GroKo-Kritik innerhalb weniger Wochen ins Rampenlicht geschafft. Dass Kühnert erst seit kurzer Zeit ganz oben mitspielt, merkte man am Donnerstagabend auch im Talk-Fernsehen: Moderatorin Maybrit Illner nannte den 28-Jährigen gleich zweimal Kevin „Kleinert“.

Das Thema der Sendung lautete: „Machtkampf um die GroKo – Schulz und Merkel zittern“. Zu Gast waren neben Kühnert die stellvertretende CDU-Bundesvorsitzende Julia Klöckner, der niedersächsische Ministerpräsident Stephan Weil, „Handelsblatt“-Herausgeber Gabor Steingart sowie der Publizist und Politologe Albrecht von Lucke.

Kevin Kühnert (l.) und Stephan Weil wollen ihre Partei in eine unterschiedliche Zukunft führen. (Bild: ZDF/Harry Schnitger)
Kevin Kühnert (l.) und Stephan Weil wollen ihre Partei in eine unterschiedliche Zukunft führen. (Bild: ZDF/Harry Schnitger)

„Handelsblatt“-Herausgeber Gabor Steingart zeigte sich begeistert von Kühnert: „Albert Camus sagte, Revolte beginnt damit, dass einer aufsteht und Nein sagt. Dieser junge Mann hat mal Nein gesagt!“ Der Journalist sieht das Land in einer Erstarrung und findet den „Zwergenaufstand“, wie CSU-Mann Alexander Dobrindt die Juso-Opposition nannte, offenbar erfrischend: „Da hat der Juso-Vorsitzende einen Punkt gesetzt, hat eine Debatte in Gang gesetzt.“

Für seine Lobesrede auf Kühnert erhielt Steingart nach rund 17 Minuten Sendezeit den ersten Publikumsapplaus des Abends.

Wenige Minuten später griff Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil diesen Moment noch einmal auf. Der SPD-Politiker attackierte den Herausgeber: „Ihr Lob für die Jusos ist ja im Zweifel eine vergiftete Praline, denn im Zweifel wünschen Sie sich eine ganz andere Gesellschaft als die Jusos.“ Steingarts Ansichten gelten als neoliberal – das Gegenstück zur Sozialdemokratie.

Julia Klöckner (l.) und Albrecht von Lucke (r.) hören Gabor Steingart zu. (Bild: ZDF/Harry Schnitger)
Julia Klöckner (l.) und Albrecht von Lucke (r.) hören Gabor Steingart zu. (Bild: ZDF/Harry Schnitger)

Eine Art Lob bekommt Kühnert dann auch noch von Albrecht von Lucke. Der Politologe mutmaßt über die wirklichen Beweggründe des Juso-Chefs und ob dieser auf dem SPD-Parteitag am Sonntag wirklich ein Nein zur GroKo provozieren will. Zu seinen Mitdiskutanten sagt Lucke: „Wir halten ihn für sehr klug, aber er ist noch klüger. Er hofft sehr, dass diese Abstimmung am Sonntag gegen ihn ausgeht. Weil er sonst nichts wäre, als der Boris Johnson der deutschen Politik.”

Johnson war Antreiber und Befürworter des Brexit. Als das EU-Austrittsgesuch schließlich in der Tat eine Mehrheit beim Volke bekam, wurde Johnson in der Öffentlichkeit in kurzer Zeit zu einer unbeliebten Figur. Lucke wendet sich schließlich mit einer fast schon beängstigenden Strenge direkt an Kühnert: „Nichts anderes wärst du! Nichts anderes.

Als Kühnert diesen Angriff mit einem Lächeln wegzustecken versuchte, entgegnete Lucke: „Du kannst schmunzeln.“ Dann führte Lucke Kühnert nochmals vor Augen, was beim Parteitag auf dem Spiel steht: „Wenn ihr es am Sonntag zum Schwur bringt, diese Partei Nein sagt, ist nicht nur Martin Schulz erledigt, es ist auch die ganze Führungsspitze erledigt. Und wer gestärkt ist, das muss man sich bewusst machen, ist die Union.“

Und was sagt eigentlich der Mann der Stunde selbst? Kevin Kühnert sieht in einem Nein auf dem Parteitag vor allem eine Chance: „Wir können deutlich machen, dass wir uns nicht auf ein Spiel einlassen, bei dem die Konturen zwischen uns und der Union immer weniger werden.“ Gegen Ende der Sendung zog Kühnert dann sein Fazit: „Es geht mir in erster Linie nicht um unsere Partei, es geht mir darum, dass ich das auch schädlich für eine politische Kultur in Deutschland halte.“