Maybrit Illner: Teurer Strom, billige Ausreden
„Teurer Strom, billige Ausreden – scheitert die Energiewende?” Es ist kaum zu glauben, doch tatsächlich: Es gibt Themen fernab von Horst Seehofer und Hans-Georg Maaßen. Es gibt Schauplätze, auf die es sich zu blicken lohnt, jenseits von Chemnitz und Köthen und Berlin. Es war ein guter Schritt von Maybrit Illner und ihrer Redaktion, sich dagegen zu entscheiden, einmal mehr dem weißen Mann aus Bayern allzu viel Sendezeit einzuräumen. Stattdessen geht der Blick nach Nordrhein-Westfalen zu einem derzeit nicht minder aufgeladenen Thema. Der Hambacher Forst ist, das lässt sich mittlerweile sagen, zum Symbol der Klimapolitik und Doppelmoral geworden. Und das nicht erst, seit ein Journalist tödlich verunglückt ist.
Der Energiekonzern RWE möchte den Rest des uralten Waldes für den Braunkohletagebau roden lassen. Im Hambacher Forst wird damit der Wahnsinn der deutschen Energiepolitik deutlich. Für die Klimaschutzziele der Regierung ist der Abbau der heimischen Braunkohle eine Katastrophe, für Tausende Beschäftigte in strukturschwachen Regionen die einzige Hoffnung, so umriss Illner das Thema ihrer Runde.
Diese Gäste diskutierten:
Rolf Martin Schmitz, Vorstandsvorsitzender der RWE AG
Peter Altmaier, (CDU), Bundesminister für Wirtschaft und Energie
Christine Herntier, Bürgermeisterin von Spremberg in der Lausitz
Klaus Müller, Vorstand Verbraucherzentrale Bundesvorstand
Anton Hofreiter (Grüne), Vorsitzender der Bundestagsfraktion
Antje Grothus, vertritt Bürger aus der Tagebau-Region Hambach in der Kohlekommission
Die dunkle Seite der Macht
Auf der stand gestern vermutlich für die meisten Zuschauer Rolf Martin Schmitz, Vorstandsvorsitzender von RWE. Stolz ließ er einfließen, das Unternehmen habe immerhin elf Millionen Bäume im Rahmen einer Renaturierung gepflanzt, „ein Vielfaches mehr, als da jetzt gerodet wird.“ Die Annahme, dass der Forst selbst gerettet werden kann, ” das ist Illusion“, sagte Rolf Martin Schmitz.
Nicht alle in der Runde teilten seine Ansicht. Antje Grothus, die in der Kohlekommission Interessen von Bürgern vertritt, verdeutlichte einmal mehr: Baum ist nicht gleich Baum. „Wir haben dort 150 Jahre alte Bäume. Davon gibt es dort noch 43.000. Dieser Wald ist durch keine Rekultivierung der Welt zu ersetzen.”
Der Spartrick des Abends
Klaus Müller, Vorstand des Verbraucherzentrale Bundesverbands, ließ die geneigten Zuschauer im Lauf der Diskussion wissen: „Viele Menschen haben zuhause ihren Kühlschrank stehen, wo sie die Abendgetränke für die Talkshow rausgeholt haben. Es lohnt sich aber nicht nur zu gucken, was drin ist, sondern auch, von wann er ist. Ein neuer Kühlschrank kann enorme Strommengen einsparen.“ Für viele Zuschauer vermutlich die Legitimation, ein neues Bierchen herauszuholen.
Fernab von solch erhellenden Momenten hatte Müller dann doch auch Aussagen beizutragen, die die Diskussion eher voranbrachten: „Eine der Schieflagen in der deutschen Energiewende ist, dass sie eine soziale Schieflage hat. Es gibt große Ausnahmen für die Industrie – und wer bezahlt die Zeche? Wir Verbraucher.“
Der „Schlagabtausch“ des Abends
War eher schwach. Anton Hofreiter, im Bundestag oft für emotionale Ansprachen bekannt, bei denen er sich in Rage redet, blieb für seine Verhältnisse erstaunlich verhalten. Mit Blick auf die Energiepolitik fragte Hofreiter Peter Altmaier nur: „Wer hat eigentlich die letzten Jahre dieses Land regiert? Macht es doch einfach mal!”
Das Bekenntnis des Abends
Altmaier selbst gab zu, dass wichtige Themen verschlafen wurden – nicht nur in puncto Energiewende. „Wir haben uns den Luxus geleistet, dass sich die Politik darum jahrelang nicht gekümmert hat“, sagte er etwa zum Netzausbau.
Laut dem Bundeswirtschaftsminister fehlen von den geplanten 7.700 Kilometer Leitungen für den Strom aus erneuerbaren Energien noch 6.600.
Die Erkenntnis des Abends
Immerhin eines wird nun auch dem letzten klar: Geld regiert die Welt. Was würde denn passieren, wenn RWE den Hambacher Wald stehen ließe, fragte Illner. „Das würde RWE vier bis fünf Milliarden Euro kosten.“
Die noch wichtigere Erkenntnis des Abends:
Kam vom Grünen Anton Hofreiter: „Wir müssen möglichst schnell aus der Kohle aussteigen. Nicht, um das Klima zu retten. Das Klima kommt auch mit Hitze klar. Sondern, um uns selbst zu retten.”