Mediatorin gibt Tipps - Das „Warum“ hilft nicht! Im Streit sollten Sie sich eine andere W-Frage stellen

Es ist wichtig, bei einem Streit frühzeitig mit aktivem Konfliktmanagement zu beginnen und nicht abzuwarten, bis ein Flächenbrand entstanden ist.<span class="copyright">Getty Images/Tetra images RF/Jamie Grill</span>
Es ist wichtig, bei einem Streit frühzeitig mit aktivem Konfliktmanagement zu beginnen und nicht abzuwarten, bis ein Flächenbrand entstanden ist.Getty Images/Tetra images RF/Jamie Grill

Wer streitet, braucht Lösungen und sollte gut vorbereitet sein. Wirtschaftsmediatorin Stephanie Huber sagt, richtig streiten und gewinnen gelingt mit dem richtigen Rezept und der richtigen Frage.

Wie oft wird gestritten, oftmals sogar mit unfairen Mitteln, nur um das eigene Ziel zu erreichen? Wie oft wird dabei der Gegenüber beschuldigt, er oder sie hätten etwas falsch gemacht und den Konflikt damit ausgelöst? Und dann gibt es noch die Fälle, in denen man gar nicht so genau sagen kann, warum eigentlich gestritten wird. Wie oft kommt man dabei an die eignen Grenzen und wünscht sich ein Patentrezept?

Streit hat eine ganz eigene Energie. Hoch aufgeladen und manchmal sogar explosiv. Oftmals scheint die Luft im wahrsten Sinne des Wortes zu brennen, doch man kann nicht einfach die Feuerwehr rufen und alles wird gelöscht. Ein Streit und ein Feuerwehreinsatz haben jedoch eines gemeinsam: Sie hinterlassen verbrannte Erde, wenn der Brand nicht früh genug gelöscht wird.

Auch deshalb ist es wichtig, frühzeitig mit aktivem Konfliktmanagement zu beginnen und nicht abzuwarten, bis ein Flächenbrand entstanden ist.

Wer einen Streit lösen möchte, startet am besten sein aktives Konfliktmanagement mit einer zielgerichteten Frage

Was konkret müsste die Pille können, die Ihnen hilft, den Streit nachhaltig zu klären?

Ihre Antwort könnte lauten:

  • Sie sollte mir die Macht verleihen zu gewinnen.

  • Sie sollte dafür sorgen, dass ich Recht bekomme.

  • Sie müssten mich beruhigen.

  • Ich möchte klarer sehen.

  • Ich möchte souveräner agieren können und nicht nur auf das reagieren, was mein Gegenüber tut oder sagt.

  • Sie müsst mir die Macht verleihen, die Verletzungen nicht mehr zu fühlen.

Wenn Sie diese Liste für sich selbst vervollständigen, dann werden Sie rausfinden, worum es bei Ihrem Streit wirklich geht.

Aktives Konfliktmanagement heißt nicht, die bittere Pille zu schlucken und auch nicht, sich wechselseitig Gemeinheiten um die Ohren zu hauen und dies vielleicht noch lautstark aus vollem Halse. Ganz im Gegenteil, aktives Konfliktmanagement heißt, sich im Rahmen der Selbstfürsorge zuerst mit den eigenen Gefühlen und Bedürfnissen zu beschäftigen und sich dann erst um das Streitthema und den Gegenüber zu kümmern.

Übrigens, den Gegenüber brauchen Sie nicht, um einen Streit zu lösen. Glauben Sie noch nicht? Dann lesen Sie unbedingt weiter, welches Rezept aus W-Fragen Sie bei der Klärung unterstützen kann.

Warum die Warum-Frage nicht wichtig ist

Die „Warum-Frage“ führt alleine nicht zur Lösung, sie sorgt jedoch dafür, dass der Konflikt nicht endet. Die Warum-Frage klärt den Grund, die Ursache, die Schuld und das Problem. Oftmals erlebe ich als Mediatorin, dass die Streitenden an diesem Punkt nicht weiter kommen. Sie erörtern ewig, wer Schuld hat, was der Grund war für etwas. Dabei bezieht sich diese Frage nach dem Warum auf die Vergangenheit. Die Vergangenheit ist vorbei. Sie kann nicht mehr geändert werden. Verändert werden kann nur das Hier und Jetzt und das ändert sukzessive die Zukunft.

Mit der Warum-Frage wird versucht, dem Gegenüber die Schuld und die Verantwortung in die Schuhe zu schieben und ihm vielleicht ein schlechtes Gewissen zu machen. Manchmal funktioniert es auch. Doch mit dieser Methode wird der Konflikt nicht dauerhaft geklärt werden, sondern man wird in aller Regel zu einem späteren Zeitpunkt wieder darüber stolpern. Es ist so, als ob man mit offenen Schuhbändern herumläuft. Lange Zeit geht es gut, doch es reicht ein falscher Schritt und man stolpert. Besser, man betrachtet bei einem Streit alle Zeiten, die Vergangenheit, die Zukunft und die Gegenwart.

Wozu wird gestritten

Blicken Sie bei einem Streit in die Zukunft, ergibt sich die Frage, wozu gestritten wird. Was ist der Sinn des Streits, das Ziel, der Zweck und was könnte eine mögliche Lösung oder gar das höhere Wohl des Streites sein? Blicke in die Zukunft sind zwar erst einmal nur Fiktion, doch sollte klar sein, das man das Ziel ansteuert, welches man anvisiert.

Beim Autofahren wissen wir auch, dass wir dorthin steuern, worauf wir unsere Aufmerksamkeit lenken. Deshalb ist es besser den Weg, den wir fahren wollen, im Fokus zu haben, als angestrengt auf das Hindernis zu blicken.

Wenn Sie Nachts von Hamburg nach Rom zu fahren, sehen Sie nicht die ganze Strecke vor sich, sondern immer nur den kleinen Bereich, den die Lichtkegel des Fahrzeuges auf der Straße vor Ihnen beleuchtet. Die ganze Fahrt über sollten Sie aufmerksam sein und es auch bleiben, um auf die Vorkommnisse zu reagieren, die Ihren Weg kreuzen. So werden Sie auch im Dunkeln ans Ziel kommen, wenn Sie es nicht aus den Augen verlieren.

So ähnlich ist es bei einem Konflikt, es ist dunkel und man sieht nur den Ausschnitt, der sich gerade vor einem zeigt. Man lenkt und steuert, gibt Gas und reagiert auf die Vorkommnisse. Doch meist ohne zu wissen, wohin die Reise / der Prozess führen soll. Wenn man kein Ziel hat, wird sinnlose Energie verfahren. Das ist wie mit einer manövrierunfähigen Jolle auf dem großen stürmischen Meer zu schippern, man wird hin und her geschleudert und ist abhängig und machtlos.

Deshalb sind Ziele bei Konflikten sehr, sehr wichtig, denn sie zeigen die Richtung. Und so manch einer hat sich schon gefragt, was soll der Streit eigentlich, wo mein eigentliches Ziel doch ist, mit den Kollegen gut auszukommen und in der Firma alt zu werden.

Ich erinnere mich noch gut an einen Fall aus meiner Praxis als Mediatorin: Die Antwort, warum die Medianten miteinander stritten, beantworten Sie ganz simpel mit dem Satz: Weil ich Recht habe! Die Krux war nur, Beide dachten im Recht zu sein und forderten dies auch ein und setzten somit die andere Streitpartei ins Unrecht.

Dann stellte ich die Frage, wozu sie stritten und ich frage nach dem jeweiligen Ziel. Bei der Antwort waren die Beiden sich wieder vollkommen einig, sie lautete: Um Recht zu bekommen.

Die Frage: Wollen Sie Recht bekommen oder den Konflikt klären, beantworten sie wiederum, sie wollten Recht bekommen.

Dann fragte ich die Beiden: Worum geht es wirklich? Da zeigte sich die Lösung, denn es ging nicht um Recht oder Unrecht, sondern darum, dass sich zwei bockige Jungs gegenüber standen und jeder glaubte, er müsse der Stärkere sein.

Worum geht es wirklich?

Wenn es nicht um das Warum und auch nicht um das Wozu geht, worum geht es dann?

Die Antwort ist simpel: Es geht darum den Kernkonflikt heraus zu destillieren, anders ausgedrückt, das Problem hinter dem Problem zu finden. Dies gelingt, wenn man sich der Frage zuwendet: „Worum geht es wirklich?“ Mit dieser Frage kann man ALLE Konflikte klären, vorausgesetzt die Streitenden wollen den Frieden.

Worum geht es also wirklich bei dem Streit ? Es geht um das, was sich hinter dem Vorfall verbirgt. Es geht um die Gefühle der Streitenden. Um die gegenseitigen Verletzungen und Kränkungen und dies hat nichts mit der Vergangenheit oder Zukunft zu tun, sondern mit der Gegenwart. Mit dem gegenwärtigen Moment. Mit dem, was gefühlt wird.

Es geht bei einem Streit per sé um den Menschen und seine Gefühle und nicht um die Sache oder den Vorfall um die gestritten wird. Diese sind beliebig austauschbar. Deshalb ist es unerlässlich hinter den Konflikt zu blicken. Dort ist die Stellschraube die zur Lösung leitet.

Es soll schon vorgekommen sein, dass so mancher Geselle lieber den Streit behalten wollte, anstatt Frieden zu erwirken. Das ist sogar gar nicht ungewöhnlich, jedoch nicht wirklich schlau. In diesen Fällen kann davon ausgegangen werden, dass diejenigen so heftige Kränkungen und Verletzungen erfahren haben, dass Sie sich nicht vorstellen können, mit der anderen Streitpartei wieder ein friedliches Miteinander zu pflegen.

Da hilft es in aller Regel: Vertrauen zu schaffen durch Verständnis. Oder zumindest durch das Bemühen, verstehen zu wollen, worum es dem Gegenüber geht. Das heißt den Gegenüber dort abholen, wo er steht. Diesen Part übernimmt im besten Falle ein vermittelnder und neutraler Dritter, wie ein Mediator. Mediatoren sind darauf spezialisiert, den Kernkonflikt heraus zu destillieren und die Brücke zu bauen, auf der sich die Streitparteien begegnen können, ohne dabei ihr Gesicht zu verlieren. Denn der Gesichtsverlust ist auch oftmals ein Problem, welches gelöst werden muss, damit Frieden gelingt.

Es wird „nur“ wegen den Gefühlen der Streitenden gestritten

Kernkonflikte sind immer die Gefühle der Streitenden. Deshalb macht es Sinn, sich um die eigenen Gefühle zu kümmern.

Recht haben zu wollen, wie in unserem Fallbeispiel, ist übrigens kein Streitgrund, sondern es geht viel mehr um das, was sich dahinter verbirgt, nämlich die Gefühle der Streitenden.

Wer glaubt, der Streit hätte was mit dem Gegenüber zu tun, der liegt definitiv falsch. Das Gegenüber kann die schlechten Gefühle, die man bei einem Streit fühlt, nur auslösen. Die eigenen Gefühle gehören jedem, der sie fühlt selbst. Es bringt nichts, die Gefühle, die man nicht fühlen mag auf den Gegenüber zu projizieren, indem man ihm die Schuld dafür gibt.

Harter Tobak könnten Sie jetzt denken. Das mag stimmen, doch es ist nur ihr Urteil und Ihre eigene Bewertung, die für Ihre Gefühle sorgen. Hätten Sie die Situation, die zum Streit geführt hat anders bewertet, dann hätte es den Streit vielleicht nie gegeben oder er wäre anders verlaufen. Würden wir ALLE lernen Verantwortung für die eigenen Gefühle zu übernehmen, dann wäre die Welt ein großes Stück friedlicher.

Gehen wir noch einmal zu dem Fallbeispiel aus meiner Praxis zurück: Als die beiden Kontrahenten erkannten, dass sie sich „nur“ wegen den eigenen Gefühlen, die sie selbst nicht fühlen wollten, weil sie gar so unangenehm waren, stritten, konnten sie aufhören. Einfach so, doch das gelang nur, weil sie aufhörten Ihre eigenen Gefühle nicht mehr auf den Gegenüber projizierten, sondern selbst die Verantwortung dafür zu übernehmen.

Erinnern Sie sich noch daran, wann Ihr letzter Streit einen Sinn gemacht hat?

Das ist übrigens ein Prozess, den wir wieder lernen dürfen. Stück für Stück und Streit für Streit. Dann hatte der zurückliegende Streit einen Sinn und war nicht sinnlos verpulverte Energie.

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen und mir eine friedliche und souveräne Zeit. Sie brauchen keine Pille, denn die Frage nach der Pille reicht. Sie brauchen auch kein Rezept, denn Sie haben schon alles, was Sie brauchen, nämlich Ihre Gefühle. Und wenn Sie Unterstützung brauchen, dann lassen Sie sich helfen. Auch das ist Selbstfürsorge, und die wünsche ich Ihnen.