Mediensucht-Spezialist Buschmann - Jedes dritte Kind im Netz von Angst getrieben – was Eltern tun sollten
Jedes dritte Kind hat schon Inhalte online gesehen, die ihm Angst gemacht haben, wie eine kürzlich veröffentlichte Untersuchung zeigt. Mediensucht-Profi Florian Buschmann kennt diese Entwicklung und warnt vor den fatalen Folgen.
Wie hat sich die Nutzung digitaler Medien durch Kinder und Jugendliche in den letzten Jahren entwickelt und was sind die wichtigsten Erkenntnisse aus der kürzlich veröffentlichten Bitkom-Studie?
Die Bitkom-Studie hat einige wichtige Erkenntnisse hervorgebracht. Sie zeigt auf, dass digitale Medien fest in unseren Alltag integriert sind, auch bei den Jüngsten unserer Gesellschaft. 39 Prozent der Kinder ab 10 Jahren, die das Internet nutzen, haben bereits Hasskommentare über andere gelesen. Darüber hinaus hat ein Drittel der Kinder (33 Prozent) online Inhalte gesehen, die ihnen Angst bereitet haben, wie zum Beispiel gewalttätige Darstellungen.
Dies verdeutlicht das Risikopotential, das digitale Medien für Kinder darstellen können, insbesondere wenn sie nicht adäquat aufgeklärt und geschützt werden. Zusätzlich zeigt die Studie, dass der Zugang zu digitalen Geräten immer früher erfolgt und dass die Nutzung sozialer Netzwerke wie YouTube, Instagram und Snapchat stark zunimmt.
Welche Erfahrungen machen Sie bei Ihren Präventionsveranstaltungen ab der 1. Klasse?
Es ist erschreckend zu sehen, dass Kinder in diesem jungen Alter bereits Spiele wie GTA oder Fortnite spielen und Medienplattformen wie TikTok und Snapchat nutzen. Bei unseren Gruppenbefragungen geben mindestens fünf bis sechs Kinder pro Schulklasse der 2. Klasse an, einen eigenen Fernseher im Zimmer zu haben. Das ist aus wissenschaftlicher Sicht bedenklich. Häufig sind die Bildschirme so groß, dass die ausgestreckten Arme der Kinder nicht ausreichen, um sie zu demonstrieren.
Schutzfaktoren gegen Medienabhängigkeit bei Grundschulkindern sind moralische Wertorientierung und elterliche Überwachung ( Jiyon ). In den Klassen bilden sich oft zwei Lager: das eine ist stark digital orientiert, während das andere eher analog bleibt. Dies zeigt deutlich, wie unterschiedlich die Medienerziehung in den Familien gehandhabt wird.
Wie wirkt sich eine frühe und intensive Nutzung von Smartphones und Tablets auf die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen?
Die intensive Nutzung hat erhebliche Auswirkungen auf die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen. Besonders im Kindesalter können die Folgen einer unregulierten Mediennutzung gravierend sein, dazu gehören
Schlafmangel
Schlafstörungen
Adipositas
Bewegungsmangel
Aber auch übermäßige Aktivität kann eine Folge sein. Im Zentrum der Betrachtung steht dabei die Entwicklung des Gehirns. Kinder sind in jungen Jahren besonders anfällig für Süchte, da ihr Gehirn noch nicht vollständig entwickelt ist.
Hinzu kommt, dass ihnen die sogenannten Exekutivfunktionen fehlen - Funktionen der Planungskompetenz, der Selbstreflexion und der Prioritätensetzung. Diese sind in diesem Alter noch nicht ausgebildet. Daher sind Kinder nicht in der Lage, Medien selbstständig und adäquat ohne Begleitung zu nutzen.
Ein unregulierter Zugang zu Medien kann diese Fähigkeiten wesentlich erschweren. Die Art und Weise, wie wir Medien nutzen, beeinflusst unsere Konzentrationsfähigkeit und langfristige Motivation, Dinge zu erreichen. Diese Fähigkeiten sind entscheidend für gute Lernergebnisse und somit leidet auch die schulische Leistung unter übermäßiger Mediennutzung.
Welche Rolle spielen soziale Netzwerke wie YouTube, Instagram und Snapchat in der Smartphone-Nutzung von Kindern und Jugendlichen und welche Risiken sind damit verbunden?
Soziale Netzwerke spielen eine zentrale Rolle in der Smartphone-Nutzung von Kindern und Jugendlichen. Sie bieten Plattformen, auf denen viele Inhalte gezeigt werden, die möglicherweise nicht für Kinder geeignet sind. Beispielsweise können Gewaltdarstellungen auf diesen Plattformen für Kinder schwer zu verarbeiten sein, da sie oft nicht über ausreichende Bewertungsgrundlagen verfügen.
In unseren Schulveranstaltungen erzählen Kinder oft emotionslos von Folterszenen aus Spielen wie GTA, als ob dies das Normalste der Welt wäre. Die Inhalte, die Kinder auf diesen Plattformen sehen, prägen ihre Wahrnehmung nachhaltig.
Darüber hinaus kann der Wunsch von Kindern und Jugendlichen, sich selbst zu definieren und auf sozialen Plattformen zu zeigen, verstärkt werden. Diese Inhalte sind in der Regel öffentlich zugänglich und können Zielscheibe für die Anbahnung von sexuellem Missbrauch oder anderen Straftaten sein.
Wenn Kinder sich über Likes definieren, verlernen sie die Fähigkeit, sich selbst zu bestätigen. Der unregulierte Zugang zu Kurzvideo-Plattformen kann dazu führen, dass diese Inhalte die Charakterentwicklung von Kindern und Jugendlichen negativ beeinflussen. Daher ist es wichtig, den Zugang von Kindern zu solchen Inhalten sorgfältig zu überwachen und zu regulieren.
Wie sollten Eltern mit der Smartphone- und Tablet-Nutzung ihrer Kinder umgehen? Welche Regeln sind sinnvoll und wie können sie durchgesetzt werden?
In erster Linie geht es darum, ab welchem Alter ein solches Gerät sinnvoll ist - offizielle Empfehlungen hierzu liegen bei Beginn der weiterführenden Schule oder dem 12. Lebensjahr. In der Realität besitzen jedoch bereits die Hälfte der Kinder in der dritten Klasse ein Handy. Die Nutzung dieser Geräte sollte nicht nur zeitlich begrenzt, sondern auch inhaltlich gesteuert werden.
Hierbei spielen die Eltern eine entscheidende Rolle: Sie müssen ihre Kinder über die Gefahren und Risiken aufklären, die mit der Nutzung von digitalen Medien einhergehen. Cybermobbing und Cyber-Grooming sind nur zwei Beispiele für solche Gefahren. Das Bewusstsein für Grenzen im Internet und das Erkennen von grenzüberschreitendem Verhalten muss von der erwachsenen Generation weitergegeben werden.
Durch eine solche Aufklärung legen Eltern den Grundstein für eine verantwortungsvolle Mediennutzung ihrer Kinder und tragen dazu bei, dass diese sich sicher in der digitalen Welt bewegen können. Es ist also nicht nur wichtig, Regeln für die Nutzung von Smartphones und Tablets aufzustellen, sondern auch sicherzustellen, dass Kinder verstehen, warum diese Regeln existieren und welche Konsequenzen ihre Einhaltung oder Missachtung haben kann. Ein gutes Vorbild seitens der Eltern und regelmäßige Gespräche über die Mediennutzung sind dabei unverzichtbar.