Mediziner-Bericht zeigt - Wie eine einzige Klima-Maßnahme gleich 100.000 Leben gerettet hat

Das australische Lidell-Kraftwerk ist eines von vielen Kohlekraftwerken, die in den letzten Jahren geschlossen wurden<span class="copyright">Roni Bintang/Getty Images</span>
Das australische Lidell-Kraftwerk ist eines von vielen Kohlekraftwerken, die in den letzten Jahren geschlossen wurdenRoni Bintang/Getty Images

Hitze macht das Arbeiten draußen unmöglich. Tödliche Erreger erobern neue Gebiete. Solche Klimawandel-Folgen für die Gesundheit nehmen zu, warnt ein Bericht renommierter Mediziner. Doch er zeigt auch, wie entschlossenes Handeln tausende Leben gerettet hat.

Der Klimawandel beeinträchtigt weltweit immer stärker die menschliche Gesundheit. Die Zahl aufgrund hoher Temperaturen verlorener Schlafstunden zum Beispiel stieg vom Zeitraum 1986 bis 2005 bis zum Zeitraum 2019 bis 2023 um fünf Prozent, wie ein Forschungsteam im Fachmagazin „The Lancet“ berichtet. Schlafmangel kann kurzfristig zu Konzentrations- und Gedächtnisproblemen führen, chronischer Schlafmangel das Risiko unter anderem für Diabetes, Übergewicht und Herz-Kreislauf-Erkrankungen erhöhen.

Dürren und Hitzewellen haben dem Report zufolge dazu geführt, dass im Mittel 2022 in 124 untersuchten Ländern 151 Millionen Menschen mehr von mäßiger oder schwerer Ernährungsunsicherheit betroffen waren als im Zeitraum von 1981 bis 2010.

Fast die Hälfte der globalen Landfläche (48 Prozent) erlebte im vergangenen Jahr mindestens einen Monat extremer Dürre. Das sind - betrachtet seit etwa 1950 - lediglich zwei Prozent weniger als beim bisherigen Rekordwert von 2020. Vermehrt auftretende extreme Regenfälle und Wirbelstürme führten zu Überschwemmungen, Infektionskrankheiten und Wasserverschmutzung, heißt es zudem im „Lancet Countdown on Health and Climate Change“.

Weniger Kohle, mehr Gesundheit

Der Bericht zeigt jedoch auch, wie schnell sich die Gesundheit von Menschen verbessern lässt, wenn entschlossene Klima-Maßnahmen ergriffen werden. Die Todesfälle durch Luftverschmutzung sinken etwa seit Jahren weltweit, stellen die Autorinnen und Autoren des „Lancet Countdown“ fest. Demnach fiel zwischen 2016 und 2021 die Zahl der Toten durch Luftverschmutzung um 7 Prozent, von 2,25 Millionen Menschen auf jetzt 2,09 Millionen Menschen.

Die Autorinnen und Autoren führen den Rückgang vor allem auf die Schließung von Kohlekraftwerken im Zuge der Energiewende zurück - alleine dadurch konnten also mehr als 150.000 Menschenleben gerettet werden. „Der Ausbau erneuerbarer Energieträger senkt nicht nur die Treibhausgas-Emissionen, er reduziert auch die Luftverschmutzung und verbessert damit die Gesundheit“, sagt Prof. Dr. Hermann Lotze-Campen, Agrarökonom und Leiter der Forschungsabteilung „Klimaresilienz“ am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung. „Solar-Panele erzeugen nicht nur grünen Strom, sie können auch Schatten spenden und vor Hitze schützen, vor allem in den Städten.“

„Kein Mensch ist immun“

Ansonsten fällt das Fazit des Gesundheitsreports eher düster aus. Eine weitere durch den Klimawandel begünstigte Gefahr sei etwa die Übertragung potenziell tödlicher Infektionskrankheiten wie Denguefieber, Malaria, West-Nil-Fieber und Vibrionen-Infektionen. Durch höhere Temperaturen in gemäßigten Breiten seien immer mehr Menschen in zuvor nicht betroffenen Gebieten dem Risiko einer Übertragung ausgesetzt.

Das aus mehr als 120 Expertinnen und Experten bestehende Team um Marina Romanello vom Institute for Global Health des University College London hat für den Report im Vorfeld der 29. Weltklimakonferenz (COP29) im November in Baku (Aserbaidschan) zahlreiche Studienergebnisse und Klimadaten zusammengetragen.

„Der diesjährige Report deckt nicht nur die Unzulänglichkeit der bisherigen Anpassungsbemühungen auf, sondern zeigt auch eine Welt, die von dem Ziel, den Temperaturanstieg auf 1,5 Grad zu begrenzen, abweicht“, schreibt die Gruppe. „Kein Mensch und keine Volkswirtschaft auf diesem Planeten ist immun gegen die gesundheitlichen Gefahren des Klimawandels“, warnte Romanello.

Folgen für die Wirtschaft

Berechnungen von Forschenden zufolge konnten 2023 wegen zu großer Hitze 512 Milliarden Arbeitsstunden nicht geleistet werden, was für viele Arbeitnehmer auch einen Verdienstausfall bedeutete. Das traf insbesondere Menschen in armen Ländern: Dort machten die nicht geleisteten Arbeitsstunden 7,6 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) aus - in reichen Ländern waren es nur 0,5 Prozent.

Die durchschnittlichen jährlichen wirtschaftlichen Verluste durch wetterbedingte Extremereignisse stiegen dem Bericht zufolge von 2014 bis 2023 um fast ein Viertel (23 Prozent) auf 227 Milliarden US-Dollar.

Immer mehr Probleme auch in Deutschland

Der Bericht enthält auch Daten zur Situation in Deutschland. Die jährliche Anzahl der Stunden, in denen die Umgebungstemperatur ein mittleres oder höheres Risiko für Hitzestress bei leichter körperlicher Betätigung im Freien darstellte, lag demnach im Zeitraum von 2014 bis 2023 fast doppelt so hoch wie im Zeitraum von 1990 bis 1999.

Im vergangenen Jahrzehnt war die Bevölkerung durchschnittlich acht Hitzetagen pro Jahr ausgesetzt, wobei der Osten Deutschlands tendenziell stärker betroffen war, wie es weiter heißt. Betont wird zudem der Beitrag bestimmter Ernährungsweisen und der Nutzung fossiler Brennstoffe zu Treibhausgasemissionen sowie Krankheiten und Todesfällen.

Den Schaden mit Billionen fördern

Die Autoren und Autorinnen des Berichts kritisieren, dass durch anhaltende Investitionen in fossile Brennstoffe, den weiter hohen Ausstoß an Treibhausgasen und Verzögerungen bei der Anpassung an den Klimawandel die Risiken für die Menschen weltweit weiter steigen.

Noch immer gäben Regierungen und Unternehmen Billionen Dollar für Subventionen und Investitionen in fossile Brennstoffe aus, die den Klimawandel verschlimmerten. Dieses Geld müsse in erneuerbare Energien sowie Aktivitäten umgeleitet werden, die der Gesundheit, dem Lebensunterhalt und dem Wohlbefinden der Menschen zugutekommen.

Derzeit seien die Möglichkeiten für Klimaschutzmaßnahmen durch den Mangel an Finanzmitteln oft stark eingeschränkt, während 2023 immer noch fast 37 Prozent der weltweiten Energieinvestitionen in fossile Brennstoffe geflossen seien. In vielen Ländern überstiegen die Subventionen die nationalen Gesundheitsausgaben bei weitem.

„Es geht nicht nur darum, auf Notfälle zu reagieren, sondern präventiv Maßnahmen zu ergreifen, die die Bevölkerung vor den vorhersehbaren Folgen des Klimawandels schützen“, sagt Annette Peters, Direktorin des Instituts für Epidemiologie am Helmholtz-Institut München. „Es geht um Menschenleben.“

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