Mediziner Peter Paul Nawroth ordnet ein - Welche Rolle der Zuckerstoffwechsel im Gehirn bei Alzheimer spielt

Alzheimer-Forschung: Wie ein Enzym das Fortschreiten der Krankheit beeinflusst<span class="copyright">Getty Images/GSO Images</span>
Alzheimer-Forschung: Wie ein Enzym das Fortschreiten der Krankheit beeinflusstGetty Images/GSO Images

Die Alzheimer-Krankheit ist eine der am meisten gefürchteten neurodegenerativen Erkrankungen. Neue Forschungsergebnisse werfen nun ein Licht auf die Rolle des Zuckerstoffwechsels bei dieser Krankheit. Internist und Endokrinologe Peter Paul Nawroth diskutiert die wichtigsten Erkenntnisse.

Eine neue Studie zeigt in Mäusen, dass die Wiederherstellung eines normalen Zuckerstoffwechsels in bestimmten Zellen des Gehirns positive Effekte auf das Gedächtnis hat. Der Zucker um den es geht, ist die Glukose.

Aber was bedeutet Wiederherstellung? Man könnte denken, es geht um den schädlichen Einfluss von erhöhter Glukose auf Hirnzellen. Aber das Gegenteil trifft zu: Bei Alzheimer ist die Verstoffwechselung von Glukose krankhaft verringert und das zieht eine Reihe von Folgen nach sich, wie zum Beispiel die Ablagerung von Eiweiß, das die Hirnzellen schädigt.

Für Nervenzellen, ebenso wie für Tumorzellen ist Zucker, also Glukose, ein ganz besonders wichtiger Energieträger. Und jetzt wird der Titel des Beitrages deutlich: Der Zusammenhang zwischen Alzheimer und Krebs ist die große Abhängigkeit der Hirnzellen und Tumorzellen von Glukose. Darin unterscheiden sie sich von anderen Zellen des Körpers.

Warum ist der Zusammenhang zwischen gestörtem Zuckerstoffwechsel im Gehirn und Alzheimer so wichtig?

Fehlt den Zellen, die in den für das Gedächtnis wichtigen Zentren des Gehirns liegen, die aus der Verstoffwechselung von Glukose gewonnene Energie, erkranken nicht nur diese Zellen, sondern auch die umgebenden Zellen.

Deswegen ist weder sehr niedriger Glukosespiegel, noch ein verringerter Glukose Stoffwechsel mit einer normalen Funktion der Nervenzellen – und damit der Gedächtnisleistung - vereinbar. Den Vorgang der Verstoffwechselung von Glukose nennt man Glykolyse. Dabei entsteht u.a. Laktat. Laktat wird in großen Mengen von Zellen hergestellt, die Astrozyten heißen. Das aus Glukose gewonnene Laktat können die Astrozyten selber nutzen. Sie können Laktat aber auch an Nervenzellen, mit denen Astrozyten in Kontakt stehen, weitergeben. Dadurch erhalten auch die umgebenden Nervenzellen den Energieträger für die Kraftwerke der Zellen, die die nötige Energie herstellen, um die normale Zellfunktion zu erhalten.

Ist die Verstoffwechselung von Glukose gestört, wird zu wenig Laktat aus Zucker hergestellt. So „verkümmern“ Nervenzellen, auch in dem Teil des Gehirns, der für die Gedächtnisleistung wichtig ist. Eines der Gehirnzentren, die dabei degenerieren, heißt Hippocampus. Der Hippocampus ist für die Gedächtnisleistung sehr wichtig

Warum wurde in der Arbeit ein Enzym mit dem Namen IDO-1 untersucht?

Die Ausgangslage für die Forscher lautete: Bei Alzheimer ist, wie andere Studien zeigten, die Verstoffwechselung von Glukose unterdrückt, dadurch leiden verschiedene Arten von Hirnzellen und das Gedächtnis. Bei der Regulation des Glukosestoffwechsels in der Nervenzelle spielt ein Enzym eine Rolle, das als IDO-1 bezeichnet wird.

IDO-1 wird bei Morbus Alzheimer aktiviert. Das bewirken zwei der Verursacher der Alzheimer Pathologie: Das „Amyloid-ß“ und das „tau-Protein“. Beide vermehren das Enzym IDO-1. Dieses wiederum stößt die Produktion einer Aminosäure an, die  im Ende zur Verringerung der Glukose-Verstoffwechselung und damit zum Mangel an Laktat und Energie für die Nervenzellen führt. Aus dieser Kenntnis heraus versuchten die Forscher IDO-1 in den betreffenden Nervenzellen zu hemmen und hofften, dass dies die Funktion der Astrozyten und der umgebenden Zellen so normalisieren würde, dass die Gedächtnisleistung der Mäuse wieder besser würde.

Die vorliegende Arbeit zeigt, dass die Hemmung von IDO-1 tatsächlich dazu führt, dass die Glukose-Verstoffwechselung nicht mehr gehemmt wird. Wird der Zuckerstoffwechsel wieder hochgefahren, erhält die Zelle also genügend Energie aus Glukose, kann für die Zelle selber und die umgebenden Zellen wieder ausreichend Energie für eine normale Funktion zur Verfügung gestellt werden. Diese Normalisierung der Energiegewinnung aus Zucker zeigte die erhofften Folgen: Die Gedächtnisfunktion von Mäusen mit einer Demenzneigung wurde besser.

Da eine Verringerung des Zuckerstoffwechsels auch bei verschiedenen anderen neurodegenerativen Erkrankungen beobachtet wurde, könnten diese Daten auch Bedeutung für neue Therapieansätze z.B. bei Morbus Parkinson haben.

Welche weiteren Bereiche sollten noch erforscht werden, um Alzheimer besser zu verstehen und zu behandeln?

So spektakulär diese Befunde auf den ersten Blick sind, so viel Arbeit ist noch nötig, bevor man behaupten kann, dass dies ein neues Therapieprinzip zur Verhinderung oder der Therapie von Gedächtnisstörungen sein könnte. Es müssen noch folgende Probleme gelöst werden:

  1. Man müsste Verfahren entwickeln, die nur in den betroffenen Hirnzellen die Hemmung von IDO-1  bewirken. Ohne einen spezifischen Wirkansatz dort, wo IDO-1 gehemmt werden muss, drohen Nebenwirkungen, wie etwa eine Tumorentwicklung an anderen Körperstellen oder eine Beeinflussung der Funktion anderer Hirnregionen.

  2. Man müsste komplexere Tiermodelle und viel ältere Tiere einsetzen, in denen die Erkrankung weiter fortgeschritten ist, um zu wissen, ab welchem Stadium ein Einsatz noch sinnvoll ist. Ist der Ansatz besser zur Vorsorge, oder zur Therapie?

  3. Man müsste Tiermodelle wählen, in denen wie bei Menschen, der Alterungsprozess zusammen mit anderen Erkrankungen (wie Bluthochdruck), eine Beschleunigung der neurodegenerativen Erkrankung bewirken.

  4. Man müsste mehr über verschiedene andere Hirnfunktionen wissen, als nur die, die in dieser Publikation getestet wurden.

Diese Forschung wird noch mehr als 10 Jahre benötigen! Man sollte diese Forschungsrichtung beobachten und überprüfen, welche der gestellten Fragen beantwortet werden können. Aber im Augenblick sollte man mit Schlussfolgerungen noch sehr vorsichtig sein.