Medizinerin Axt-Gadermann - Was Zombie-Zellen im Körper anrichten - und wie sie Ihre Lebenserwartung senken
Falten lassen uns nicht nur älter aussehen, die Alterungsprozesse der Haut können offenbar auf andere Organe übergreifen und so das Altern des ganzen Körpers beschleunigen, wie Studien zeigen. Die Haut zu schützen, lohnt sich daher doppelt, sagt Medizinerin Michaela Axt-Gadermann.
Können Falten, Altersflecken und schlaffe Haut den Gesundheitszustand, die Lebenserwartung und das Sterblichkeitsrisiko widerspiegeln? Verschiedene Studien belegen diese Zusammenhänge.
Ein dänisch-US-amerikanisches Forscherteam unter Leitung von Kare Christensen, Universität Süd-Dänemark, stellte bereits 2009 fest, dass Menschen die jünger aussehen, als sie tatsächlich sind, auch länger leben. In dieser Studie sollten „Gutachter“ – nämlich Geriatrieschwestern, männliche Studenten und ältere Frauen - anhand von Fotos das Alter von 1826 Zwillingsgeschwistern zwischen 70 und 90 Jahren schätzen. Außerdem wurden noch Tests zur körperlichen und geistigen Fitness der Zwillinge durchgeführt und ein Marker für das biologische Alter der Zellen, die Leukozyten-Telomerlänge, bestimmt.
Das Ergebnis: Die jünger wirkenden Zwillinge erreichten meist ein höheres Lebensalter als ihre älter aussehenden Geschwister und schnitten gleichzeitig auch in Tests zur körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit besser ab. Das wahrgenommene Alter korrelierte zudem signifikant mit dem zellulären Alterungsmarker, den Telomeren. Die jünger geschätzten Zwillingsgeschwister wiesen in der Regel längere Telomere auf und waren somit auch biologisch jünger.
Offensichtlich ist das anhand von Faltentiefe und Altersflecken geschätzte Alter ein aussagekräftiger Biomarker für den gesamten Alterungsprozess und lässt Rückschlüsse auf Gesundheit und Fitness zu: Jünger auszusehen ist demnach ein Zeichen für gute Gesundheit und bedeutet, länger zu leben. Die naheliegende Erklärung ist, dass jüngeres Aussehen das Ergebnis eines gesunden Lebensstils ist.
Lebensstil entscheidend für Alterung
Alterung ist ein Prozess, der nicht nur genetisch bedingt ist. Der Lebensstil hat einen ebenso großen Einfluss darauf, wie lange wir körperlich und geistig gesund und leistungsfähig bleiben. Fast alles, was uns äußerlich jung erhält, kommt demnach auch dem gesamten Körper und den inneren Organen zugute. Wer nicht raucht, hat weniger Falten, aber gleichzeitig auch junge Blutgefäße. Wer sich regelmäßig bewegt, sorgt nicht nur für einen gut durchbluteten und rosigen Teint, sondern stärkt automatisch auch die Knochen und Muskeln.
Menschen mit einem hohen Blutzuckerspiegel entwickeln nicht nur früher Arteriosklerose, als Personen, die nicht an Zuckerkrankheit leiden. Sie weisen gleichzeitig auch für ihr Alter deutlich mehr Falten auf als Mitmenschen mit einem niedrigen Zuckerspiegel. Grund dafür ist die so genannte „Glykierung“.
Bei einer schlecht eingestellten Zuckerkrankheit, aber auch bei einer zu kohlenhydratreichen Ernährung mit vielen Zwischenmahlzeiten heften sich Zuckermoleküle an kollagene und elastische Fasern, wodurch das Bindegewebe vorzeitig altert. Diese Fasern sind im gesunden Zustand nicht nur für die Straffheit und Elastizität der Haut verantwortlich, sondern halten auch die Gefäße geschmeidig.
Falten und Altersflecken zeigen Risiko für Arterienverkalkung
Wer alt aussieht, müsste demnach auch gealterte Gefäße haben und ein höheres Risiko für Herzinfarkt und Schlaganfall. Dass es diese Zusammenhänge tatsächlich gibt, zeigt eine ägyptische Studie . Die Wissenschaftler verglichen Fotos von 44 Patienten, die mit Herzerkrankung in die kardiologische Abteilung aufgenommen wurden mit 44 alters- und geschlechtsangepassten gesunden Personen und berechneten die Hautalterungswerte. Bewertet wurden auf einer Skala von 0 bis 3 Punkten unter anderem ungleichmäßige Pigmentierung und Altersflecken, Hautelastizität, Faltenbildung, Feuchtigkeitsversorgung und gutartige Hauttumore.
Anhand des Ausmaßes der Hautalterung ließ sich tatsächlich das Risiko von Herz-Kreislauf-Erkrankungen abschätzen. „Unsere Studie legt nahe, dass jede Person mit einem hohen Hautalterungswert ein hohes Risiko für degenerative Herz-Kreislauf-Erkrankungen hat und sich einer regelmäßigen Nachsorge unterziehen sollte“, so das Fazit der Untersuchung.
Hautalterung beschleunigt Alterung des gesamten Organismus
Doch nun gibt es noch einen anderen Aspekt, der Hautfalten mit Alterungsvorgängen in Verbindung bringt. Aktuellere Studien deuten darauf hin, dass Falten uns nicht nur älter aussehen lassen, sondern gealterte Haut auch das Altern des gesamten Körpers beschleunigen könnte, weil die Alterungsprozesse der Haut auf andere Organe „übergreifen“.
In gealterter Haut sammeln sich so genannte „seneszente Zellen“ an. Der Begriff „seneszent“ stammt aus dem Lateinisch und bedeutet „alt werden“ oder „altern“. Seneszente Zellen hören auf sich zu teilen, sterben aber auch nicht ab. Sie sind also die „Zombies“ unter den Zellen, nicht mehr ganz lebendig und auch noch nicht tot. Die Zellen sind nämlich immer noch in der Lage, entzündungsfördernde Stoffe und hormonähnliche Substanzen zu produzieren, die nicht nur die Hautalterung weiter anfeuern, sondern über die Blutbahn auch zu anderen Körperregionen gelangen, chronische Entzündungen verursachen und Alterungsprozesse beschleunigen.
Sonnenschutz ist Faltenschutz
Nicht nur ungeschützte, ausgiebige Sonnenbäder lassen die Haut runzlig werden, sondern auch die tägliche kleine UV-Dosis, die wir in der Mittagspause abbekommen und die sogar Autoscheiben und Fenster durchdringt. Deshalb sollte man täglich einen Lichtschutz auftragen, auch im Winter. Und möglicherweise beeinflussen Sonnenschäden nicht nur die Alterung von Haut und Organen, sondern auch die des Gehirns. Zumindest bei Tieren ließ sich das schon feststellen.
Koreanische Wissenschaftler wiesen nach, dass bei Mäusen, deren Haut zwei Wochen lang mit UV-Licht bestrahlt wurde, sich Veränderungen im Hippocampus zeigten. Unter anderem gingen die synaptische Plastizität und die Neubildung von Nervenzellen im Hippocampus nach wiederholter UV-Exposition der Haut messbar zurück. Der Hippocampus ist eine Gehirnregion, die eine wichtige Rolle beim Lernen und Gedächtnis spielt.
Wie lassen sich Alterungsprozesse verzögern?
Neben regelmäßigem Sonnenschutz beeinflusst auch der Lebensstil die Geschwindigkeit der Hautalterung. Eine ballaststoffreiche, pflanzenbetonte Ernährung, die an die mediterrane Kost angelehnt ist, hält unsere Haut länger glatt und elastisch.
Untersuchungen zeigen, dass Personen, die viele Antioxidantien auf Pflanzenkost im Blut und in der Haut haben, für ihr Alter deutlich jünger aussehen und auch messbar weniger Falten aufweisen . Doch eine gesunde, antioxidantienreiche Ernährung hält nicht nur die Haut jung, sondern schützt auch Gefäße und Organe.
Zudem sind Ballaststoffe wichtig, um das Mikrobiom in einem guten Zustand zu halten. Die Billionen Bakterien in unserem Darm sind ebenfalls in der Lage, Antioxidantien zu produzieren und Alterungsprozesse zu verzögern. Es ist bekannt, dass das Mikrobiom eine Schlüsselrolle bei Alterungsprozessen einnimmt, wichtig für Gesundheit und Langlebigkeit ist und auch die Hautalterung entscheidend beeinflusst.
Die Haut ist offensichtlich mehr als nur eine schützende Hülle. Wer sich gut um Sie kümmert, wird wahrscheinlich auch mit einem Zuwachs an Gesundheit belohnt.