Mehr als 30 Euro Miete pro Quadratmeter - Schock-Zahlen zeigen: Studenten können sich in Uni-Städten keine Wohnung leisten

In einer WG sollten Kühlschranknutzer feste Bereiche zuteilen, Lebensmittel kennzeichnen und regelmäßig Verfallsdaten kontrollieren.<span class="copyright">Jens Kalaene/dpa-Zentralbild/dpa-tmn</span>
In einer WG sollten Kühlschranknutzer feste Bereiche zuteilen, Lebensmittel kennzeichnen und regelmäßig Verfallsdaten kontrollieren.Jens Kalaene/dpa-Zentralbild/dpa-tmn

Mehr als 30 Euro pro Quadratmeter, immer weniger verfügbare Wohnungen: Die Lage für Studenten ist so angespannt, dass 77 Prozent von Armut gefährdet sind. Eine neue Studie zeigt, wo die Lage am schlimmsten ist.

  • Im Video: Mieten steigen schneller als Kaufpreise: Wo sich der Hauskauf für Sie immer stärker lohnt

Weil viel zu wenige Wohnungen in Deutschland gebaut werden, herrscht schon in diesem Jahr ein Mangel von rund 600.000 Einheiten, Tendenz steigend. Wie das bei knappem Angebot bei steigender Nachfrage so ist, steigen dadurch die Mieten. Der Finanzdienstleiter MLP beziffert den Anstieg in 38 großen Universitätsstädten im Schnitt auf 5,1 Prozent verglichen mit dem August 2023. Bei einer allgemeinen Inflationsrate von 2,2 Prozent im selben Zeitraum wird deutlich, dass Wohnen sich deutlich stärker verteuert. Das geht aus einer Studie des Dienstleister hervor, die FOCUS online vorliegt.

Leidtragende sind alle diejenigen, die sich keine hohen Mieten leisten können, darunter Studenten. Sie müssten etwa in München für eine bescheidene 30 Quadratmeter große Wohnung bereits rund 800 Euro Warmmiete aufbringen. In Berlin, Frankfurt und Stuttgart sind es rund 680 Euro. Selbst WG-Zimmer mit nur 20 Quadratmetern Größe kosten etwa in Hamburg, Konstanz und Freiburg mehr als 500 Euro warm pro Monat.

Mieten für Studentenwohnungen über dem Durchschnitt

Wie viel mehr das ist als das, was sich Studenten leisten können, zeigt ein Blick auf die Bafög-Richtlinien. Zwar wurden die Sätze dieses Jahr angehoben, doch selbst ein Student, der das Maximum der Förderung erhält, müsste mit 380 Euro Wohnkostenpauschale auskommen. Das sind zwar immerhin 20 Euro mehr als zuvor, diese Summe reicht aber nur in 2 der 38 Städte, die MLP zusammen mit dem Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) analysiert hat, für eine kleine Wohnung.

In Chemnitz, der günstigsten Universitätsstadt, reichen schon 260 Euro für eine 30-Quadratmeter-Wohnung und 215 Euro für ein Muster-WG-Zimmer. Auch in Magdeburg sind die Mieten noch im Bafög-Rahmen. Am anderen Ende der Skala reichen 380 Euro in München nur für eine 15 Quadratmeter große Wohnung – und selbst da nur für die Kaltmiete. Selbstredend, dass es komplette Wohnungen in dieser Größenordnung auf dem Markt gar nicht gibt.

Noch schlimmer wird die Lage dadurch, dass in fast allen Uni-Städten die mittleren Mieten für kleine Wohnungen bis maximal 40 Quadratmeter höher liegen als für Wohnungen im Allgemeinen. Wer zudem eine möblierte Wohnung braucht, muss noch einmal einen teils heftigen Aufschlag zahlen. In München kämen Studenten so schon auf rund 33 Euro pro Quadratmeter, wenn die Wohnung möbliert sein soll. In sechs weiteren Städte – Stuttgart, Berlin, Frankfurt, Hamburg und Düsseldorf – verlangen Mieter im Mittel mehr als 25 Euro pro Quadratmeter für möblierte Wohnungen.

Der Preisaufschlag für kleine Einheiten kommt daher, dass sich Studenten in diesem Segment immer mehr auch mit anderen Gruppen auseinandersetzen müssen. Auch Rentner, Geringverdiener, Alleinerziehende, Auszubildende und Berufsanfänger können sich meistens nicht mehr leisten und drängen deswegen auf den Markt für kleine Wohnungen und Zimmer in Wohngemeinschaften. So liegen die Mieten für WG-Zimmer in Frankfurt und München jeweils jenseits der 30 Euro pro Quadratmeter. In Hamburg, Stuttgart, Heidelberg, Konstanz, Berlin, Freiburg, Düsseldorf und Köln sind es mindestens 25 Euro. Selbst bei Schlusslicht Chemnitz werden noch rund 12,50 Euro pro Quadratmeter verlangt. All diese Preise liegen weit über denen des Gesamtmarktes, also für größere Wohnungen.

Preise für Studentenwohnungen steigen rasant

Für die nahe Zukunft ist keine Besserung in Sicht. Dafür sprechen zwei sich gegenseitig verschärfende Entwicklungen. Erstens steigt die Zahl der Studenten immer weiter an. Waren vor 20 Jahren noch rund zwei Millionen Menschen an den deutschen Hochschulen eingeschrieben, sind es mittlerweile knapp drei Millionen. Seit Beginn der Corona-Pandemie ist der Trend wieder leicht rückläufig. Da aber weiterhin rund 60 Prozent der jungen Menschen eines Jahrgangs ein Studium beginnen, wird sich diese Zahl in den kommenden Jahren zwangsläufig wieder erhöhen. Der hohen Nachfrage nach studentischem Wohnraum steht aber ein schrumpfendes Angebot gegenüber.

So sank die Zahl der verfügbaren Wohnungen in den für Studenten passenden Größen, sowie von WG-Zimmern, gegenüber dem Vorjahr in 29 der 38 von MLP untersuchten Städte. In Jena ging das Angebot mit rund 25 Prozent am stärksten zurück, es folgt Münster mit rund 22 Prozent vor Freiburg mit 20 Prozent. Rühmliche Ausnahme am anderen Ende der Skala ist Berlin, wo das Angebot um mehr als 30 Prozent wuchs. Kiel und Rostock kommen immerhin noch auf rund 10 Prozent Wachstum.

Wer eine Wohnung gefunden hat, bleibt dort länger wohnen

Die Ursachen sehen MLP und IW nicht darin, dass es in den meisten Städten tatsächlich weniger kleine Wohnungen und WG-Zimmer gebe. Aufgrund der prekären Lage ist die Fluktuation stattdessen weit geringer geworden. Wer eine Wohnung gefunden hat, zieht dort so schnell nicht mehr aus. Sollte doch einmal eine freiwerden, inserieren Vermieter diese oft nicht mehr öffentlich, sondern geben sie unter der Hand an Bekannte oder Verwandte weiter. Berlin ist dabei deswegen die Ausnahme, weil hier vor allem die Fluktuation an ausländischen Arbeitern, die nur kurz in der Stadt bleiben, sehr hoch ist.

Die Entwicklung des vergangenen Jahres macht wenig Hoffnung, dass sich die Preislage verbessert. Wie oben erwähnt, stiegen die Mieten für kleine Wohnungen, möblierte Wohnungen und WG-Zimmer von 2023 bis 2024 mehr als doppelt so hoch wie die allgemeine Inflationsrate. Das war auch schon von 2018 bis 2020 der Fall. Die Corona-Pandemie dämpfte dann den Anstieg der Mieten, die wieder hinter die Inflationsrate zurückfielen. Im Schnitt stiegen Mieten und Inflation seitdem etwa gleich stark. Mit der Tendenz des Vorjahres dürfte die Schere ab jetzt aber wieder auseinandergehen.

Wohnungskrise für Studenten kostet Deutschland Milliarden Euro

Die Konsequenz für Studenten sind horrende Kosten. Sie müssen im Schnitt rund 54 Prozent ihres Einkommens für Wohnkosten ausgeben. Empfohlen sind 30 bis 40 Prozent, der Schnitt der Gesamtbevölkerung liegt bei 25 Prozent. Diese Zahlen stammen vom Statistischen Bundesamt. So hohe Fixkosten fürs Wohnen führen zu finanziellen Problemen.

Rund zwei Drittel gelten durch die Wohnkosten als „finanziell überlastet“. 77 Prozent leben unter der Armutsgefährdungsquote. Das bedeutet, dass sie monatlich mit weniger als 60 Prozent des Median-Einkommens auskommen müssen. Für Alleinlebende lag die Schwelle dafür 2023 bei rund 1313 Euro verfügbarem Einkommen pro Monat. Laut Statistischem Bundesamt verfügt die Hälfte der Studenten über weniger als 867 Euro pro Monat.

Das ist nicht nur ein finanzielles Dilemma für knapp drei Millionen Menschen in Deutschland, sondern auch ein volkswirtschaftliches Problem. Schließlich sind die heutigen Studenten die morgigen Fachkräfte, die in vielen Branchen händeringend gesucht werden. Gleiches gilt übrigens auch für Auszubildende, die zwar mehr Geld verdienen, aber auch überproportional oft armutsgefährdet sind. Noch problematischer wird das, wenn Sie bedenken, dass Deutschland auf Grund des demographischen Wandels auf immer mehr ausländische Fachkräfte angewiesen ist.

Das Einfachste für die Wirtschaft wäre, diese an deutschen Universitäten gleich selbst auszubilden. Doch der Anteil ausländischer Studenten ist mit rund zehn Prozent weiterhin gering. Im Vergleich mit den OECD-Ländern reicht das nur zum 14. Platz. Die neuesten Zahlen stammen hier noch von 2021. Allein in den zwei Jahren davor haben uns aber Lettland, Portugal und die Slowakei überholt. Spitzenreiter in diesem Ranking ist Luxemburg, welches aufgrund seiner geringen Größe einen Anteil von fast 50 Prozent an ausländischen Studenten hat. Danach folgen Australien, Großbritannien und Österreich mit jeweils rund 20 Prozent.

Aber: Absolut gesehen hat sich die Anzahl ausländischer Studenten in den vergangenen zehn Jahren fast verdoppelt. Angenehm ist, dass nach Auswertungen der OECD und des Statistischen Bundesamtes rund die Hälfte auch zehn Jahre nach ihrem Abschluss noch in Deutschland leben und arbeiten. Die Ausbildung lohnt sich also. Für ausländische Studenten ist es aber noch einmal schwieriger, sich auf dem umkämpften Wohnungsmarkt eine Bleibe zu sichern. Dabei sind sie besonders darauf angewiesen, denn schließlich können sie im Zweifel nicht wie manch deutscher Student dann doch bei den Eltern wohnen bleiben. Der Wohnungsmarkt wird so also auch zu einem wichtigen Faktor im Wettbewerb um die weltweiten Talente, gerade in begehrten naturwissenschaftlichen und mathematischen Fächern.

So wird die Wohnungsknappheit für Studenten mittelfristig auch die deutsche Wirtschaft schwächen. Sie verschärft den Fachkräftemangel dadurch, dass viele inländische wie ausländische junge Menschen entweder erst gar kein Studium aufnehmen oder dies finanziell nicht durchhalten können und deswegen abbrechen müssen. Um dem entgegenzuwirken, wäre es also ungemein wichtig, dass die Bundesregierung den Markt gerade für bezahlbare, kleine Wohnungen ankurbelt. Geplant waren einmal mehr als 100.000 Sozialwohnungen pro Jahr. Gebaut wurden bisher deutlich weniger.

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