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„Mehr auf die Kraft des Rechtsstaats vertrauen“: Justizministerin Katarina Barley bei „Markus Lanz“

Zu Gast bei Markus Lanz (v.l.): Katarina Barley, Robert Müller-Grünow, Prof. Alfred Königsrainer und Heinrich Wefing. (Bild: Screenshot ZDF)
Zu Gast bei Markus Lanz (v.l.): Katarina Barley, Robert Müller-Grünow, Prof. Alfred Königsrainer und Heinrich Wefing. (Bild: Screenshot ZDF)

Darüber, wie gefühlte Wahrheiten das Vertrauen in den deutschen Rechtsstaat schwächen und wo die Justiz Nachholbedarf hat, sprach Justizministerin Katarina Barley am Donnerstagabend bei „Markus Lanz“.

Auch, wenn sie erst seit Kurzem Justizministerin ist – so ganz ungewohnt ist die neue Rolle für Katarina Barley nicht: „Ich war ja schon neun Monate Familienministerin, ich war sechs Monate Arbeitsministerin. Diese Kabinettsroutine habe ich schon erlebt. Aber Justizministerin ist jetzt relativ neu.“ Angesprochen auf CSU-Innenminister Horst Seehofer, erklärte sie: „Ich komme gut mit ihm klar. Er ist sehr entspannt und konstruktiv. Das ist mir eigentlich immer das Wichtigste. Man kann unterschiedliche Meinungen haben, mal kann auch mal streiten, aber man sollte immer konstruktiv bleiben.“

Damit leitete Lanz auf das Hauptthema des Gesprächs um – das Misstrauen der Gesellschaft in staatliche Institutionen, dabei vor allem die Justiz. Seehofers Argumentation einer rückläufigen Kriminalitätsstatistik habe „mit dem Gefühl der Menschen wenig zu tun“, so der Moderator. „Ja, ich sehe das auch so“, antwortete Barley. „Das Gefühl bei den Menschen ist anders. Das hat teilweise damit zu tun, wie über den Rechtsstaat gesprochen wird, auch zum Teil von politischer Seite. Ich halte es für fahrlässig. Wenn wir uns umschauen in der Welt, in Europa, dann ist unser Rechtsstaat sehr, sehr stark. Bei uns läuft auch nicht alles perfekt. Aber wenn was schiefläuft, dann hat das Konsequenzen. Eigentlich sollten wir viel mehr auf die Kraft des Rechtsstaats vertrauen.“

Justizministerin Katarina Barley möchte das Vertrauen in die Justiz stärken. (Bild: Screenshot ZDF)
Justizministerin Katarina Barley möchte das Vertrauen in die Justiz stärken. (Bild: Screenshot ZDF)

Die gefühlte Wahrnehmung und das Auseinanderklaffen von Gefühl und Realität sei ein großes Problem, argumentierte Moderator Lanz – und fragte Barley nach dem Grund. „Wir haben eine generelle Stimmung in unserem Land von Menschen, die sich allein gelassen fühlen“, antwortete sie und fuhr fort: „Nicht einmal nur vom Staat, das gibt es auch, aber zum Beispiel auch in Zeiten von Globalisierung gegenüber großen Konzernen […], gegenüber Banken und Versicherungen. Dass man auf sich selbst vertrauen muss, dass einem keiner hilft. Das ist nicht nur bei der Kriminalität so, das ist nach meiner Wahrnehmung ein durchgängiges Gefühl im Moment. Und das ist wirklich gefährlich.“ Auch Parteien wie die AfD tragen zu dieser Stimmung bei.

Journalist Heinrich Wefing erklärte die Entstehung dieser Stimmung: „Das haben die Vertreter der AfD ja auch gesagt: Die Flüchtlingspolitik von Angela Merkel war für sie ein Geschenk und das haben sie ja auch ausgenutzt. Weil da plötzlich Dinge in Bewegung kamen, die vorher undenkbar waren, weil es eine Zuwanderung gab, wie wir sie noch nicht erlebt haben – die natürlicherweise die staatlichen Behörden und Institutionen an ihre Grenzen führen musste. Dann sind viele Dinge gelaufen bei der Verteilung der Flüchtlinge, bei der Registrierung der Flüchtlinge. Dann kam die Kölner Silvesternacht – und das ist ein Punkt, wo sehr viel ins Kippen gekommen ist.“

Es gäbe gerade in puncto Asylverfahren viel abzuarbeiten, erklärte die Justizministerin: „Wir schleppen natürlich eine ganz große Zahl an Fällen mit uns mit. Das war auf einmal eine riesige Zahl. Da sind die Registrierungen nicht gut gelaufen. Das muss jetzt alles aufgearbeitet und nachgeholt werden.“ Angesprochen auf den BAMF-Skandal, sagte Barley: „In dem Ausmaß hat mich das schon überrascht. Das ist wirklich etwas, wo ein Rechtsstaat reagieren muss – und zwar zügig und ganz klar. Da müssen die Konsequenzen gezogen werden.“ Die Strukturen bei den Asylaufnahmeverfahren müssen verbessert werden, so die Justizministerin: „Das darf nie wieder passieren!“

Heinrich Wefing gab sich optimistisch: „Hier zeigt sich der Rechtsstaat von seiner guten Seite. Es dauert lange, aber hier werden Fehler erkannt und es wird wieder Recht hergestellt […]. Das heißt nicht, dass alles gut läuft. Aber der Rechtsstaat ist in der Lage, eigene Fehler zu identifizieren und sie abzustellen. Das ist der Vorzug des Rechtsstaates gegenüber allen anderen Systemen.“