Mehr als nur ein Buchstabe: So unterscheiden sich "Sisi" auf RTL+ und "Sissi" mit Romy Schneider

Plötzlich Prinzessin: "Als ich diese ganzen Kostüme und die Sisi-Haare zum ersten Mal trug, habe ich mich im Spiegel angeschaut und dachte mir: Wenn mein fünfjähriges Ich mich jetzt sehen könnte, würde es ein bisschen ausrasten", erinnert sich Schauspielerin Dominique Devenport im Interview. (Bild: RTL / Story House Pictures / Lukas Šalna)
Plötzlich Prinzessin: "Als ich diese ganzen Kostüme und die Sisi-Haare zum ersten Mal trug, habe ich mich im Spiegel angeschaut und dachte mir: Wenn mein fünfjähriges Ich mich jetzt sehen könnte, würde es ein bisschen ausrasten", erinnert sich Schauspielerin Dominique Devenport im Interview. (Bild: RTL / Story House Pictures / Lukas Šalna)

Mehr als sechs Jahrzehnte nach der Uraufführung von "Sissi" von Ernst Marischka verfilmte RTL das Leben der Kaiserin von Österreich-Ungarn erneut als Serie. Es ist ein mutiges Unterfangen, denn diese neue "Sisi" hat nur noch wenig mit der "Sissi" von einst zu tun.

Sie ist die wohl beliebteste Monarchin der österreichischen Geschichte: Mehr als zehnmal wurde das Leben der Kaiserin Elisabeth von Österreich-Ungarn in den vergangenen 100 Jahren verfilmt. Es gibt eine Operette und ein sehr erfolgreiches Musical. Dennoch ist es bis heute vor allem jene berühmte kitschige Heimatfilm-Trilogie "Sissi" (erneut zu sehen am Freitag, 24. Dezember, 20.15 Uhr, am Samstag, 25. Dezember, 17.10 Uhr, und am Sonntag, 26. Dezember, 16.45 Uhr, im Ersten) von Ernst Marischka mit Romy Schneider in der Titelrolle, die das Publikum so sehr liebt. Mit "Sisi" (sechs Folgen, ab Sonntag, 12. Dezember, auf RTL+, sowie nach Weihnachten auf RTL) kommt nun eine neue Serie hinzu, die so gar nicht dem romantischen Kitsch von damals entspricht. Worin genau liegen die Unterschiede? Und kann sie mit ihrem Vorgänger mithalten?

Die Liebe zwischen Sisi (Dominique Devenport) und Franz (Jannik Schümann) ist auch in der neuen Serie Dreh- und Angelpunkt der Handlung. (Bild: RTL)
Die Liebe zwischen Sisi (Dominique Devenport) und Franz (Jannik Schümann) ist auch in der neuen Serie Dreh- und Angelpunkt der Handlung. (Bild: RTL)

Die erwachsene Handlung und das fehlende S

"Wir machen kein Remake. Wir machen eine neue Serie fürs 21. Jahrhundert", betonte Produzent und Headautor Andreas Gutzeit bei einem virtuellen Setbesuch im Juni in Litauen. Oberstes Ziel sei die moderne Sicht auf eine starke Frau in ihren ersten Ehejahren, angefangen bei der Verlobung 1853 bis zum Tod der erstgeborenen Tochter 1857. Ein besonderer Fokus soll dabei auf Szenen "hinter verschlossenen Türen" liegen, auf Themen wie Liebe, Beziehung und Verantwortung. Auch die Hauptdarstellerin Dominique Devenport möchte sich nicht zu sehr mit Romy Schneider vergleichen: "Ich fühle mich nicht so, als würde ich in ihre Fußstapfen treten", sagte die 1996 in Luzern geborene Schauspielerin im Interview. "Wir hatten nie das Bedürfnis, diese Filme zu verdrängen." Vielmehr könnten sie und die Serie "sehr gut nebeneinander existieren".

Tatsächlich hat die "neue" Sisi - historisch korrekt mit einem S geschrieben - wenig mit ihrer immer fröhlichen, braven und perfekt aussehenden Vorgängerin mit doppeltem S zu tun: Während letztere in ihren ersten Szenen reitet, mit den Tieren herumtollt oder einen Waldspaziergang an der Seite ihres Vaters Herzog Max (gespielt von Gustav Knuth) unternimmt, entdeckt die "Neue" in der allerersten Einstellung der Serie ihren eigenen Körper und die weibliche Sexualität.

Viele namhafte Schauspielerinnen und Schauspieler waren an "Sisi" beteiligt (von links: Tanja Schleiff als Gräfin Esterhazy, Luize Pars Balode als Sisis Tochter, Paula Kober als Fanny, Dominique Devenport als Sisi, Jannik Schümann als Franz und Désirée Nosbusch als Erzherzogin Sophie).  (Bild: RTL / Lukas Šalna)
Viele namhafte Schauspielerinnen und Schauspieler waren an "Sisi" beteiligt (von links: Tanja Schleiff als Gräfin Esterhazy, Luize Pars Balode als Sisis Tochter, Paula Kober als Fanny, Dominique Devenport als Sisi, Jannik Schümann als Franz und Désirée Nosbusch als Erzherzogin Sophie). (Bild: RTL / Lukas Šalna)

Aus ist der Klein-Mädchen-Traum

Sie habe durchaus Bedenken bei dieser Szene gehabt, erinnerte sich Devenport im Interview. "Als ich jedoch die fertige Serie sah, sind meine Zweifel sofort verflogen: Ich erkannte, dass diese Szene vor allem dazu dient, die Serie von den Filmen und den damit verbundenen Erwartungen abzukoppeln."

Und so verwundert es auch kaum noch, wenn wenig später das Elend der Ungarn sowie das vollzogene Todesurteil an einem ihrer Rebellen in aller Deutlichkeit gezeigt werden. Denn während der "alte" Kaiser Franz Joseph (Karlheinz Böhm) vor allem vom Schreibtisch aus regierte, ist der "Neue" (Jannik Schümann) vor Ort, direkt im Getümmel. Kaiser Franz Joseph I. sei einer der letzten Monarchen gewesen, die den weltweiten Umbruch ignorierten, erklärte Schümann beim Setbesuch im Juni. Dass diese Komponente in der Serie zum Tragen kommt, freut den 29-Jährigen sehr. Somit entwickelt sich "Sisi" sehr schnell weg von jenem filmgewordenen Klein-Mädchen-Prinzessinnen-Traum aus den Jahren 1955 bis 1957 hin zu einer erwachsenen, hochwertig produzierten und spannenden Event-Serie mit vielschichtigen Figuren.

Sisi (Dominique Devenport) wird von ihrem zukünftigen Ehemann, Kaiser Franz Joseph I. (Jannik Schümann) ins Schloss geführt. (Bild: RTL / Story House Pictures / Louis-Zeno Kuhn)
Sisi (Dominique Devenport) wird von ihrem zukünftigen Ehemann, Kaiser Franz Joseph I. (Jannik Schümann) ins Schloss geführt. (Bild: RTL / Story House Pictures / Louis-Zeno Kuhn)

Aufwendige Produktion mitten in der Pandemie

Doch es sind nicht nur die Drehbücher, in denen sich die beiden Produktionen unterscheiden. Auch der Produktionsaufwand hat sich in den vergangenen 60 Jahren deutlich vergrößert: Drehte Marischka in den 1950-ern hauptsächlich in Bayern, Österreich und Teilen Italiens, war das internationale Team um Regisseur Sven Bohse in gleich fünf Ländern (Deutschland, Österreich, Lettland, Litauen und Ungarn) zugange. Dies ist auf der einen Seite verständlich, da höchstwahrscheinlich mehr Geld zur Verfügung stand und politische Unruhen wie der ungarische Volksaufstand 1956 glücklicherweise der Vergangenheit angehörten. Gleichzeitig überrascht es doch ein wenig, dass trotz der grassierenden Corona-Pandemie am Ende alles glatt gelaufen ist. Über 400 Kostüme mussten binnen drei Monaten hergestellt werden - in einer Zeit, in der die meisten Stoffgeschäfte pandemiebedingt geschlossen hatten.

Außerdem - das darf man nicht vergessen - wurden zeitgleich weitere Produktionen um das Leben der Kaiserin Elisabeth von Österreich vorbereitet: Die deutsche Netflix-Serie "The Empress" wird voraussichtlich im Frühjahr 2022 erscheinen. Im dritten Quartal 2022 folgt der Kinofilm "Sisi und ich" von Frauke Finsterwalder.

Ob sich all diese Mühen am Ende quotentechnisch auszahlen, wird sich zeigen. Die Macherinnen und Macher zeigen sich allerdings optimistisch: Eine zweite Staffel der aufwendigen Produktion wurde bereits bestellt.

Neben der altbekannten Romantik gibt es in der Serie "Sisi" auch düstere Szenen: Der ungarische Rebellenführer Bela (Yasmani Stambader) etwa lauert Sisi (Dominique Devenport) im Wald auf, um sie zu bedrohen. (Bild: RTL / Story House Pictures / Louis-Zeno Kuhn)
Neben der altbekannten Romantik gibt es in der Serie "Sisi" auch düstere Szenen: Der ungarische Rebellenführer Bela (Yasmani Stambader) etwa lauert Sisi (Dominique Devenport) im Wald auf, um sie zu bedrohen. (Bild: RTL / Story House Pictures / Louis-Zeno Kuhn)