Werbung

Mehr Plastikteile als Fische: Ist das die Zukunft der Meere?

Sonne: top. Stimmung: super. Meer: naja. Hier eine Aufnahme aus Naifaru Harbour auf den Malediven aus dem Jahr 2015. Foto: Symbolbild / gettyimages / Rosemary Calvert
Sonne: top. Stimmung: super. Meer: naja. Hier eine Aufnahme aus Naifaru Harbour auf den Malediven aus dem Jahr 2015. Foto: Symbolbild / gettyimages / Rosemary Calvert

Milliarden Kilogramm Plastik schwimmen in den Weltmeeren, vieles davon als mikroskopisch kleine Teilchen, für das Auge nicht mehr sichtbar. Aber wie gelangt der ganze Müll überhaupt dahin?

Aber zuerst: wie viel Müll treibt überhaupt durch die Weltmeere?

Das ist schwer zu sagen, weil die Meere tief sind und nur der kleinste Anteil Plastik an der Oberfläche schwimmt. Dazu ist Mikroplastik mit bloßem Auge gar nicht mehr zu erkennen. So schreibt das Alfred-Wegener-Institut (AWI) für Polar- und Meeresforschung: „Fundierte Schätzungen zum globalen Eintrag von Müll in die Meere liegen derzeit 10- bis 1000fach höher als Ergebnisse empirischer Studien.“ Vermutet wird, dass große Müllmengen unentdeckt in der Tiefsee oder im Meereis lagern. Studien haben meist die Einschränkung, immer nur Hochrechnungen aus punktuellen Müllzählungen auf See oder an Stränden zu sein.

Die „Wissensplattform Erde und Umwelt“ hat dennoch einige solcher Studien zusammengenommen und eine schier unglaubliche Zahl veröffentlicht: Heute sollen zwischen 150 und 200 Millionen Tonnen Plastik auf und in den Meeren herumschwimmen. Global macht Plastik drei Viertel des gesamten Mülls im aquatischen Raum aus. Weil mit der Zeit die Abfälle herabsinken und in immer kleinere Teile zerfallen, sind sie immer schwerer aufzuspüren.

Besser bekannt sind hingegen Zahlen zu neuem Mülleintrag: Auch wenn das AWI eine sehr breite Schätzung angibt mit 4,8 bis 12,7 Millionen Tonnen jährlich. Ziemlich genau die Mitte haben Forscher der britischen Ellen MacArthur Foundation mit ihrer Berechnung getroffen. Demnach landen jährlich rund acht Millionen Tonnen Plastik in den Weltmeeren. Diese Zahl soll sich bis 2050 allerdings vervierfachen, schreibt „Geo“. Dann würden mehr Kunststoffteile als Fische im Wasser schwimmen.

Dabei könnte man diesen Eindruck schon heute gewinnen, wenn man die bekannten „Garbage Patches“ sieht. Das sind riesige Meeresströmungen, die sich in in Wirbeln bewegen. Einmal erfasst, wandert der Kunststoff immer weiter in die Zentren hinein. Weltweit sind heute fünf große Müllwirbel bekannt, im Atlantik, im Indischen Ozean und im Pazifik. Sie können einen Durchmesser von mehreren hundert Kilometern haben.

Wo kommt der ganze Müll her?

Zunächst ist diese Entwicklung wichtig: Von 1970 bis 2013, schreibt das AWI, hat die weltweite Plastikproduktion um 620 Prozent zugenommen. Dementsprechend dürfte sich auch die Menge an Kunststoffabfall im Meer erhöht haben.

Allein für Deutschland, so hat es das „Umweltbundesamt“ zusammengetragen, fielen im Jahr 2016 ganze 3,06 Millionen Tonnen Plastikabfälle an. Der bislang höchste gemessene Wert. Als Gründe gelten die „Lebensbedingungen der Bürgerinnen und Bürger“ und die veränderten „Bedürfnisse als Konsumenten und Konsumentinnen“. Weil es mehr Senioren, Ein- und Zweipersonenhaushalte gebe, würden mehr portionierte und vor allem mehr und kleinere Füllgrößen gekauft. Zudem habe der Außer-Haus-Verbrauch, klassischerweise mehrfach verpackte To-Go- und Fast-Food-Nahrungsmittel, zugenommen.

Obwohl das alles Recycling-Materialien sind, landen sie nicht in der Wiederverwertung. Zwar liegt die deutsche Wiederverwertungsquote offiziell bei 36 Prozent, schreibt die „Deutsche Welle“. Im Interview aber sagt Peter Kurth, Geschäftsführer des Verbandes der Deutschen Entsorgungs-, Wasser- und Rohstoffwirtschaft: „Mit jedem Zalando- oder Amazon-Paket landen billigste Materialien in deutschen Mülltonnen. Firmen, die Kunststoffe herstellen, nehmen Rezyklate nur dann, wenn sie preislich und qualitativ mit Rohöl mithalten.“

Wenn nicht, werden sie stattdessen thermisch verwertet, also in Anlagen der Chemie- und Zementindustrie als Ersatzbrennstoff für Öl oder Gas verbrannt – oder aber, wenn es in Deutschland keine Abnehmer gibt, wird der Plastikmüll nach Asien verkauft.

Früher nach China, das seit zwei Jahren aber nur noch hochwertige Kunststoffabfälle importiert – Schätzungen zufolge ging die Müllmenge aus Deutschland daraufhin um 95 Prozent zurück – heute landen deutsche Margarinebecher und Plastiktüten daher hauptsächlich in Indien, Malaysia und Indonesien.

Greenpeace hat dem deutschen Müll dort nachgespürt und herausgefunden: Von ungesicherten, oft improvisierten Deponien, gelangt das Material bei Stürmen und Regenfällen unkontrolliert in die Umwelt. Also in Flüsse und das Meer. Zudem handeln nicht zugelassene Betriebe mit den Abfällen und lassen diese oft, so schreibt es die Deutsche Welle, zwischen „Garnelen- und Fischfarmen vor sich hindümpeln“.

Doch so gelangt nicht das Gros an Plastikmüll in die Meere, sondern über die Flüsse. Forscher des „Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung“ haben nachgewiesen, dass allein zehn Flüsse für 90 Prozent des Plastikeintrags in die Meere weltweit verantwortlich sind. Acht davon liegen in Asien, ganz vorn beim Mülleintrag ist der Jangtse in China.

Wie gelangt der Müll in das Meer? Quellen und Verbreitungswege von Plastikmüll und Mikroplastik. Grafik: Alfred-Wegener-Institut / Martin Künsting, CC-BY 4.0
Wie gelangt der Müll in das Meer? Quellen und Verbreitungswege von Plastikmüll und Mikroplastik. Grafik: Alfred-Wegener-Institut / Martin Künsting, CC-BY 4.0

Wie schädlich aber ist der Müll?

Die Gefahren sind zahlreich. Das AWI schreibt, dass größere Plastikteile, etwa Six-Pack-Ringe, Seevögel strangulieren oder sich Meeresschildkröten in alten Fangnetzen verheddern können. Zudem zeigen Untersuchungen, dass 90 Prozent aller Seevögel bereits Kunststoff verschluckt hat, je nach Vogelart und Fressverhalten sind die Tiere stark gefährdet. Bei Vögeln, die ausschließlich Nahrung von der Meeresoberfläche picken, wurden Mägen voller Müll gefunden. Der World Wide Fund schreibt, dass mehr als 800 Tierarten dadurch beeinträchtigt sind.

Das Thema Mikroplastik ist hingegen noch eins für die Forschung: Es gibt Hinweise, dass Mikroplastik bei Tieren bis in die Zellen vordringen und dort Entzündungsreaktionen hervorrufen kann. Ob das beim Menschen ebenfalls der Fall ist, wird noch untersucht.

Aber auch ökonomische Folgen hat der viele Plastikmüll: Verschmutzte Strände verschrecken Touristen, die Reinigung kostet viel Geld, Plastikabfälle sorgen in Fangnetzen für geringere Erträge, Müll verfängt sich zudem in Schiffspropellern und kann die Antriebe schädigen. Und nicht zuletzt gehen immense Menge Rohstoffe, in hohem Maße fossile, einfach verloren.