Meinungsbeitrag von Psychologin Lackner - Parteiprogramm unter der Lupe (Teil 7) - so will die AfD die Macht der Parteien beschränken
Im September stehen Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg an. Psychologin Martina Lackner analysiert verschiedene Schwerpunkte aus dem Parteiprogramm der AfD und entlarvt dadurch psychologische Tricks der rechten Partei - dieses Mal beim Thema Macht.
Ich könnte diesem Auszug aus dem Parteiprogramm sogar etwas abgewinnen, wenn ich nicht das psychologische Wissen hätte, das es mir fast unmöglich macht, zu glauben, eine Partei wie die AfD würde nicht nach Macht greifen. Denn das ist es eigentlich, worum es hier geht. Die AFD schreibt z.B.
Auszug aus dem Parteiprogramm: Parteien sollen am politischen System mitwirken (Art. 21 Abs. 1 GG), es aber nicht beherrschen. Die Allmacht der Parteien und deren Ausbeutung des Staates gefährden unsere Demokratie. Diese Allmacht ist Ursache der verbreiteten Politikverdrossenheit und nicht zuletzt auch Wurzel der gesellschaftsschädigenden Politischen Korrektheit und des Meinungsdiktats in allen öffentlichen Diskursen. (..) Die Abgeordneten unserer Parlamente haben ihre Funktion als Mandatare der Bürger verloren. Ihre Loyalität gilt zuerst der politischen Partei, der sie angehören. Von ihr erhalten sie ihre Wahlchancen und ihre Wahl sichert typischerweise ihren Lebensunterhalt. Mit dieser Abhängigkeit von der Partei geht die Entfremdung vom Wähler einher.
Aus einer psychologischen Brille betrachtet könnte man auch sagen, wenn ich das Meinungsbild der Gesellschaft wiedergebe: Politiker denken, sie wären Auserwählte, aber sie sind Gewählte und das haben sie vergessen. Sie dienen einer Ideologie, gebunden an eine Partei und manche hoffen wieder gewählt zu werden. Die Allmacht der Partei spiegelt sich wieder in den Allmachtsphantasien so mancher Politiker. Das Ego von einigen politischen Entscheidungsträgern ist teilweise so aufgebläht, dass es natürlicherweise zu einem Abstand zum „gemeinen Volk“ gekommen ist.
„Die da oben“, ein Slogan, den ich immer wieder höre, trifft es deutlich, was das Deutschland denkt: eine politische Elite, die in einer Blase lebt und das Beste für sich herausholt. So weit so gut. Die AfD nimmt das vorherrschende Meinung auf und hat darauf Antworten gefunden wie z.B. Amtszeit begrenzen, oder Lobbyismus eindämmen. Viele werden nicken, und auch folgende Punkte bestätigen.
Wider das Berufspolitikertum: Amtszeit begrenzen
Auszug aus dem Parteiprogramm: Die sich fortsetzende Tendenz zum Berufspolitikertum hat der Monopolisierung der Macht Vorschub geleistet und die unübersehbare Kluft zwischen dem Volk und der sich herausgebildeten politischen Klasse vergrößert. Vetternwirtschaft, Filz, korruptionsfördernde Strukturen und verwerflicher Lobbyismus sind die Folge. Konkret fordern wir eine Amtszeitbegrenzung für Abgeordnete auf höchstens vier Legislaturperioden.
Lobbyismus eindämmen: Wir wollen, dass Bundestagsabgeordnete ihre volle Arbeits- kraft der parlamentarischen Arbeit widmen. Das Mandat darf nicht unter bezahlten Nebentätigkeiten leiden. Der überbordende Lobbyismus in Brüssel und Berlin muss ein- gedämmt werden. (..)
Der größte Schaden für unsere Demokratie jedoch entsteht dadurch, dass ein Großteil der Nebentätigkeiten im Dunstkreis des Lobbyismus oder gar der Korruption anzusiedeln ist. Aus guten demokratischen Gründen wollen wir die Regelungen der Nebentätigkeiten für Parlamentarier und zur Abgeordnetenbestechung deutlich verschärfen.
Man könnte hier Ansätze für eine Reform finden, wenn man wirklich daran glauben würde, dass die AfD es tatsächlich besser hinbekommen würde. Was ich bisher analysiert habe, bewegt sich vorwiegend im Kontext eines rassistischen, nationalistischen, und frauenfeindlichen Gedankenguts. Hier stellen sich die Verfasser als die „Saubermänner“ dar, die sich gegen Lobbyismus und Berufspolitikertum stellen. Von Saulus zum Paulus wäre die richtige Bezeichnung, oder psychologisch gesehen, man erfasst die Gemütslage der Deutschen Seele und findet die „richtigen“ Antworten, die eigentlich logisch erscheinen, nur sie klingen völlig unglaubwürdig.
Was mich in diesem Kontext interessiert, ist die Frage, warum Wähler zwar die herrschende politische Elite abwählen, aber nicht spüren, welche Gefahr die neue potenzielle Macht in sich birgt, die sich hier gerade etabliert,. Es wirkt fast so wie „alles besser“ als jetzt. Nur das „neue besser“ wird nicht mehr hinterfragt, oder man findet das Neue sogar gut.
Entscheidungsträger neigen zu Machtmissbrauch
Psychologisch gesehen ist dieser Fakt interessant. Wissen wir doch, dass selbst in Demokratien Entscheidungsträger zu Machtmissbrauch neigen. Nun, es liegt der Verdacht nahe, dass sowohl in Berlin als auch in Brüssel das eigene Wohlergehen zum Zentrum des politischen Denkens geworden ist. Machterhalt, Korruption, Inkompetenz, der fehlende Wille sich mit dem Wählerwillen auseinanderzusetzen, sind nur einige Faktoren, die Menschen dazu bringen, sich von den etablierten Parteien abzuwenden.
Wir müssen aber davon ausgehen, dass in rechtsextremen Parteien, selbst wenn sie hier von hehren Zielen sprechen, ein ähnlicher Machtmissbrauch in den nächsten Jahren von statten gehen wird. Weil was die AfD moniert, die Macht der Parteien, genau nach dieser Macht will sie im Moment greifen. Jedes Gesetz dazu, den Machtmissbrauch der Parteien einzugrenzen, würde ihr eigenes Wollen konterkarieren. Was Sie in diesem Auszug lesen, ist das genaue Gegenteil davon, was die AfD leben will. Das scheint jedoch viele Wähler nicht davon abzuhalten, diese Partei zu wählen.
Wähler denken vermutlich tatsächlich, alles wird besser, sie lassen sich blenden (in der Psychologie würde man von blinden Flecken sprechen), oder sie hoffen, dass sich tatsächlich eine Regierungsform etabliert, die rassistisch, nationalistisch und frauenfeindlich ist.
Sieht man vom Kontext ab, in dem die AfD ihre Forderungen eingebettet hat, würde ich den Gedanken nach der Begrenzung der Macht der Parteien aufgreifen: ich glaube, dass sich demokratische Strukturen, besonders das bisherige Parteiensystems überholt haben. Wir brauchen Korrekturen der demokratischen Strukturen, weil sich eben gezeigt hat, dass sich innerhalb eines demokratischen Gefüges, Machtzentralen gebildet haben, mit Politikern, die wiederum auf ihren Machtpositionen verharren und diese Macht zu ihren eigenen Gunsten nutzen.
Die Frage nach dem Umgang mit Flüchtlingen, mit der Corona Pandemie, oder auch die Wut über teure Strom-und Gaspreise sind nur die äußere Hülle eines tieferliegenden Problems: eine tiefsitzende Angst der Deutschen, und eine gewaltvoll-aggressive Stimmungslage, als Reaktion darauf. Diese Stimmungslage mancher Wähler findet bei der AfD ihre Heimat.
Deutschland wie Brüssel: Wir müssen Systeme reformieren
Dass sich hier Menschen nicht gesehen, gewürdigt, abhängt und übergangen fühlen, ist nachvollziehbar. Wenn wir wollen, dass wir weiter in einer Demokratie leben, müssen wir uns die Frage stellen, inwieweit wir in Deutschland und Brüssel unsere Systeme reformieren müssen. Damit Menschen nicht in rechtsextreme Strömungen abdriften. Und dazu braucht es wahrlich keine Psychologie, sondern reine Vernunft.
Die Herausforderung wird jedoch sein: wer soll diese Systeme reformieren? Die, die mitgeholfen haben, sie zu zementieren? Vermutlich nicht. Eine rechtsextreme Partei? Vermutlich auch nicht. Und was genau soll reformiert werden? Mein Gedanke geht in Richtung Expertenregierung, die faktenbasiert denkt und handelt, und nicht die eigene Machterhaltung in den Mittelpunkt stellt.