Meinungsbeitrag von Psychologin Lackner - Parteiprogramm unter der Lupe (Teil 6) - Was die AfD bei der Wehrpflicht plant

Gibt es in Thüringen auf kommunaler Ebene keine Brandmauer zur AfD mehr?<span class="copyright">Matthias Bein/dpa</span>
Gibt es in Thüringen auf kommunaler Ebene keine Brandmauer zur AfD mehr?Matthias Bein/dpa

Im September stehen Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg an. Psychologin Martina Lackner analysiert verschiedene Schwerpunkte aus dem Parteiprogramm der AfD und entlarvt dadurch psychologische Tricks der rechten Partei - dieses Mal beim Thema Wehrpflicht.

Angesichts der veränderten Sicherheitslage in Europa ist die Diskussion um Wehrpflicht oder alternative Modelle wieder in Gang gekommen. Die AfD schreibt in ihrem Programm dazu:

Auszug aus dem Parteiprogramm: Deshalb tritt die AfD dafür ein, für alle männlichen deutschen Staatsbürger im Alter zwischen 18 und 25 Jahren den Grundwehrdienst wieder einzusetzen. Die Dauer des Wehrdienstes richtet sich nach dem, was für die Sicherheit notwendig ist. Sie muss eine gründliche militärische Ausbildung ermöglichen Kriegsdienstverweigerer leisten Wehrersatzdienst. Frauen sollen die Möglichkeit haben, freiwillig in den Streitkräften zu dienen. 

Besonders in diesem Auszug lauert eine enorm hohe unterschwellige Gefahr, die vielen so nicht bewusst ist. Denn mit diesem Vorhaben könnten hier die Weichen gestellt werden für ein „Kriegsszenario“.

Gestolpert bin ich über die Begriffe: die „Dauer des Wehrdienstes richtet sich nach dem, was für Sicherheit notwendig ist, die gründliche militärische Ausbildung, und den Begriff Kriegsdienstverweigerer“. Was wäre, wenn eine rechtsextreme Regierung beschließt, dass die Sicherheitslage es erfordert, dass der Wehrdienst ab nun 3 Jahre zu erfolgen hat?

Eine „gründliche militärische Ausbildung“. Was versteht die AfD darunter?  Vermutlich versteht der Verfasser keine Grundausbildung von ein paar Wochen, sondern 6 Monate oder ein Jahr. Gefolgt von dem Wort „Kriegsdienstverweigerer“. Ein Wort, das wir zwar auch im Grundgesetz finden, aber in diesem Kontext an dieser Stelle ein anderes Bild aufwirft.

Wenn man hier eine Gedankenkette aufbaut: vom undefiniert langen Wehrdienst, einer gründlichen militärischen Ausbildung bis zum Kriegsdienstverweigerer, wirkt es fast so, als ob hier die Grundlagen für einen potenziellen Kriegseinsatz geschaffen werden sollen.

Wie komme ich auf diese beängstigende These?

Viele von Ihnen ist mit Sicherheit bekannt, dass es verschiedene Psychotherapeutische Therapieformen zur Behandlung von psychischen Erkrankungen gibt. Ihnen ist vielleicht die Verhaltenstherapie ein Begriff. Eine dieser Formen, ist die Gesprächspsychotherapie nach Carl Rogers.

Als angehender Psychotherapeut lernt man bereits in der ersten Therapiesitzung wie die psychische Befindlichkeit einer Person einschätzen ist. Anhand verschiedener Kriterien wird eine Diagnose gestellt. Diese Diagnostik ist wichtig, um mit der Krankenkasse abzurechnen.

Eine dieser Beurteilungskriterien bei der Gesprächspsychotherapie ist das Hinterfragen von Emotionen: was löst das Gegenüber an Emotionen bei mir aus? Ist es Aggression, macht es mich traurig, bin ich verwirrt, oder welche Emotionen habe ich im Angesicht des Klienten? Nun, beim og. Auszug habe ich auf diese Methode zurückgegriffen.

Die verwendeten Begriffe in diesem Kontext, haben in mir Übelkeit hervorgerufen und in meinem Kopf das Bild eines Kriegseinsatzes entstehen lassen. Eines Kriegseinsatzes nicht nur im Sinne einer wehrhaften Demokratie: Deutschland muss in der Lage sein, sich zu verteidigen. Sondern unter der Prämisse eines tragenden Pfeilers einer Regierung, die nicht nur auf Kriege vorbereitet sein muss, wenn das Land angegriffen wird, sondern auch jederzeit bereit sein muss, selbst einen Krieg zu beginnen.

Die Gefahr besteht, dass die AfD Deutschland damit auf Kriege einschwören möchte. Das wäre eine Abkehr von jedem demokratischen System in Deutschland.

Verstärkt wird meine These durch die Verwendung von Begriffen wie z.B. „ihren Soldaten“:

Auszug aus dem Parteiprogramm: Durch die Rückkehr zur Allgemeinen Wehrpflicht schaffen wir die Voraussetzungen dafür, dass sich die Bevölkerung mit „ihren Soldaten” und „ihrer Bundeswehr” identifiziert, mit Streitkräften, die in der Bevölkerung fest verankert sind, dass sich das Bewusstsein für die wehrhafte Demokratie wiederbelebt, dass nachhaltig Nachwuchs aus allen Gesellschaftsschichten gewonnen wird und damit eine intelligentere Armee möglich wird, dass ein breites Potential an Reservedienstleistenden entsteht. 

Wenn man in diesem Kontext Kriegsmotive vermutet, bekommen Begriffe wie „ihre Soldaten“, „ihre Bundeswehr“, oder das breite Potential von „Reservedienstleistenden“ eine zentrale Bedeutung. Dieser Text wirkt wieder unterschwellig, und soll nicht nur Nationalstolz vermitteln, sondern eine Identität schaffen, in der es um Angriff und Verteidigung eines Landes geht, unter Einsatz von Gewalt und Aggression; um einem (vermeintlichen) Bedrohungsszenario entgegentreten zu können, oder um Allmachtsphantasien in Richtung Weltherrschaft wieder aufleben zu lassen.

Weiter geht es im Text um „Soldaten aus allen Gesellschaftsschichten“, damit die Armee intelligenter wird. Folgen Sie mir in folgendes Szenario: hier tummeln sich dann IT-Spezialisten, neben Ökonomen, Medizinern, Juristen oder Physikern. Die Armee würde durch das Fachwissen zwar intelligenter wirken, aber ist es das wir wirklich brauchen?

Brauchen wir nicht vielmehr Menschen, die risikoaffin sind, die bereit sind sich mit Gewaltszenarien auseinanderzusetzen, wenig mit Angststörungen zu tun haben, körperlich fit sind und bereit sind im Zweifel in Verteidigungssituationen ihr Leben zu lassen.

Ich glaube nicht, dass sich hier Intellektuelle wirklich eignen, aber darum geht es hier nicht. Die AfD setzt wahrscheinlich auf den Aufbau einer Armee zum Zwecke des Kriegseinsatzes. Und zwar nicht nur im Sinne einer wehrhaften Demokratie.

Nun, man kann gerne die Wissenschaftlichkeit der oben genannten psychotherapeutischen Methode zum Zwecke der Einordnung und Diagnostik von auffälligen Verhaltensmustern und Symptomen anzweifeln. Nichtsdestotrotz haben Menschen ein Bauchgefühl, auch wenn sie in Therapieverfahren nicht geübt sind.

Es sind die Zwischentöne, die sich hinter Begriffen, Satzkonstruktionen, Verdrehungen, und Umdeutungen verstecken, die die Menschen interpretieren, verstehen und in einen klaren Kontext setzen sollten, um nicht der Manipulation dieser Partei aufzusitzen.