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Erdogan an Gabriel: «Wer sind Sie denn?»

Erdogan hatte die wahlberechtigten Deutsch-Türken aufgerufen, bei der Bundestagswahl nicht für SPD, CDU oder Grüne zu stimmen. Foto: Depo Photos
Erdogan hatte die wahlberechtigten Deutsch-Türken aufgerufen, bei der Bundestagswahl nicht für SPD, CDU oder Grüne zu stimmen. Foto: Depo Photos

Es ist eine Provokation: Der türkische Präsident nennt CDU, SPD und Grüne «Türkeifeinde» - und ruft Deutsch-Türken auf, sie nicht zu wählen. Die Antworten aus Deutschland sind unmissverständlich. Ankara ist beleidigt.

Ankara/Berlin (dpa) - Im Streit um seine Einmischung in den deutschen Bundestagswahlkampf hat der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan massiv nachgelegt.

An die Adresse von Bundesaußenminister Sigmar Gabriel (SPD) sagte Erdogan am Samstag bei einer Veranstaltung in Denizli: «Wer sind Sie denn, um den türkischen Präsidenten anzusprechen? Erkennen Sie Ihre Grenzen.» Gabriel hatte die «Wahlempfehlung» Erdogans an die in Deutschland lebenden Türken als «einmaligen Eingriff in die Souveränität unseres Landes» bezeichnet.

Gleichzeitig bekräftigte Erdogan seinen Aufruf vom Vortag an die wahlberechtigten Deutsch-Türken, nicht für die drei Parteien CDU, SPD oder Grüne bei der Bundestagswahl im September zu stimmen. Diese Parteien seien Feinde der Türkei, ihnen müsse «die beste Lektion erteilt werden». Gabriel sei «eine Katastrophe».

In seinem verbalen Rundumschlag nahm der türkische Staatschef auch Kanzlerin Angela Merkel (CDU) ins Visier. Er habe «der Dame an der Spitze Deutschlands» eine Liste mit 4500 von der Türkei gesuchter Terroristen gegeben, doch sei diese nicht angenommen worden. Allerdings habe Merkel von ihm gefordert, in der Türkei inhaftierte Deutsche freizulassen. «Es tut mir leid, wenn sie eine Justiz haben, so haben wir hier auch eine», sagte Erdogan.

Merkel und SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz hatten sich am Freitag jede Einmischung der Türkei in den Bundestagswahlkampf verbeten. «Wir werden uns von niemandem, auch nicht von Präsident Erdogan, da hineinreden lassen, dass unsere deutschen Staatsbürger, egal welcher Abstammung sie sind, (...) ein freies Wahlrecht haben», sagte Merkel am Freitagabend in Herford. «Und wir verbitten uns jede Art von Einmischung in die Meinungsbildung.»

Erdogan hatte die wahlberechtigten Deutsch-Türken am Freitag aufgerufen, bei der Bundestagswahl am 24. September nicht für SPD, CDU oder Grüne zu stimmen, weil sie mit der «Schädigung der Türkei» Wahlkampf machten. «Das sind alles Türkeifeinde», sagte er.

Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) sprach von einem «einmaligen Eingriff in die Souveränität unseres Landes». SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz sagte in Düsseldorf: «Was nimmt dieser Mann sich eigentlich raus? Es ist nicht die Aufgabe eines türkischen Staatspräsidenten, Anweisungen für die Bundestagswahl zu geben.» An die Adresse der türkischstämmigen wahlberechtigten Bundesbürger sagte er: «Ihr gehört zu uns. Wir lassen nicht zu, dass in unserem Land zwei Bevölkerungsgruppen gespalten werden.»

Der türkische Vize-Ministerpräsident Bekir Bozdag nannte das am Samstag wiederum «respektlose, sehr unverschämte Äußerungen, die die Grenzen des Anstands überschreiten». Erdogan habe sich lediglich an die wahlberechtigten türkischen Staatsbürger in Deutschland gewandt, nicht an die anderen Bürger Deutschlands, erklärte er nach Angaben der Nachrichtenagentur Anadolu.

Erdogan hatte die wahlberechtigten Türken aufgerufen, Parteien zu unterstützen, die sich der Türkei gegenüber nicht feindlich verhielten. Welche er damit meinte, sagte Erdogan nicht. In Deutschland gibt es mehr als eine Million Wahlberechtigte mit türkischen Wurzeln.

Kanzleramtsminister Peter Altmaier (CDU) zeigte sich überzeugt, dass Erdogans Aufruf keine große Wirkung haben werde. «Unsere türkischstämmigen Mitbürger sind klüger als Erdogans Beeinflussungen», sagte er der «Bild»-Zeitung. «Die Wähler in Deutschland haben keine Belehrung aus dem Ausland nötig.»

Die Migrationsbeauftragte der Bundesregierung, Aydan Özoguz, appellierte «an alle türkischstämmigen Deutschen, zur Wahl zu gehen und ihre Stimme einer demokratischen Partei zu geben». Dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) sagte die selbst türkischstämmige Sozialdemokratin: «Lasst nicht zu, dass ihr durch Erdogan an den Rand unserer Gesellschaft gedrängt werdet. Ihr gehört in die Mitte.» Und mit Blick auf Erdogan: «Er entlarvt sich als Antidemokrat, indem er zum Boykott demokratischer Parteien aufruft.»

Die Union reagierte auf Erdogan, indem sie den Spieß umdrehte: «Eine einzigartige Chance: Union wählen und Erdogan ärgern!», twitterte Fraktionsgeschäftsführer Michael Grosse-Brömer.