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Wutrede Thunbergs beim Klima-Gipfel

Spielt eine Hauptrolle beim UN-Klimagipfel: Klimaaktivistin Greta Thunberg. Foto: Jason Decrow/AP
Spielt eine Hauptrolle beim UN-Klimagipfel: Klimaaktivistin Greta Thunberg. Foto: Jason Decrow/AP

Das gab es noch nie: Die Vereinten Nationen kommen zu einem Gipfel zusammen, und die Hauptrolle spielt eine 16-jährige Aktivistin. Greta Thunberg rüttelt das Klima-Treffen in New York auf. Der größte Klimaschutz-Bremser kommt aber erst nach ihrer Rede.

New York (dpa) - In einer hoch emotionalen Wutrede beim Klimagipfel in New York hat die Aktivistin Greta Thunberg den Staats- und Regierungschefs mangelnde Handlungsbereitschaft vorgeworfen.

«Wie konntet Ihr es wagen, meine Träume und meine Kindheit zu stehlen mit Euren leeren Worten?», fragte die 16-jährige Schwedin in ihrer Rede mit Tränen in den Augen. «Wir werden Euch das nicht durchgehen lassen. (...) Die Welt wacht auf und es wird Veränderungen geben, ob Ihr es wollt oder nicht.»

Im Publikum saß auch Bundeskanzlerin Angela Merkel, die in ihrer späteren Rede sagte: «Wir alle haben den Weckruf der Jugend gehört.» Die CDU-Politikerin stellte in New York das Klimapaket der Bundesregierung vor, das von Aktivisten und Wissenschaftlern als zu unentschlossen kritisiert wird. Sie traf Thunberg schon vor Gipfelbeginn zu einem kurzen Gespräch.

70 Länder erklärten sich beim Gipfel zu neuen, konkreten Anstrengungen gegen die Erderwärmung bereit. 66 von 193 Mitgliedern der Vereinten Nationen verpflichteten sich, bis 2050 klimaneutral zu werden, also unter dem Strich keine Treibhausgase mehr zu produzieren. Auch Deutschland zählt zu diesen Ländern. 102 Städte, zehn Regionen und 93 Konzerne schlossen sich diesem Ziel an.

Weiteres starkes Signal: Russland trat am Montag per Regierungsverfügung dem Klimaschutzabkommen von Paris offiziell bei. Unklar blieb aber, wie die Regierung den Ausstoß des klimaschädlichen Treibhausgases CO2 reduzieren will. Die Rohstoffgroßmacht, die vor allem von ihren Gas- und Ölressourcen lebt, gehört zu Ländern mit dem höchsten Ausstoß von Kohlendioxid.

Überraschend nahm auch US-Präsident Donald Trump an dem Gipfel teil. Er kam aber zu spät und verpasste Thunbergs Rede. Und er blieb auch nur wenige Minuten, weil er zu einer Parallelveranstaltung zu religiöser Freiheit musste, zu der er selbst eingeladen hatte.

Trump gilt als mächtigster Bremser beim Kampf gegen den Klimawandel. Nach seinem Amtsantritt hatte er den Ausstieg aus dem zentralen Pariser UN-Klimaabkommen verkündet - und das als Staatschef des Landes mit dem zweithöchsten Ausstoß von klimaschädlichen Gasen.

Thunberg warf den Politikern vor, sie seien immer noch nicht reif genug zu sagen, wie ernst die Lage sei. «Wie könnt Ihr es wagen zu glauben, dass man das lösen kann, indem man so weiter macht wie bislang - und mit ein paar technischen Lösungsansätzen?», fragte sie. «Wir stehen am Anfang eines Massenaussterbens und alles, worüber Ihr reden könnt, ist Geld und die Märchen von einem für immer anhaltenden wirtschaftlichen Wachstum.»

Thunberg ist die Initiatorin der Jugendbewegung «Fridays for Future», die vergangene Woche weltweit Millionen Menschen zu einem Klima-Streik auf die Straße gebracht hat. Zusammen mit 15 weiteren Kindern und Jugendlichen aus zwölf Ländern reichte sie am Montag eine Beschwerde beim Kinderrechtsausschuss der Vereinten Nationen ein. Darin werfen sie den UN-Mitgliedsstaaten vor, nicht genug gegen den Klimawandel zu unternehmen und damit gegen die vor 30 Jahre verabschiedete UN-Kinderrechtskonvention zu verstoßen.

Merkel gehörte bei dem Gipfel zu den ersten Rednern. «Die Industriestaaten sind die Verursacher dieser Erderwärmung», sagte sie. Die Entwicklungsländer seien dagegen die Hauptleidtragenden. «Deshalb haben wir als Vertreter der Industrieländer die Pflicht, Innovation, Technologie und Geld einzusetzen, um die Wege zu ebnen, um die Erderwärmung zu stoppen.»

Auch UN-Generalsekretär António Guterres rief eindringlich zum Kampf gegen die schnell voranschreitende Erderwärmung auf. «Wenn wir nicht dringend unseren Lebensstil ändern, setzen wir das Leben selbst aufs Spiel», sagte er. Das Rennen gegen den Klimawandel könne gewonnen werden. «Die Zeit ist knapp, aber es ist noch nicht zu spät.»

Guterres hatte den Gipfel einberufen, um die Dringlichkeit des Kampfes gegen den Klimawandel zu verdeutlichen. Die Welt hinkt weit hinter den Zielen des Pariser Abkommens von 2015 hinterher. Ziel ist es, die Erderhitzung auf deutlich unter 2 Grad im Vergleich zur vorindustriellen Zeit zu begrenzen, möglichst auf 1,5 Grad. Wenn man alles zusammennimmt, was die Staaten bisher zugesagt haben, steuert der Planet aber mit hoher Wahrscheinlichkeit auf rund 3 Grad zu. Das hat katastrophale Folgen, die jetzt schon in vielen Weltregionen sehr deutlich zu spüren sind, zum Beispiel durch den steigenden Meeresspiegel und die Zunahme extremer Wetterphänomene wie Wirbelstürme.

Rederecht erhielten bei dem Gipfel nur Länder mit konkreten Plänen, darunter große Wirtschaftsmächte wie Deutschland, Frankreich, Indien oder die Türkei. Aber auch kleine Staaten, die wenig für den Klimawandel können, aber besonders stark unter ihm leiden, erhielten das Wort: die Marshallinseln, die Seychellen, Jamaika oder auch Tonga standen auf der Liste. Neben den USA erhielten Klimasünder wie Brasilien, Südkorea, Japan, Saudi-Arabien und Australien kein Rederecht.

Per Videobotschaft meldete sich auch Papst Franziskus zu Wort. «Auch wenn die Lage nicht gut ist und der Planet leidet, ist das Fenster der Möglichkeiten noch immer geöffnet», sagte das Oberhaupt der Katholischen Kirche. «Noch. Noch sind wir in der Zeit. Lassen wir nicht zu, dass es sich schließt.»