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Merkel verteidigt Entscheidung zu Nord Stream 2

Berlin (dpa) - Die frühere Bundeskanzlerin Angela Merkel hat ihre Entscheidungen zum Bau der Ostsee-Gasleitung Nord Stream 2 verteidigt.

«Ich habe nicht an Wandel durch Handel geglaubt, aber an Verbindung durch Handel, und zwar mit der zweitgrößten Atommacht der Welt», sagte Merkel dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). Es sei aber keine einfache Entscheidung gewesen. «Die damalige These lautete: Wenn Nord Stream 2 in Betrieb ist, wird Putin durch die Ukraine kein Gas mehr liefern oder sie sogar angreifen.» Der Westen habe dafür gesorgt, dass Gas trotzdem durch die Ukraine geleitet worden sei und sie so weiter Transitgebühren erhalten habe.

Merkel wies darauf hin, dass Russland die Ukraine dann am 24. Februar angegriffen habe, als durch Nord Stream 2 noch kein Gas geleitet wurde. «In diesem Sinne war Gas keine Waffe», sagte Merkel.

Wirtschaftliche Entscheidung

Auch mit wirtschaftlichen Erwägungen begründete Merkel das Vorgehen damals. «Die deutsche Wirtschaft hatte sich damals für den leitungsgebundenen Gastransport aus Russland entschieden, weil das ökonomisch billiger war als Flüssiggas aus Saudi-Arabien, Katar und den Vereinigten Arabischen Emiraten und später auch aus den USA», erklärte sie.

Man sei bereit gewesen, den Bau von zwei Terminals für Flüssiggas (LNG) in Deutschland mit Steuergeldern zu fördern. «Doch bis zum letzten Tag meiner Amtszeit baute kein Unternehmen einen LNG-Terminal in Deutschland, weil sich kein Importeur fand, der wegen des hohen Preises im Voraus langfristige Kapazitäten gebucht hätte.»

Für Deutschland ist Nord Stream 1 die Hauptversorgungsleitung mit russischem Gas. Nord Stream 2 wurde gebaut, um noch mehr russisches Gas nach Deutschland zu bringen. Allerdings ging die Pipeline nach dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine nicht wie geplant in Betrieb.

Merkel blickt auf Flüchtlingskrise zurück

Auch die Flüchtlingskrise war für Ex-Kanzlerin Merkel eine der großen Herausforderungen ihrer Amtszeit. Rückblickend ist es die «emotionalste Phase» ihrer Kanzlerschaft gewesen, so Merkel. «2015/2016 war es eine extrem anstrengende Zeit, in der ich aber innerlich sehr gefestigt war», sagte sie dem RND. Ihr Handeln im Jahr 2015 habe dem C im Namen ihrer Partei entsprochen sowie dem Artikel eins des Grundgesetzes. Das C in der CDU steht für christlich. Der Grundgesetz-Artikel eins verpflichtet zum Schutz der Würde des Menschen und enthält ein Bekenntnis zu den Menschenrechten.

Als im Spätsommer 2015 viele vor allem syrische Flüchtlinge über Ungarn und Österreich nach Deutschland kamen, entschied Merkel, die deutschen Grenzen nicht zu schließen. Einer ihrer bekanntesten Sätze fiel damals: «Wir schaffen das.» Merkels Entscheidung war innerhalb der Union aber auch in der Gesellschaft umstritten. Mit dem damaligen CSU-Chef Horst Seehofer geriet sie danach beim Flüchtlingsthema immer wieder aneinander. Rückblickend sagte sie über diese Zeit und ihre Entscheidung nun dem RND: «Das sehe ich überhaupt nicht als Tiefpunkt. Da hat mich mancher Konflikt um Corona mehr mitgenommen.»

«Ich war Kanzlerin aller Deutschen»

Ihre Flüchtlingspolitik stieß gerade auch in den ostdeutschen Bundesländern auf Kritik. Merkel hat selbst einen ostdeutschen Hintergrund und wuchs in der DDR auf. Allerdings vermied sie es während ihrer Kanzlerschaft weitgehend, zu stark darauf Bezug zu nehmen. «Man hätte mir vielleicht Befangenheit vorgeworfen», sagte sie dem RND und fügte hinzu: «Ich war Kanzlerin aller Deutschen, natürlich die ostdeutsche Kanzlerin aller Deutschen, und habe mich dabei um ein hohes Maß an Sachlichkeit bemüht.»

In ihrer Rede zum Tag der Deutschen Einheit vergangenes Jahr hatte Merkel stärker Bezug auf ihre ostdeutsche Biografie genommen. Sie sagte nun, sie habe diese Rede in dem Wissen gehalten, dass sie das Amt bald verlassen werde. «Denn ich habe damit eine Verletzlichkeit gezeigt», sagte sie. «Vorher hatte ich sicher die Sorge, mich damit angreifbar zu machen.»

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