#MeTwo: Der Alltagsrassismus in Deutschland
Ein Journalist aus Essen startete in den sozialen Netzwerken eine Kampagne, um den Alltagsrassismus in Deutschland deutlich zu machen. Inspiriert zu diesem Schritt hat ihn die Rücktrittserklärung des deutschen Nationalspielers Mesut Özil aus der DFB-Elf.
Um das Foto von Mesut Özil und dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan geht es schon lange nicht mehr. In einer Erklärung hatte sich der Fußballer – ohne auf das gemeinsame Bild einzugehen – vor Kurzem über vermeintlichen Rassismus in Deutschland beklagt und damit eine Debatte ausgelöst. Statt des Verhaltens Özils steht nun vor allem das Thema Fremdenfeindlichkeit im Vordergrund. Ein Journalist nahm dies zum Anlass und startete eine Social-Media-Bewegung.
In Anlehnung an die MeToo-Debatte, bei der es um sexuelle Übergriffe ging, nannte Ali Can seine Aktion #MeTwo. Unter dem entsprechenden Hashtag können Migranten beziehungsweise Deutsche mit ausländischen Wurzeln berichten, wie sie Opfer von Alltagsrassismus wurden. „Zeigen wir jetzt mit einem Post, dass wir gegen Rassismus sind!“, forderte Can seine Follower auf und stellte klar: „Ich bin nicht nur deutsch, weil ich mich an die Regeln halte oder Erfolg habe, ich bin es immer…“
Die neue Großaktion #MeTwo ist gestartet! Zeigen wir jetzt mit einem Post, dass wir gegen Rassismus sind! „Ich bin nicht nur deutsch, weil mich an die Regeln halte oder Erfolg habe, ich bin es immer und auch das andere“ Deswegen #MeTwo! Macht mit! https://t.co/kWxKgmmECP
— Ali Can (@alicanglobal) July 25, 2018
Doch gleich eine der ersten Antworten fiel äußerst ruppig aus: „Du bist trotzdem kein Deutscher“, schrieb ein User. „Du wirst ja auch nicht zum Indianer, wenn du in die USA eingewandert wärst.“ Womöglich bestätigte sich damit umgehend die These, dass der Rassismus in Deutschland weiter verbreitet ist als bisher angenommen.
Doch nicht einmal 48 Stunden später zog Ali Can bereits ein positives Resümee. 3.500 Tweets zu dem Hashtag würden beweisen, dass eine Debatte über Alltagsrassismus dringend nötig sei. Zudem bedankte sich der 24-Jährige bei Mesut Özil.
Vor zwei Tagen startete ich die Kampagne #MeTwo und jetzt sind es über 3500 Tweets. Menschen mit Migrationshintergrund haben nur darauf gewartet, dass es diese öffentliche Diskussion gibt! Danke #Özil, dass du uns die Tür geöffnet hast, um über Rassismus zu sprechen!
— Ali Can (@alicanglobal) July 26, 2018
Das Echo auf den Aufruf war immens und der Hashtag schaffte es auf Platz eins der deutschen Twitter-Trends. Hier einige Beispiele:
Wenn dein großer Sohn verschweigt, dass er eine Mutter mit dunkler Hautfarbe hat, weil er schon mehrfach deswegen von Mitschülern fertig gemacht wurde und manche ihn dann schlicht meiden.
Und du ihn verstehen kannst. #MeTwo— Giorgina Kazungu-Haß (@KazunguHass) July 26, 2018
Goldberg Variationen gespielt. Großen Erfolg gehabt. Nach dem Konzert ein Ehepaar beim Signieren: „Das war so schön, und das obwohl sie ihrer geistigen und sonstigen Herkunft nach ja eigentlich keinen direkten Zugang zu Bach und seiner Musik haben können.“ #metwo
— Igor Levit (@igorpianist) July 26, 2018
Meine Mutter ist jeden Tag früh aufgestanden um mir etwas besonderes für die Schule zu kochen und ich hab es nie übers Herz gebracht ihr zu sagen, wie sehr ich deswegen gehänselt wurde, weil ich nichts „deutsches“ dabei hatte, sondern immer was vietnamesisches #MeTwo
— An (@missanphan) July 26, 2018
Meine Mama beim Schmuck-Sale in nem großen Kaufhaus, hält mehrere Schmuckstücke die ihr gefallen in der Hand – wie alle anderen (weißen) Kunden auch. Verkäuferin ruft nur ihr lautstark zu: „Sie da! Nicht einfach mitnehmen! Das müssen Sie bezahlen!“ #MeTwo
— Linh (@commedesenfants) July 26, 2018
4. klasse, es geht um weiterführende schulen. ich bin klassenbeste.
lehrerin empfiehlt hauptschule, damit ich „unter gleichgesinnten“ bin.
eltern können kaum deutsch und vertrauen lehrerin. bekannte greift zum glück ein.
5. klasse: ich bin klassenbeste auf dem gymnasium#metwo
— Miriam (@labiledeutsche) July 26, 2018
Lange Schlange an der Kasse. Ich sag zum älteren Mann hinter mir:"Sie können ruhig vor." – "Nein danke, ich habe dich lieber im Blick." #MeTwo
— Abdelkarim 🐤 (@AbdelkarimsLP) July 26, 2018
Wenn du über Immoscout freie Wohnungen kontaktierst & einfach keine Antwort bekommst, aber die deutsche Freundin bei gleichen Angeboten sofort Antworten erhält. Nach Ehe & Namensänderung hat sie auch keine Antwort mehr bekommen.
Wohnung nur dank gezahlter Maklerprovision. #metwo
— Oguz Yilmaz 🤷🏻♂️ (@oguz) July 26, 2018
Meine Mutter, die während einer Geschäftsreise in einem Hotel auf dem Flur steht und die Frau, die zu ihr kommt und sagt „sie können mein Zimmer jetzt gerne machen“ #MeTwo
— Mahret Ifeoma Kupka (@modekoerper) July 26, 2018
„gib dir keine mühe. du landest eh hinterm herd“ – mein chemielehrer in der 8. Klasse („elite“-gymi). #metwo
— duygu gezen (@duygugzn) July 26, 2018
Was zu #metwo twittern und gleich Kommentare bekommen, dass es Leuten ohne Migrationshintergrund genau so geht. Es ist absurd, ist man neidisch auf Rassismuserfahrungen? Darauf, dass die doofen Migranten was „erleben“ (LOL), was einem verwehrt bleibt?
— Melisa Erkurt (@MelisaErkurt) July 26, 2018
Fasst man alle Kommentare, die meine Familie und ich hören, zusammen, entsteht folgendes Bild asiatischer Menschen: Mathefreaks, die ein Asiarestaurant führen, wo sie Katzen und Hunde kochen. Die Kinder spielen Geige und Klavier. Den Buchstaben R kann keiner aussprechen. #MeTwo
— schwarzbärin (@schwarzbaerin) July 26, 2018
progressives leipzig:
"deine mutter ist russin?"
"ja."
"also so ne echte golddigger katalogsbraut haha?"
ich stand auf, sagte diesem kultursensiblen freigeist, dass er unlustig sei. woraufhin er mir über die köpfe der cafégäste beleidigungen hinterherrief.#metwo— Katia Sophia Ditzler (@KatiaDitzler) July 27, 2018
Wenn weiße Linke sich in der Bar, in der du Bier verkaufst am Tresen über die "Arab Boys auf der Eisenbahnstrasse" aufregen und damit Menschen wie deine Brüder meinen. #metwo
— Ronya Othmann (@OthmannRonya) July 26, 2018
Doch auch diese Postings ernten oftmals wiederum viel Unverständnis und Hass, was einige der Autoren an ihre Grenzen bringt.
Ich habe alle meine Tweets zu #metwo gelöscht. Ich kann das nicht ertragen, was es teilweise für Reaktionen gab. Wie armselig muss man sein, auf Rassismus mit Rassismus zu antworten.
— Hatice Akyün (@HaticeAkyuen) July 27, 2018
Einige User nutzen den Hashtag allerdings auch, um positive Erlebnisse zu schildern und Solidarität zu zeigen.
Schulklasse will Klassenfahrt nach Dänemark machen. Ich melde mich, sage, dass ich nicht mitkann, da ich so schnell kein Visum bekomme. Klasse entscheidet sofort still und einstimmig: Dann nicht Dänemark. (Ich liebe euch bis heute dafür!) #MeTwo
— Hasnain Kazim (@HasnainKazim) July 26, 2018
Die Klassenkameraden und Lehrer, die mich unterstützt haben. Die Freunde, die uns damals zum Ausländeramt begleitet haben. Kollegen, Mandanten und Freunde, die sich für meine Herkunft interessieren und für die es sonst egal ist, wie ich aussehe. Auch das gehört erwähnt. #MeTwo
— Obiter Dictum (@naraespapa) July 27, 2018
Meine Nachbarin aus Eritrea und ich grüßten uns im Laden. Der Verkäufer später: "Kennen Sie die?"
Ich: "Ja, das ist meine Nachbarin."
Er: "Naja, Nachbarn kann man sich nicht aussuchen.
Aber Läden kann man sich aussuchen. Hab da nie wieder eingekauft. #metwo— Stehauf-Mädchen (@JanaRennsteig) July 26, 2018
Mesut Özil hatte in seiner Rücktrittserklärung über einige seiner Kritiker geschrieben: „Diese Leute haben mein Bild mit Präsident Erdogan als eine Gelegenheit benutzt, ihre zuvor verborgenen rassistischen Tendenzen zum Ausdruck zu bringen, und das ist gefährlich für die Gesellschaft…“ Seine Begründung für den Austritt aus der DFB-Elf lautete demnach: „Mit schwerem Herzen und nach langer Überlegung werde ich wegen der jüngsten Ereignisse nicht mehr für Deutschland auf internationaler Ebene spielen, so lange ich dieses Gefühl von Rassismus und Respektlosigkeit verspüre.“