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Michaela May: "Es muss nicht immer Mord sein"

Tierliebhaber unter sich: Nicola Förg (l.) und Michaela May

Michaela May (65) hat gerade das Hörbuch für Nicola Förgs (54) neuen Krimi eingesprochen. Privat mag es die Schauspielerin allerdings weniger blutig: "Da muss nicht immer ein Mord passieren", verrät die ehemalige "Polizeiruf 110"-Kommissarin im Interview mit spot on news auf die Frage nach ihren Lesegewohnheiten. Sie lese lieber Lebensgeschichten. "Ein großer Fan bin ich von Haruki Murakami. Da geht es um Beziehungen, Schicksale, weniger um Mord."

Beruflich hat sie dagegen bekanntlich immer mal wieder mit Krimis zu tun. Der "Tatort" hat in den vergangenen Wochen nicht nur für positive Schlagzeilen gesorgt. "Von Krise würde ich nicht sprechen", meint May dazu. "Immer wenn etwas erfolgreich ist, kommen Stimmen auf, die etwas dagegen sagen. Was eher gelitten hat, ist das große Fernsehspiel. Aber auch das hält wieder Einzug, eine Weile hat man gedacht, es gibt nur noch Krimis. Dieses Genre findet eben nur im Fernsehen statt und ist daher dort so beliebt; im Kino gibt es ihn kaum. Der Krimi hat im Fernsehen auch seinen berechtigten Platz; man kann damit viele gesellschaftliche und sozialkritische Themen erzählen."

"Ein brandheißes Thema"

Das hat Nicola Förg mit ihrem neuen Krimi "Scharfe Hunde" ebenfalls gemacht: "Es geht um ein brandheißes Thema, den Welpenhandel", erklärt Hörbuchsprecherin May, die mit der Autorin auch Lesungen macht. "Mir war das vorher so nicht klar, da ich selbst keinen Hund habe. Ich war immer mehr ein Katzenmensch."

Es sei unglaublich, so die Schauspielerin weiter, "was hinter dem Handel mit den Welpen steckt: Diese schrecklichen Transporte von kleinen Hunden - das muss alle Tierliebhaber schmerzen und mir ging es nicht anders. Die Babys werden kurz nach der Geburt von der Mutter weggerissen, die können nur geschädigt sein. In den vergangenen Monaten habe ich etwas mehr auf die Berichterstattung darüber geachtet und tatsächlich gab es in den Medien einiges dazu. Leute, die Hunde über das Internet kaufen, müssen vorsichtig sein und sich informieren, von wem die Tiere wirklich kommen".

"So ein Leihmann ist nicht so unpraktisch..."

Und was gefällt May an Förgs Ermittlerinnen Irmi Mangold und Kathi Reindl? "Das war bereits das sechste Hörbuch, das ich dazu gelesen habe und ich mag die Unterschiedlichkeit der beiden: eine ältere, erfahrene, abgeklärte Kommissarin und eine jüngere, forsche Frau, die mehr voranprescht. Das ist ein gutes Paar, das es so noch nicht gibt. In den Nebenfiguren tauchen dann die Männer auf, Ur-Bayern, und die lese ich auch sehr gerne."

Die Irmi liege ihr "sehr am Herzen, weil sie eine selbstbewusste Frau ist", erzählt May. "Sie lebt mit ihrem Bruder auf einem Bauernhof und hat einen, wie ich es immer ausdrücke, Leihmann. Das finde ich eine gute Konstruktion: Dieser verheiratete Jens taucht auf, wenn sie ihn braucht. Er hilft ihr, er unterstützt sie, er tut ihr gut. Wenn sie keine Zeit hat und ihn nicht brauchen kann, kann sie aber für sich alleine sein. So ein Leihmann, den man haben kann, wenn man will, ist doch gar nicht so unpraktisch..."

"Keine Psychopathen!"

Ihre Figuren "haben ein Privatleben, aber es darf nicht so überbordend werden, dass darüber der Krimi verschütt geht", sagt die Autorin Nicola Förg zu ihren Ermittlerinnen. Der Leser soll "wirklich authentische Menschen erleben": "Sie werden älter, haben auch mal eine Krise, zweifeln - aber für mich ist es wichtig, dass sie sich dennoch ein Lächeln bewahren." Und nicht zu Psychopathen werden...

In Förgs neuem Buch gibt es auch einige Anspielungen auf TV-Krimis- und -Kommissare. "Ich erlebe beim 'Tatort'-Sehen zu oft Geschichten, die als 45-Minuten-Format vielleicht erträglich, aber auf 90 Minuten einfach definitiv zu langatmig sind", erklärt Förg. "Ich finde oft, dass das fragile Gleichgewicht zwischen einem Verbrechen und dem Privatleben der Ermittler aus der Balance geraten ist."

Was sie da wirklich unerträglich fände, seien "diese absoluten Psychopathen unter den Ermittlern", sagt sie. "Es kann doch nicht sein, dass deutsche Ermittler zwingend depressiv, schizo, drogen- und tablettensüchtig oder Alki sein müssen. Siehe Faber! Wo sind die Ermittlerpersönlichkeiten, die eine Serie auch tragen können, die man auch länger sehen will? Selbst bei den Münsteranern blättert der Lack. Ich mag Moritz Eisner und Bibi Fellner, weil Adele Neuhauser [Fellner] wirklich großartig ist!"

"Es ist Realität!"

In Förgs Krimi, der bereits die Bestsellerlisten erobert hat, verkauft eine Hundemafia die Tiere wie Waffen oder Drogen. Vor Ort fungiert eine seriöse Oma als Zwischenhändlerin. Wie nahe kommt die Geschichte der Realität? "Es ist Realität!", sagt Förg. "Hundehandel ist organisierte Bandenkriminalität und es geht um gewaltige Gewinnspannen und kaum Strafen. Um eine bedrückende Zahl in den Raum zu stellen: Die Tierschutzorganisation 'Vier Pfoten' hat errechnet: Allein 250 Hunde aus Ungarn - wir ziehen Einkaufspreis, Transportkosten und Kosten für die gefälschten Papiere mal ab - bringen 200.000 Euro für den Händler ein!"

"Und es ist schon perfide", fährt die Autorin fort: "Die Hundemafia hat dazugelernt: Die Internetanzeigen sind nicht mehr in schlechtem Deutsch verfasst. Diese Anzeigen lesen sich blumig und seriös. Es gibt nicht mehr die holländischen und belgischen Handynummern. Längst werden wirklich 'Strohverkäufer' angeworben. Nette Ehepaare, nette Omas - wie in meinem Krimi -, die angeblich aus 'liebevoller Hobbyzucht' verkaufen. Die Frage muss immer sein: Wo ist die Mama der Welpen? Kann ich öfter kommen, um mein neues Familienmitglied kennenzulernen? Habe ich die leisesten Zweifel, Hände weg! Und nicht in die Schnäppchenjäger- oder auch Mitleidsfalle tappen!"

Foto(s): Lutz Rudat