Militärexperte analysiert - Putin steckt im Nahost-Dilemma fest: „Er kann so gut wie nichts mehr machen“

Der syrische Ex-Präsident Baschar al-Assad (l), gestikuliert während eines Treffens mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin in Damaskus, Syrien, am 7. Januar 2020.<span class="copyright">Alexei Druzhinin/Sputnik Kremlin</span>
Der syrische Ex-Präsident Baschar al-Assad (l), gestikuliert während eines Treffens mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin in Damaskus, Syrien, am 7. Januar 2020.Alexei Druzhinin/Sputnik Kremlin

Der Sturz Assads in Syrien ist auch eine Niederlage Russlands. Das haben auch Trump und seine Leute erkannt und gehen deshalb verbal in die Offensive. Der Militärexperte Joachim Weber sieht einen gravierenden Machtverlust für Putin im Nahen Osten und erklärt, welches Kalkül Trump verfolgt.

Nach 13 Jahren Bürgerkrieg haben mehrere aufständische Milizen den Machthaber Baschar al-Assad in Syrien gestürzt . Der Diktator flieht aus seinem Land in die Arme Russlands, in die Arme Putins.

Die Niederlage des Assad-Regimes ist auch eine Niederlage des russischen Machthabers , der vor mehr als zwei Jahren den Krieg in der Ukraine begann. „Für Putin ist der Fall Assads ein Desaster“, sagt auch Militärexperte Joachim Weber gegenüber FOCUS online.

Diese Erkenntnis hat er jedoch nicht exklusiv. Auch das Team um den designierten US-Präsidenten Donald Trump packt die Gelegenheit, die sich mit dem Sturz des syrischen Diktators bietet, beim Schopf und erhöht den Druck auf den Kreml-Chef.

Trump nutzt Assads Sturz für Ansage an Putin

Am Sonntag nutzte Trump den Sturz des Regimes von Baschar al-Assad für eine Forderung an Putin : Russland solle den Krieg gegen die Ukraine beenden. Russland habe wegen der Ukraine jegliches Interesse an Syrien verloren, schrieb Trump auf seiner Plattform Truth Social.

WERBUNG

In dem Krieg in der Ukraine, „der nie hätte beginnen dürfen und ewig weit gehen könnte“, seien fast 600.000 russische Soldaten verwundet worden oder gestorben, sagte Trump. Er kenne „Wladimir“ gut, so Trump weiter. Jetzt sei seine Zeit zum Handeln gekommen.

Der Zeitpunkt für Trumps offensive Äußerungen zum Ukraine-Krieg und an Putin direkt gerichtet, kommt nicht von ungefähr, meint Weber. „Das zeigt, dass Trump und sein Team offenkundig ein gutes Gespür für die Schwäche der Gegenseite haben“, sagt der Experte.

Am Fortbestand des Assad-Regimes habe für Moskau sehr vieles, vor allem aber die wichtige Frage der Stützpunkte gehangen. „Die Marinebasis in Tartus, eine Stadt an der Mittelmeer-Küste in Syrien, ist für Russlands Mittelmeer- bzw. Schwarzmeer-Flotte eigentlich unentbehrlich“, sagt Weber.

Russland ist an mehreren Stellen „ganz deutlich geschwächt“

Nur hier könne man die Schiffe logistisch versorgen, weil die Türkei – gestützt auf den Montreux-Vertrag – die Durchfahrt zwischen den beiden Meeren für Kriegsschiffe 2022 gesperrt habe. „Hier und an anderer Stelle – auch Moskaus Verbündeter Iran ist sehr gerupft – ist Russland ganz deutlich geschwächt.“

WERBUNG

„Und nun kommt Trumps Vorstoß, im Januar übernimmt er das Ruder, und dann wird es Druck geben, zu einem Waffenstillstand zu kommen“, so Weber.

Trump könne den Krieg aber nur beenden, wenn beide Seiten es wollen. „Und deshalb wird schon jetzt mit der Kürzung von Hilfsgeldern gedroht.“ Bereits im Wahlkampf hatte Trump immer wieder betont, dass er die Ukraine-Hilfen „wahrscheinlich“ kürzen wird, sobald er ins Amt kommt.

Das Ziel: „So will man auf Kiew einwirken, damit die Ukraine bereit ist, auch schmerzhafte Kompromisse einzugehen“, sagt Weber. Was das bedeuten könnte? „Frieden gegen Land. Also zunächst wohl mit dem Ziel eines dauerhaften Einfrierens der Kampfhandlungen und Fronten.“

Im Detail bedeute das: Von Russland eroberte Gebiete, zum Beispiel weite Teile des Donbass, werden dabei mit Sicherheit zumindest für längere Zeit verloren gehen, erklärt der Militärexperte. „Und was in fernerer Zukunft sein wird, darüber wird die Geschichte entscheiden.“

„Achse des Widerstands“ gegen den Westen ist in Stücke gebrochen

Der Schaden für Russland durch den Sturz des Assad-Regimes ist nicht von der Hand zu weisen. Der Machtverlust in der Region wiegt für Putin schwer. „Er kann im nahöstlichen Machtpoker so gut wie nichts mehr machen. Seine Raketen und Kampfbomber braucht er dringend gegen die Ukraine“, sagt Weber.

WERBUNG

In Bezug auf die Flottenbasis in Syrien sei Putin wohl nun zum Bittsteller mutiert bei den neuen Hausherren in Damaskus. Überdies sei die ganze „Achse des Widerstands“ gegen den Westen, von der Hisbollah bis Teheran, in Stücke gebrochen und damit nicht mehr funktional.

Weber sieht in Nahost nun möglicherweise die Stunde Washingtons und Tel Avivs gekommen. „Und beide zerbomben derzeit mit Luftangriffen, was man für gefährlich hält im neuen Syrien, also IS-Kräfte und alle Rest-Strukturen des syrischen Militärs und der Rüstungsindustrien.“

Unterm Strich bedeute all das natürlich einen großen Prestige-Verlust für die Regierung in Moskau, die neben den zunehmenden wirtschaftlichen Schwierigkeiten im eigenen Land nun, für alle Welt sichtbar, in dieser Schlüsselregion deutlich an Macht und Einfluss verliert.

Erdogans Chance in Nahost

Neben den USA und Israel versucht auch Ankara, bei der Neuordnung der Machtverhältnisse in Nahost seinen Platz zu finden. Während der Einfluss Russlands schwindet, hat der türkische Präsident Erdogan hingegen die Rebellen in Syrien unterstützt. Das Ende Assads bringt ihn jetzt in eine wichtige Position.

WERBUNG

Die zwei Hauptziele Erdogans in Syrien scheinen nach dem Fall Assads in greifbarer Nähe: eine Rückkehr geflüchteter Syrer sowie die Schwächung kurdischer Milizen und der umstrittenen kurdischen Autonomieregion im Nordosten Syriens.

Russland war, neben dem Iran, eine der dominierenden Mächte in Syrien. Jetzt könnte sich eine Veränderung der Machtverhältnisse vollziehen, möglicherweise in die Richtung der Türkei.