Militärexperte analysiert - Putins Syrien-Blamage: „Wenn ich Scholz wäre, würde ich ihn nicht mehr fürchten“
Der Sturz Assads und der Ukraine-Krieg setzen Russland unter Druck. Der Schweizer Militärexperte Albert Stahel erklärt, warum Putin geschwächt ist, Trump eine klare Strategie verfolgt – und wieso der Kremlchef weltweit an Glaubwürdigkeit verliert.
Die geopolitische Lage hat sich für Kremlchef Wladimir Putin dramatisch verschärft: Der Kollaps des syrischen Regimes unter Bashar al-Assad bringt Russland in Bedrängnis, und auch der Ukraine-Krieg fordert weiter Tribut. Der Schweizer Militärexperte Albert Stahel analysiert für FOCUS online die Folgen und erklärt, warum er Putin aktuell für geschwächt hält.
Donald Trump , der designierte US-Präsident, hat nach dem Umsturz in Syrien Kremlchef Putin aufgefordert, den Krieg in der Ukraine zu beenden. „Ich kenne Wladimir gut. Jetzt ist seine Zeit zum Handeln gekommen. China kann helfen. Die Welt wartet!“, mahnte Trump. Weiter forderte er eine „unverzügliche Waffenruhe“ und appellierte an Kiew und Moskau, Verhandlungen aufzunehmen.
Syrien-Kollaps spielte bei Trump-Ansage Schlüsselrolle
Doch warum hat Trump ausgerechnet diesen Zeitpunkt gewählt?
Stahel sieht eine klare Strategie: „Trump will vor seiner Amtseinsetzung Tabula rasa machen, was die geopolitischen Konflikte betrifft, die die USA betreffen. Sein Fokus liegt darauf, die Bühne frei zu machen für Themen wie Migration, China, Energie, Zölle und Steuern.“
Der Syrien-Kollaps habe dabei eine Schlüsselrolle gespielt: „Trump hat das Regime von Putin bereits als geschwächt bezeichnet – wenn auch verklausuliert. Mit der Niederlage in Syrien hat Russland einen totalen Gesichtsverlust erlitten.“
„Mit der Niederlage in Syrien hat Russland totalen Gesichtsverlust erlitten“
Für Stahel steht fest, dass Russland durch den Sturz Assads und die anhaltenden Konflikte in der Ukraine in eine prekäre Lage geraten ist: „Das Regime von Putin ist geschwächt: durch die Wirtschaftssanktionen, die Verluste im Ukraine-Krieg und jetzt das Debakel in Syrien. Wenn ich Scholz wäre, dann würde ich Putin nicht mehr fürchten.“
Die Ankündigung Trumps, die Ukraine-Hilfe „wahrscheinlich“ zu kürzen, sei indes mit Vorsicht zu genießen. „Das ist eine bewusste Strategie. Trump will die Drohung an Putin, dass die USA die Ukraine massiv aufrüsten könnten, wenn es zu keinem Waffenstillstand kommt, abschwächen. Es ist ein taktisches Manöver.“
Syrien – ein verlorenes Kapitel für Putin
Mit Blick auf die Folgen des Syrien-Kollapses für Russland zeigt sich Stahel deutlich: „Syrien ist für Putin verloren. Sein Regime kann in diesem Konflikt nur noch Kanonenfutter produzieren.“
Das US-Institut für Kriegsstudien (ISW) sieht durch den plötzlichen Sturz des von Russland unterstützten syrischen Machthabers auch die Glaubwürdigkeit von Putin bei dessen Verbündeten erschüttert. Putin habe autoritäre Machthaber in verschiedenen Ländern vor Protesten gegen ihre Herrschaft geschützt, um sein Ziel einer „multipolaren Weltordnung“ mithilfe ausländischer Partner zu befördern und die Vormachtstellung der USA zu untergraben, schreibt das Institut in einer aktuellen Lageeinschätzung.
„Russlands Unfähigkeit oder bewusster Verzicht darauf, Assads Regime trotz des schnellen Vorrückens der Oppositionskräfte im ganzen Land zu stärken, wird auch Russlands Glaubwürdigkeit als verlässlicher und effektiver Sicherheitspartner in der ganzen Welt beschädigen“, heißt es in der Analyse. „Das wiederum wird negative Folgen für Putins Fähigkeit haben, weltweite Unterstützung für sein Wunschziel einer multipolaren Weltordnung zu sammeln.“
Russische Militärblogger sprechen von „weiterem Versagen der russischen Außenpolitik“
Russland will nach der Entmachtung von Assad seine Militärbasen in Syrien zwar vorerst behalten und mit der künftigen Führung deren Verbleib besprechen. Doch gleichzeitig räumte Kremlsprecher Dmitri Peskow ein, dass die Ereignisse auch Russland erstaunt hätten.
Seit 2015 hat Kremlchef Putin das Assad-Regime in Syrien militärisch unterstützt, um Russlands geopolitische Interessen in der Region zu sichern. Dazu zählen der Hafen von Tartus, der einzige russische Marinestützpunkt am Mittelmeer, sowie die strategisch bedeutende Luftwaffenbasis Khmeimim. Gleichzeitig diente Syrien Moskau als Plattform, um seinen Einfluss im Nahen Osten gezielt auszubauen.
Laut dem ISW äußern sich auch ultranationalistische Militärblogger in Russland kritisch, von denen viele entweder selbst am Syrienkrieg teilgenommen oder darüber berichtet haben. Sie zeigen sich verärgert über den Sturz des Assad-Regimes und bezeichnen ihn als „ein weiteres Versagen der russischen Außenpolitik, strategisch wichtige Einflussgebiete zu sichern und zu halten“.