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EU-Staaten: Eine Million Artilleriegeschosse für die Ukraine

Brüssel (dpa) - Die EU will der Ukraine in den kommenden zwölf Monaten eine Million neue Artilleriegeschosse für den Kampf gegen Russland liefern. Die Außen- und Verteidigungsminister der Mitgliedstaaten billigten entsprechende Pläne in Brüssel, wie der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell nach gemeinsamen Beratungen erklärte. Sie sollen Engpässe der ukrainischen Streitkräfte verhindern und sie in die Lage versetzen, neue Offensiven gegen die Angreifer aus Russland starten zu können.

Um die Kosten für die neue Munition möglichst gerecht zu verteilen, werden den Planungen zufolge zwei Milliarden Euro an EU-Mitteln mobilisiert. Das Geld soll aus der sogenannten Friedensfazilität (EFF) kommen. Dabei handelt es sich um ein Finanzierungsinstrument, über das die EU bereits heute Waffen und Ausrüstung liefert sowie die Ausbildung der ukrainischen Streitkräfte fördert.

Pistorius: «Wir bündeln damit Europas Marktmacht»

Nach Angaben von Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius soll die zusätzliche Munition über bestehende nationale Rahmenverträge, aber auch über ein neues europäisches Beschaffungsprojekt der Europäischen Verteidigungsagentur (EDA) gekauft werden. «Wir bündeln damit Europas Marktmacht», sagte der SPD-Politiker. «Das hat es in der Form noch nicht gegeben.»

Wie die EDA mitteilte, sollen über ein Schnellverfahren zwei Jahre lang Artilleriegeschosse im Kaliber 155 mm gekauft werden. Ein auf sieben Jahre angelegtes Projekt wird zudem auch die gemeinsame Beschaffung von anderen Munitionstypen ermöglichen. Neben Pistorius unterzeichneten noch Vertreter aus 16 weiteren EU-Staaten sowie aus Norwegen eine entsprechende Vereinbarung. Weitere Staaten wollen sich nach EU-Angaben anschließen.

Hintergrund der EU-Planungen sind Sorgen, dass der Ukraine in der nächsten Zeit wichtige Munition fehlen könnte. Verteidigungsminister Olexij Resnikow hatte Anfang März gesagt, sein Land benötige dringend eine Million Artilleriegeschosse. Den Finanzbedarf bezifferte er auf vier Milliarden Euro.

Kosten werden teilweise aus EU-Mitteln erstattet

Um das Lieferziel zu erreichen, werden nach Angaben von Diplomaten vermutlich nur Kosten in Höhe von 50 bis 60 Prozent aus EU-Mitteln erstattet. Zunächst war eine Quote von bis zu 90 Prozent im Gespräch. Von den zwei Milliarden Euro an EU-Mitteln soll eine Milliarde für Rückerstattungen an jene Mitgliedstaaten genutzt werden, die zügig aus eigenen Beständen an die Ukraine liefern. Die zweite Milliarde soll gemeinsame Beschaffungsprojekte voranbringen. Die Idee ist, dass durch Sammelbestellungen Preise gedrückt und Bestellungen beschleunigt werden.

«Ich gehe davon aus, dass die Produktionskapazitäten jetzt schnell erhöht werden», sagte Pistorius auf die Frage, ob er denke, dass die Rüstungsindustrie nun genug Planungssicherheit habe. Wie viel Munition über bereits bestehende deutsche Rahmenverträge mit der Industrie beschafft werden könnte, wollte der SPD-Politiker nicht beziffern. Seinen Angaben zufolge sollen bis Ende März entsprechende Angebote der Industrie vorliegen, an denen sich dann auch andere Staaten beteiligen könnten. «Die ersten Partner, die Interesse haben einzusteigen, sind Dänemark und die Niederlande», sagte er.

Europäische Produktion könnte deutlich erhöht werden

Die russischen Streitkräfte feuern nach Zahlen aus einem Hintergrundpapier der Regierung Estlands durchschnittlich zwischen 600.000 und 1,8 Millionen Schuss Artilleriemunition pro Monat ab, die Ukraine hingegen nur 60.000 bis 210.000 Schuss. Die aktuelle Produktionskapazität der europäischen Verteidigungsindustrie liegt den Angaben zufolge derzeit bei 20.000 bis 25.000 Schuss pro Monat. Möglich wäre eine Ausweitung auf 175.000 Schuss.

Um die Finanzierung weiter Munition und Waffen für die Ukraine zu ermöglichen, soll nach Angaben des EU-Außenbeauftragten geprüft werden, den Finanzrahmen der Europäischen Friedensfazilität zügig um weitere 3,5 Milliarden Euro (zu Preisen von 2018) zu erhöhen. Er war erst vor wenigen Tagen um zwei Milliarden Euro angehoben. An die Inflation angepasst umfasste die EFF damit zuletzt fast acht Milliarden Euro.