„Millionenfach abschieben“ - Im Rausch der Brandenburger Wahlparty zeigt sich die hässliche Fratze der AfD
Auf ihrer Wahlparty in Brandenburg hat die AfD ganz offen ihr radikales Gesicht gezeigt. Nimmt man die Forderungen ernst, gehen diese über bekannte Positionen noch einmal hinaus. Doch selbst unter den eigenen Anhängern schmeckt das nicht allen.
Die Brandenburger AfD hat sich im Wahlkampf wenig Mühe gegeben hat, ihr radikales Gesicht zu verbergen. Spitzenkandidat Hans-Christoph Berndt forderte nach dem Anschlag in Solingen ein Betretungsverbot öffentlicher Veranstaltungen für Flüchtlinge. Und die Landtagsabgeordnete Lena Kotré verteilte an ihrem Wahlkampfstand sogenannte Kubotans, die letztlich nichts anderes sind als Stichwaffen. Damit sollten sich die Brandenburger laut der AfD-Politikerin gegen angeblich „tagtägliche Messerangriffe und Schlägereien“ wehren.
Nachdem der ersten Prognose am Sonntagabend gab es für die AfD-Anhänger auf ihrer Wahlparty dann gar kein Halten mehr. Aus den Lautsprechern dröhnte der sogenannte „Abschiebe-Song“, ein mit Künstlicher Intelligenz generierter Hit. Zur Melodie von „Das geht ab“ der Partyband „Die Atzen“ heißt es in der Version der Rechten: „Hey, jetzt geht’s ab, wir schieben sie alle ab, sie alle ab!“
AfD-Anhänger will „millionenfach abschieben“
Die Enttäuschung über die Wahlniederlage gegen die SPD feierten vor allem Mitglieder der Jungen Alternative (JA) mit dem Song einfach weg: „Das ist JA-Musik, bei uns brennt jeder Club. Es wird gefeiert wie noch nie, schmeißt die Hände in die Luft“, hallte es durch den Außenbereich des Landgasthofs „Zum Alten Krug“ in Potsdam, wie auf Videos zu hören ist.
Passend zum Liedtext hielt einer der Feiernden ein Plakat mit dem Schriftzug „Millionenfach abschieben“ in die Luft. Zunächst wirkt das wie die Wiederholung von altbekannten Forderungen. Doch auf den zweiten Blick wird klar, was der Träger des Plakats ausdrücken wollte.
Nur ein Bruchteil der Flüchtlinge ist ausreisepflichtig
In Deutschland sind derzeit knapp 45.000 Flüchtlinge ausreisepflichtig – die Zahl ist weit entfernt von einer Million. Außerdem verkennt die Abschiebe-Forderung, dass Rückführungen nicht nur am politischen Willen in Deutschland scheitern. Viele Abschiebungen scheitern, weil Gerichte sie untersagen. Zudem braucht es bei jeder Abschiebung einen Staat, der die Person aufnimmt. Deutschland hat 2023 mehr als 70.000 Anfragen zur Überstellung in andere EU-Staaten gestartet. Aber nur in rund 5000 Fällen kam es schließlich auch dazu, weil die Länder abblockten oder die Hürden zu hoch setzten.
Nimmt man die Zahl der Abschiebungen aus Deutschland in den vergangenen zehn Jahren zusammen, kommt man deshalb auf nur knapp 179.000 rückgeführte Flüchtlinge. Diese Zahl lässt sich sicher erhöhen, wie viele Politiker nicht nur der AfD fordern. Doch weil nie alle Abschiebe-Hürden von Deutschland alleine aus dem Weg zu räumen sind, würde es Jahrzehnte dauern, bis die geforderte „millionenfache Abschiebung“ zusammenkäme.
Das Plakat bringt also ein Thema auf den Tisch, das erstmals durch ein Treffen wenige Kilometer vom „Alten Krug“ entfernt größere Beachtung gefunden hat: Im Haus Adlon hatten im vergangenen Dezember AfD-Funktionäre und andere Rechte konspirativ zusammengefunden, um über die sogenannte Remigration zu sprechen.
Remigrationsfantasien würden wohl alle Flüchtlinge in Deutschland treffen
Die AfD dementierte weite Teile der Berichterstattung der Rechercheplattform „Correctiv“ und sprach von einer „Deportationslüge“. Doch das Plakat auf der Wahlparty zeigt nun, dass einige in der Partei offenbar doch noch breiter abschieben wollen, als behauptet. In Deutschland leben derzeit 3,48 Millionen Flüchtlinge, etwas mehr als eine Million davon stammt aus der Ukraine. Die Abschiebung mehrerer Millionen Menschen wäre also gleichbedeutend mit einer vollständigen Rückführung aller Flüchtlinge aus Deutschland.
Das würde also auch diejenigen treffen, die einen anerkannten Schutzstatus haben, Deutsch sprechen, eine Arbeit haben, bestens integriert sind. Möglicherweise wären die Abschiebe-Fantasien damit immer noch nicht beendet. Selbst deutsche Staatsangehörige mit Migrationshintergrund könnten nach dieser Logik den Abschiebe-Fantasien zum Opfer fallen. Klar ist aber: Die AfD-Bundesspitze hat solche Interpretationen und Vorwürfe in den vergangenen Monaten immer wieder dementiert.
Viele AfD-Wähler teilen nicht die Flüchtlings-Forderung des Spitzenkandidaten
Solcherlei Gedankenspiele mögen in dem vom Verfassungsschutz als rechtsextremistischen Verdachtsfall eingestuften Brandenburger Landesverband auf Begeisterung stoßen – der AfD könnten sie letztlich aber den Wahlsieg gekostet haben.
Der Vorschlag von Spitzenkandidat Berndt, Flüchtlinge nicht mehr auf öffentliche Veranstaltungen zu lassen, hat laut der Nachwahlbefragung von Infratest dimap nur bei 30 Prozent der AfD-Wähler Unterstützung gefunden. Und nur zehn Prozent sprechen sich für ein Remigrations-Vorgehen aus, bei dem auch Migranten, die schon lange hier arbeiten und einen deutschen Pass haben, das Land verlassen sollen.
AfD beruft Teilnehmer des Remigrationstreffens als Experten
Gut möglich, dass der radikale Kurs die entscheidenden Stimmen gekostet hat. Wer für einen strikteren Migrationskurs ist, aber nicht einer rechtsextremen Partei die Stimme geben wollte, konnte in Brandenburg einfach das BSW wählen. Rund 16.000 Stimmen verlor die AfD an die Wagenknecht-Partei im Vergleich zur Landtagswahl 2019.
Dass die AfD dennoch wenig Distanz zu Remigrationsideen halten wird, zeigt sich schon am Montag nach der Wahl: Dann nämlich werden im Bundestag Experten zum von der Ampel geplanten Sicherheitspaket angehört. Die AfD hat Ulrich Vosgerau dafür berufen – der laut„Correctiv“ an dem Potsdamer Remigrationstreffen teilgenommen hat.