Minderjährige angeblich mit Waffen bedroht - Junge Flüchtlinge gefesselt? Polizeieinsatz in NRW-Asylheim sorgt für Wirbel

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Polizeibeamte stehen an einem Gebäude, das durchsucht wird. (Symbolbild)picture alliance/dpa

Ein Polizeieinsatz in einem Heim für minderjährige Flüchtlinge in NRW sorgt derzeit für Wirbel. Während Hilfsorganisationen von „rassistischer Polizeigewalt“ sprechen, rechtfertigt die Polizei die Härte des Einsatzes mit einem einem ganz besonderen Verdacht.

Bei dem betroffenen Heim handelt es sich um eine Einrichtung in der Geulenstraße in Neuss in NRW, in der 18 sogenannte unbegleitet reisende Flüchtlinge untergebracht sind. Einem Bericht der „Rheinischen Post“ zufolge war der Einsatz am 8. März vom Landeskriminalamt (LKA) Baden-Württemberg gesteuert worden. Das LKA aus NRW habe die Kräfte bei der Durchsuchung unterstützt.

Wirbel um Polizeieinsatz in Asylheim: Vermummt eingedrungen mit gezogenen Waffen?

Insgesamt acht Organisationen haben nun in einer gemeinsamen Mitteilung schwere Vorwürfe gegen die Polizei erhoben, aus der das Regionalblatt zitiert. Demzufolge seien „teils vermummte Polizisten“ in die Einrichtung offenbar mit gezogenen Waffen eingedrungen, hätten vereinzelt Bewohner gefesselt „und umgingen dabei mehrere rechtsstaatliche Vorgaben“. Die Jugendlichen seien dabei von den Einsatzkräften „nicht über ihre Rechte oder das Vorgehen aufgeklärt“ worden.

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Zudem seien bei dem Einsatz weder ein Dolmetscher noch ein rechtlicher Beistand hinzugezogen worden. Die Organisationen sprechen von „rassistischer Polizeigewalt“ und einer „Retraumatisierung von Geflüchteten“.

Mitarbeiter spricht von „Symptomen einer Retraumatisierung“

Namentlich erhebt ein Mitarbeiter vom „Sozialdienst Katholischer Männer“ (SKM) Vorwürfe gegen die Polizisten. „Spätestens, als einer der Betroffenen klar zum Ausdruck brachte, minderjährig zu sein und seine Betreuer anrufen zu wollen, wäre eine andere Reaktion seitens des Staatsorgans zwingend erforderlich gewesen", wird Thomas Klein zitiert.

Der „Neukirchener Erziehungsverein“ aus Neukirchen-Vluyn konstatierte als Träger des Flüchtlingsheims gegenüber der „Rheinischen Post“ (RP), dass Jugendliche nach dem Einsatz „Angst“ und „Symptome einer Retraumatisierung zu Erlebtem während der Flucht“ gezeigt hätten. Ein Mitarbeiter des Heims berichtete zudem, dass bei der Durchsuchung des Hauses Bewohner offenbar mit Waffen in Schach gehalten worden sein sollen.

Person aus terroristischem Umfeld gesucht

Grund für den Einsatz soll die Suche nach einer Person gewesen sein, die im Verdacht steht, Mitglied einer „ausländischen terroristischen Vereinigung“ zu sein. Dies teilte die Generalbundesanwaltschaft auf Anfrage der RP mit. Die gesuchte Person, gegen die ein Ermittlungsverfahren laufe, solle sich „zumindest zeitweilig“ in dem Neusser Flüchtlingsheim aufgehalten haben. Für den Einsatz habe ein Durchsuchungsbeschluss vorgelegen.

So rechtfertigt das LKA den Einsatz

Zu den Vorwürfen und Beobachtungen befragt, habe das LKA Baden-Württemberg inzwischen bestätigt, dass es aufgrund eines „möglichen terroristischen Hintergrunds“ bei derartigen Einsätzen „üblich“ sei, zum Schutz der Einsatzkräfte vermummt und auch mit gezogener Waffe vorzugehen.

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Nach Angaben des LKA-Sprechers Jürgen Glodek diene ein derartiges Vorgehen dazu, eine sogenannte „statische Lage“ verdächtiger Personen in dem Gebäude zu erzeugen. Dabei könnten vereinzelt auch Personen mit Handfesseln fixiert werden - „um die Beamten, aber auch andere Personen im Raum zu schützen“, wird Glodek zitiert.

Vorwürfe von Organisationen zurückgewiesen

Der LKA-Sprecher habe jedoch bestritten, dass keine Dolmetscher involviert gewesen seien. Diese hätten hingegen telefonisch „auf Abruf“ bereitgestanden. Aufgrund einer „möglichen Verständigung auf Deutsch“ seien die Beamten jedoch auch allein klargekommen. Zudem habe man versucht, Betreuer hinzuzuziehen, allerdings hätte man diese nicht erreicht.

Scharfe Kritik übte hingegen auch das „Komitee für Grundrechte und Demokratie“. Eine Demokratie bemesse sich immer daran, wie sie mit Personen umgehe, die als besonders schutzwürdig gelten würden. „Dass eine gezogene Waffe und polizeiliche Gewalt gegenüber Kindern die Mittel der Wahl sind, macht mich schlicht fassungslos“, erklärte eine Mitarbeiterin des Komitees.

Konsequenzen gefordert, ohne sie zu benennen

Der Neukirchener Erziehungsverein habe nach dem Vorfall vom 8. März „eine ganze Reihe von Maßnahmen“ zum Schutz der Jugendlichen ergriffen. Unter anderem sei ihnen bei einer Schutzorganisation psychologisch-therapeutische Hilfestellung angeboten worden.

Die acht Unterzeichner der Pressemitteilung, in der der Polizeieinsatz kritisiert wird, forderte „Aufarbeitung und Konsequenzen“. Welche Konsequenzen dies seien sollen, sei jedoch nicht näher erläutert worden.