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Gegenwind für GroKo im Bundestag: «Selbstbedienungsladen»

«Jedem von uns muss es gut gehen», betonte Scholz - nicht nur dem Land an sich. Foto: Wolfgang Kumm
«Jedem von uns muss es gut gehen», betonte Scholz - nicht nur dem Land an sich. Foto: Wolfgang Kumm

Die große Koalition ist auch groß beim Stellenzuwachs - das sorgt für heftige Kritik bei der ersten Regierungserklärung des Vizekanzlers und Finanzministers. Der verspricht mehr als die «Schwarze Null».

Berlin (dpa) - Die Schaffung von 209 zusätzlichen Stellen im Regierungsapparat von Union und SPD hat zu scharfer Kritik im Bundestag geführt.

Diese Koalition sei eine teure Veranstaltung, «auf Kosten der Bürgerinnen und Bürger, sagte die Grünen-Haushaltsexpertin Anja Hajduk in einer Antwort auf die erste Regierungserklärung des neuen Finanzministers Olaf Scholz (SPD) am Donnerstag im Parlament. Die Koalition agiere wie ein «Selbstbedienungsladen». Auch von AfD, FDP und Linken kam scharfe Kritik. Allein 98 Stellen entstehen bei dem um den Bereich «Heimat» erweiterten Innenministerium von Horst Seehofer (CSU); 41 Stellen in dem von Scholz geführten Finanzministerium.

Der Haushaltsausschuss hatte die Stellen mit der Mehrheit der großen Koalition abgesegnet. Scholz ging mit keinem Wort auf den Stellenzuwachs ein, bekannte sich aber klar zum Ziel eines Haushalts ohne neue Schulden. «Die "Schwarze Null" ist deshalb zu Recht Gegenstand des Koalitionsvertrags.»

Das Defizit solle weiter verringert werden. Scholz hat dafür den Architekten der «Schwarzen Null», Werner Gatzer (SPD), zurückgeholt. Er war seit Anfang des Jahres als Chef der Bahnhofssparte bei der Deutschen Bahn tätig und hatte zuvor schon von 2005 bis 2017 als Haushalts-Staatssekretär in dem Ministerium gearbeitet, darunter auch für Scholz' CDU-Vorgänger Wolfgang Schäuble. Die «Schwarze Null» wurde unter seiner Führung 2014 erstmals seit 45 Jahren geschafft.

Scholz betonte, die von Union und SPD geplanten Zusatzausgaben von 46 Milliarden Euro bis 2021 seien ein Programm für die Zukunftsfähigkeit und den sozialen Zusammenhalt. Der Ausbau der Ganztagsangebote an Kitas und verstärkt an Grundschulen diene auch dem Ziel, durch bessere Bildung und Ausbildung den Fachkräftemangel zu bekämpfen.

Zudem betonte Scholz, die Renten würden stabilisiert, ein Baukindergeld solle Familien helfen, die bauen oder Eigentum erwerben wollen. Der Bund habe angesichts der guten Konjunktur hohe Einnahmen, «die uns viele Möglichkeiten verschaffen». «Jedem von uns muss es gut gehen», betonte Scholz - nicht nur dem Land an sich.

Der AfD-Politiker Peter Boehringer warnte Scholz davor, mehr Geld für Europa bereitzustellen. Das beste Rezept gegen neue Schulden sei, reinen Tisch bei der Eurorettungspolitik zu machen. «Noch mehr EU-Europa, das ist unverantwortlich», sagte der Vorsitzende des Haushaltsausschusses. Es gebe längst eine Vergemeinschaftung von Schulden - deutsche Spareinlagen dürften nicht in Haftung für «Zombie-Banken» genommen werden.

Der stellvertretende FDP-Fraktionschef Christian Dürr warf Scholz und der SPD Doppelzüngigkeit in der Personalpolitik vor, weil Scholz den bisherigen Deutschland-Co-Chef von Goldman Sachs, den Investmentbanker Jörg Kukies (50), zu einem seiner vier Staatssekretäre mit Zuständigkeit für Europathemen und Finanzmärkte machen will.

Der Linken-Abgeordnete Fabio de Masi sagte, es sei berechtigt, die Frage zu stellen, ob er den Interessen der Bundesregierung oder seiner Branche dienen werde. Kukies ist SPD-Mitglied. Das Ministerium hatte betont, es sei ein gutes Zeichen, dass jemand aus der Privatwirtschaft bereit sei, in den öffentlichen Sektor zu wechseln und Verantwortung zu übernehmen.

Der CDU-Politiker Ralph Brinkhaus forderte eine stärkere Besteuerung von Internetkonzernen, die in Deutschland hohe Gewinne abschöpfen. «Die digitale Welt wird nicht mehr durch das Steuerrecht abgebildet, das passt noch für den Maschinenbauer aus Ostwestfalen.» Mehr Steuergerechtigkeit stärke den Mittelstand. Zudem plane die Koalition eine Entlastung beim bürokratischen Aufwand für Steuererklärungen. «Bierdeckel war gut - aber Bierdeckel war 90er», so Brinkhaus. Der heutige Bierdeckel sei die Verknüpfung von Daten. Mit vorausgefüllten Steuererklärungen sollen die Bürger deutlich Zeit sparen können.