"Mir ist egal, wem mein Essen schmeckt"

"Die Foodtruckerin' fährt seit vier Wochen nicht mehr durch die Gegend": Auch das Geschäftsmodell der aus dem Fernsehen bekannten Köchin Felicitas Then ist schwer von der Corona-Krise betroffen. Doch anstatt zu klagen, kocht sie jetzt für Bedürftige und Obdachlose.

Dass die Not dieser Zeit erfinderisch macht, hat sich herumgesprochen. Aber macht uns der von der Corona-Pandemie aufgezwungene kollektive Ausnahmezustand auch solidarischer? Denken wir jetzt ein bisschen mehr auch an die anderen? - Die Fernsehköchin Felicitas Then, bekannt geworden unter anderem als "Die Foodtruckerin" auf Welt (früher N24), will fest daran glauben. Und da die ehemalige Gewinnerin der SAT.1-Kochshow "The Taste" nach eigenem Bekunden schon immer die Dinge gerne selbst in die Hand nimmt, hat sie die Ärmel hochgekrempelt und eine Idee umgesetzt, die in ihrer Wahlheimat Berlin gerade mächtig Furore macht: Unter dem Motto "Suppe gegen Sorgen!" kochte die Foodbloggerin Ende März größer auf denn je: Die 33-Jährige verteilte in Neukölln über 100 Liter Bohneneintopf für 200 Bedürftige, vor allem Obdachlose. "Ich habe im Moment mehr Zeit, als mir lieb ist ... Also warum diese nicht gemeinnützig verbringen", erklärt sie im Interview über ein Engagement, das hoffentlich Schule macht und gewiss exemplarisch ist für viele andere freiwillige Helfer. Sie selbst hat bereits über 1.000 kostenlose Mahlzeiten verteilt und denkt gar nicht daran, aufzuhören. Fragt da jemand nach dem Warum? - "Weil es mich glücklich macht", lautet Felicitas Thens Antwort.

teleschau: Frau Then, die Folgen der Corona-Pandemie betreffen jeden von uns. Wie hat sich der Alltag der Foodtruckerin in den letzten Wochen verändert?

Felicitas Then: Tja, eigentlich sollte ich jetzt auf Mallorca sein und drehen ... Aber die Foodtruckerin fährt seit vier Wochen nicht mehr durch die Gegend. Mir sind alle Projekte und Werbekooperationen, die nicht rein Online-basiert sind, weggebrochen. Da ich vor allem von Events, Reisereportagen und TV-Engagements lebe, ist es gerade keine leichte Zeit. Aber das ist es für niemanden.

teleschau: Machen Sie sich schon existenzielle Sorgen?

Then: Eigentlich nicht. Ich bin einfach nicht der Sorgen-Typ. Freunde sagten mir; "Wenn jemand unbeschadet aus dieser Krise kommt und noch etwas Positives rauszieht, dann bist du das, Feli!"

teleschau: Also ist es auch eine Charakterfrage?

Then: Zum Teil bestimmt. Ich stecke den Kopf nicht in den Sand, grüble nie lange herum, sondern sehe jedes Problem auch als Chance. Ich denke gerne um und versuche immer, alles so hinzudrehen, dass es schon irgendwie passt. Aber ich will das jetzt auch nicht schöner reden, als es ist: Ich dachte, 2020 wird mein Jahr - und das wird es jetzt definitiv nicht. Es geht ans Eingemachte. Und wer weiß schon, was noch alles kommt!

teleschau: Wie sind Sie auf die Idee von "Suppe gegen Sorgen!" gekommen?

Then: In meinem Kiez, am Richardplatz in Neukölln, gibt es einen Gabenzaun, an dem die Leute Spenden für Bedürftige ablegen können. Irgendwann im März bin ich da vorbeigelaufen und erschrocken: Außer ein paar gammeligen Äpfeln und Schokoriegeln war da nichts - ein trauriger Anblick. Da kam es mir: Ich habe einen Foodtruck - und ich habe im Moment mehr Zeit als mir lieb ist ... Also warum diese nicht gemeinnützig verbringen.

teleschau: Wie ging es weiter?

Then: Ich habe direkt bei der Bezirksverwaltung angerufen und hatte Riesenglück: Der Mann am anderen Ende der Leitung outete sich als großer Fan und hat alle Hebel in Bewegung gesetzt, dass wir das auf die Beine stellen können. Unproblematisch ist ja auch das Helfen momentan wegen der Corona-Bestimmungen ganz und gar nicht.

teleschau: Worauf galt es insbesondere zu achten?

Then: Dass nicht zu viele Menschen auf einmal da sind, dass es keine Gruppenansammlungen gibt und alle den Sicherheitsabstand einhalten, dass wir nur höchstens zu zweit im Foodtruck sind und Mundschutz tragen und hinter einer Plexiglasscheibe stehen. Dann mussten wir noch einen Lebensmittelsponsor und Kooperationseinrichtungen finden, die wir ansteuern konnten, um mit der Essensausgabe loszulegen. Das war am Anfang auch nicht einfach, denn berechtigterweise machen sich die verschiedenen Häuser und Anlaufstellen für Menschen in sozialer Not auch gerade mächtige Sorgen wegen der Corona-Pandemie. Die müssen genau auf die Auflagen achten. Aber es hat sich eingeschwungen. Wir waren bisher jede Woche mindestens zweimal an verschiedenen Orten draußen, es wird großartig angenommen.

"Die haben wahrlich genug Sorgen"

teleschau: Wie war die Resonanz?

Then: Unglaublich. Ehrlich: Das, was ich da erleben darf, macht mich glücklich. Ich bin einfach ein Mensch, der vom Kontakt mit anderen lebt, ich muss interagieren, deswegen wurde ich Köchin von Beruf - weil ich das Feedback brauche. Ich koche praktisch jeden Tag für andere. Auch das steckt ja hinter der Idee: dass ich nicht daheim in meiner Küche oder am Rechner vereinsamen will (lacht). Mir ist es egal, wer mir sagt, dass ihm mein Essen schmeckt. Manche haben gleich zwei oder drei Portionen Eintopf gegessen. Was mich besonders freut: Viele kommen, um Essen für andere mitzunehmen - etwa für den Zimmernachbarn, der gerade nicht aufstehen kann. Ist in Ordnung. Der muss ja auch was essen.

teleschau: Wie blickt Ihre neue Kundschaft auf die Corona-Krise?

Then: Schon etwas anders als die Allermeisten von uns. Man darf nicht vergessen: Diese Leute hängen nicht den ganzen Tag am Nachrichtenticker, sie schauen auch keine Talkshows. Die wundern sich eher über die Maßnahmen, sagen sich: "Was kümmert mich das?" Ansonsten sind sie froh, wenn sie mal etwas richtig Leckeres zu Essen kriegen. Von der allgemeinen Aufregung spüre ich im Umgang mit diesen Menschen wenig - was vielleicht auch gut so ist. Die haben wahrlich genug Sorgen in ihrem Leben. Ein bisschen was, finde ich, können wir von ihnen sogar lernen.

teleschau: Nämlich?

Then: Die Solidarität. Diese Leute haben nichts, aber wenn sie etwas in die Hände bekommen, teilen sie es sofort mit anderen - ist jedenfalls meine Erfahrung bisher. In der ein oder anderen Einrichtung habe ich jetzt sogar schon ein paar Kumpels. Wobei nicht jeder Platz gleich ist - je nach Kiez ist der Ton natürlich auch mal etwas rauer. Aber ich kann das ab.

"Macht mich schon ein bisschen stolz"

teleschau: Was Sie da tun, ist auch eine Form der Sozialarbeit ...

Then: Ja, durchaus. Aber es ist ein vergleichsweise bescheidener Beitrag im Vergleich zu all den stillen Helfern, die das schon seit Jahren machen, ohne dass die Öffentlichkeit viel mitbekommt. Ich habe zuletzt so viele coole Menschen kennengelernt, die sich selbstlos engagieren. Was mich besonders freut, ist, dass ich mit meiner Bekanntheit eine gewisse Reichweite habe - ich bekomme immer mehr Anfragen von Leuten oder Firmen, die auch etwas beitragen wollen: Supermärkte spenden Lebensmittel, mein Bäcker steuert die Brötchen gratis bei. Solche Sachen ... Das macht mich schon ein bisschen stolz und glücklich.

teleschau: Wie lange wollen Sie weitermachen?

Then: Noch sehr lange! "Suppe gegen Sorgen" wird es auch nach Corona geben - zumindest einmal im Monat, habe ich mir fest vorgenommen. Für bestimmte Veranstaltungen - Weihnachtsfeiern in Obdachlosenheimen beispielsweise - habe ich auch schon zugesagt, sofern das bis dahin überhaupt gehen sollte. Ich will, dass dieses Engagement ein Teil meiner Arbeit bleibt.

(In der Welt-Mediathek ist jetzt unter dem Titel "Die Foodtruckerin - Kochen in der Krise" eine Spezialausgabe des Formats mit Felicitas Then abrufbar, sie selbst sorgt unter anderem auf ihrem YouTube-Channel in hoher Frequenz für Rezepte-Nachschub: https://www.youtube.com/channel/UC3LdGhl7Poqqxk7k6GM-sSw/featured)