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"Mir kann keiner so schnell Angst einjagen"

In ihrem neuen Film "Der Unsichtbare" geht Elisabeth Moss durch die Hölle. Privat hat sie ein dickes Fell.

Dank der TV-Serie "The Handmaid's Tale" ist sie endgültig weltweit in aller Munde. Dabei steht Elisabeth Moss seit ihrer Kindheit vor der Kamera. 1992, sie war zehn Jahre jung, feierte sie ihr Debüt. In den USA war es vor allem die Polit-Serie "West Wing", in der sie die Rolle der Präsidententochter Zoey Bartlet spielte, die ihr den Weg ebnete. In ihrem neuen Kinofilm "Der Unsichtbare" (Start: 27. Februar) schlüpft sie jetzt in die Rolle der Cecilia Kass, die von ihrem Freund Adrian Hodge (Oliver Jackson-Cohen) misshandelt wird. Die Beziehung eskaliert. Cecilia ergreift die Flucht, doch das Drama ist nicht zu Ende. Es sind diese düsteren, anstrengende Rollen, die die 37-Jährige seit jeher schätzt. Warum das so ist und was das ganz persönlich für sie bedeutet, erklärt die gebürtige Kalifornierin im Interview.

teleschau: Wie gelingt es Ihnen, sich in dunkle Rollen hineinzuversetzen, sie nach Drehschluss aber auch wieder hinter sich zu lassen?

Elisabeth Moss: Ich weiß nicht wieso, aber ich nehme solche Rollen danach nicht mit. Schon abends, wenn ich vom Set nach Hause gehe, ist das vorbei. Gott sei Dank kann ich das, ansonsten hätte man mich zwischenzeitlich sicherlich schon in eine psychiatrische Klinik eingeliefert. Ich verstehe Künstler wie Daniel Day-Lewis, der einer der spektakulärsten Schauspieler ist, die ich kenne, wenn sie am Set eine Pause von ihrer Rolle brauchen.

teleschau: Was ist das Erste, das Sie tun, wenn Sie von einem langen Drehtag nach Hause kommen?

Moss: Ich trinke einen Cocktail: Moscow Mule, das ist meine "Medizin". Manchmal passiert es sogar, dass ich schon auf dem Nachhauseweg einen nehme (lacht). Natürlich nur, wenn ich nach Hause gefahren werde. Zu Hause drehe ich dann laute Musik auf oder schalte den Fernseher an. Aber ich kann mir nur etwas Lustiges anschauen. Drama, Horror oder Thriller sind dann definitiv raus.

Befreiung von Gefühlen

teleschau: Viele Schauspieler arbeiten mit Therapeuten ...

Moss: Würde mir womöglich auch helfen. Auf eine gewisse Art und Weise ist es schwer zu erklären und sicherlich auch sehr schwer zu verstehen, aber in eine Rolle zu schlüpfen, ist wie eine Therapie für mich. Es ist eine Art Befreiung von meinen Gefühlen. Ich kann sie dann durch meinen Charakter ausdrücken. Deshalb ist es manchmal erleichternd und ganz und gar nicht schmerzhaft für mich, mich in einer Rolle zu verlieren.

teleschau: In "Der Unsichtbare" geht es auch um das Thema Stalking ... Welche Ängste kennen Sie?

Moss: Mir kann keiner so schnell Angst einjagen. Ich liebe Horror-Filme, sogar der schrecklichste Film würde mir keine Angst machen. Auch vorm Achterbahnfahren habe ich keine Angst. Ich mag diese Adrenalin-Kicks. Ich glaube, wenn ein unsichtbarer Mann bei mir im Hotelzimmer auftauchen würde, würde ich ihn bitten, mich einfach schlafen zu lassen.

teleschau: Haben Sie selbst schon Erfahrung mit Stalking gemacht?

Moss: Ich habe einen Stalker, der auf Instagram komische Nachrichten über meine Füße hinterlässt. Es ist schon ein unangenehmes Gefühl, solche Nachrichten zu bekommen, aber nichts im Gegensatz dazu, was andere Leute erleben. Ich bin auch nicht mit den ganz großen Promis befreundet, die sicherlich etliche Geschichten dazu parat hätten.

teleschau: Lesen Sie Ihre Instagram-Nachrichten?

Moss: Ja, manchmal. 99,9 Prozent der Leute sind so nett und hinterlassen tolle, aufmunternde und unterstützende Nachrichten.

teleschau: Und die anderen, die nicht so nett sind? Belastet Sie das?

Moss: Ich glaube, da bin ich einfach zu hart dafür. In dieser Branche brauchst du ein dickes Fell, um lächelnd zu überleben (lacht). Jeder, der auf Instagram unterwegs ist, muss verstehen, dass es nicht nur positive Nachrichten, sondern auch negative geben wird. Trotzdem mag ich diesen sozialen Kanal: Ich will von meinen Fans erfahren, was sie toll und was sie vielleicht nicht so toll an einem meiner Projekte finden.

Vierl Zeit mit Recherche

teleschau: Ein weiteres Thema, das dieser Film anschneidet, ist Missbrauch in Beziehungen. Darüber wird in unserer Gesellschaft nicht oft gesprochen.

Moss: Ich glaube, viele Frauen haben - in mehr oder weniger starkem Maßstab - die Erfahrung mit dem Gefühl gemacht, sich für einen Mann oder eine Beziehung ändern zu müssen und sich darin zu verirren. Hoffentlich nicht so, wie es Cecilia in diesem Film erlebt. Viele meiner Freunde und auch ich haben Erfahrungen damit gemacht, als wir älter wurden und das Gefühl hatten, dass eine Beziehung oder ein Mann uns daran hindert, wir selbst zu sein. Oder gar dachten, dass unsere Stimme nicht zählt. Gott sei Dank habe ich noch nichts in einem Ausmaß wie in diesem Film erlebt. Der Regisseur und ich verbrachten viel Zeit mit Recherche, um mit dem Thema so ehrlich und respektvoll wie nur möglich umzugehen. Vor allem in Bezug auf die verschiedenen Arten von Missbrauch in Beziehungen: Physisch, mental und emotional, denn sie alle können einen Menschen traumatisieren.