Missbrauchsskandal erschüttert japanische Popmusik-Branche
Die japanische Popmusik-Branche wird von einem Missbrauchsskandal erschüttert. Die Chefin der größten und erfolgreichsten Agentur japanischer Boybands, Julie Fujishima, räumte am Donnerstag ein, dass ihr Vorgänger Johnny Kitagawa Minderjährige sexuell missbraucht habe. "Ich entschuldige mich aus tiefstem Herzen bei den Opfern", sagte die 57-Jährige bei einer Pressekonferenz, bei der sie gleichzeitig ihren Rücktritt als Firmenchefin verkündete.
Kitagawa war Fujishimas Onkel, er starb 2019 im Alter von 87 Jahren. Der Gründer der Agentur Johnny & Associates hatte als Papst des J-Pop gegolten und stand hinter erfolgreichen Bands wie Smap, Arashi oder Tokio, die Asien-weite Fangemeinden haben.
Fujishima ernannte den Sänger und Schauspieler Noriyuki Higashiyama, der schon lange bei Johnny & Associates ist, zu ihrem Nachfolger. Sie will aber in der Führungsmannschaft der Agentur bleiben, um bei der Entschädigung der Missbrauchsopfer zu helfen.
Ihr Nachfolger Higashiyama sagte bei der Pressekonferenz, es werde "enorm lange dauern, bis wir das Vertrauen zurückgewinnen können". "Ich werde der Lösung dieses Problems den Rest meines Lebens widmen", versicherte der neue Agenturchef. Zu einer möglichen Namensänderung äußerte Higashiyama sich zurückhaltend. Es hat sich eingebürgert, dass die erfolgreichen Künstler der Agentur "Johnny's" genannt werden.
Auf einer separaten Pressekonferenz begrüßten Opfer von Kitagawa die Ankündigungen der Agentur, nannten sie aber zugleich nicht ausreichend. "Die auf meinem Herzen hinterlassenen Narben werden nie völlig verschwinden", sagte etwa Yukihiro Oshima, der in den 90er Jahren zu den "Johnny's" gehört hatte. Ex-Boyband-Mitglied Junya Hiramoto sagte, er hoffe, dass die Agentur "alles in ihrer Macht Stehende tut", um die Missbrauchsopfer zu "retten".
Die Aufarbeitung des Skandals ins Rollen gebracht hatte Anfang des Jahres eine BBC-Dokumentation. Vorige Woche wurden die Ergebnisse einer von Johnny & Associates beauftragten Untersuchungskommission veröffentlicht. Demnach hatte Kitagawa seit den 50er Jahren "mehrere hundert" minderjährige Nachwuchsmusiker sexuell missbraucht. Die Kommission verlangte Fujishimas Rücktritt, weil sie schon lange von den Vorwürfen gewusst, aber die Augen davor verschlossen habe.
Schon zu Kitagawas Lebzeiten hatten Medien über die Missbrauchsvorwürfe gegen den Musik-Mogul berichtet. So veröffentliche die Wochenzeitschrift "Shukan Bunshun" 1999 eine Artikelserie über mehrere junge Männer, die Kitagawa sexuelle Übergriffe vorwarfen. Kitagawa hatte in der Folge Entschädigungszahlungen wegen Verleumdung erstritten. Die Gerichtsentscheidung wurde später teilweise aufgehoben.
yb/ans