Mojib Latif über kühles Meer - Neue mysteriöse Atlantik-Anomalie - wer sich Hoffnungen macht, der irrt

Eine unerwartete Abkühlung des Atlantiks stellt die Wissenschaftler vor ein Rätsel. Innerhalb kürzester Zeit sind die Temperaturen gesunken, und niemand weiß warum. Für Klimaforscher Mojib Latif ist das allerdings noch kein Grund zur Hoffnung. Der Atlantik sei noch immer extrem warm.

Bis vor kurzem beunruhigte die Atlantik-Anomalie Forscherinnen und Forscher weltweit: Mehr als ein Jahr lang verzeichnete der Nordatlantik rekordverdächtig hohe Wassertemperaturen - mit verheerenden Folgen für das marine Ökosystem.Die Ursachen für die rasanten Schwankungen sind noch nicht geklärt. Klar ist, dass vor allem das Klimaphänomen El Niño und der Klimawandel hinter der Erwärmung des Atlantiks stecken.

Nun gibt eine neue Anomalie im Atlantik den Wissenschaftlern Rätsel auf: Der Nordatlantik kühlt sich seit kurzem schneller ab und liegt 0,5 bis 1 Grad unter den Durchschnittstemperaturen für diese Jahreszeit. Sollten die Temperaturen noch mindestens einen weiteren Monat um 0,5 Grad unter dem Durchschnitt liegen, spricht man von einem „Atlantic Niña“.

Nach Angaben der US-amerikanischen Meeresbehörde „National Oceanic and Atmospheric Administration“ (NOAA) waren die Meeresoberflächentemperaturen im vergangenen Juli etwas kühler als im Juli 2023. Damit endete eine 15-monatige Periode mit rekordverdächtig hohen durchschnittlichen Meerestemperaturen.

Was hinter der kalten Atlantik-Anomalie steckt

Für den Klimaforscher und Ozeanographen Mojib Latif ist die jüngste Atlantik-Anomalie noch kein Grund zur Entwarnung. Im Interview mit FOCUS online Earth erklärt er: „Zunächst einmal: Der Atlantik ist immer noch extrem warm. Wenn man den gesamten Atlantik betrachtet, vom Äquator bis 60 Grad Nord, haben wir immer noch die zweitwärmsten Temperaturen, die jemals gemessen wurden.“

Das vergangene Jahr sei zwar extrem gewesen, aber die aktuellen Daten zeigten immer noch eine außergewöhnliche Wärme. „Man kann also nicht wirklich von einer Abkühlung sprechen, sondern eher von einer etwas schwächeren Erwärmung. Die Temperatur ist zwar weniger warm als im Vorjahr, aber immer noch sehr hoch“, so der Klimaforscher. Der Wechsel von El Nino zu La Nina führe zwar zu etwas „kühleren Verhältnissen“ im äquatorialen Atlantik, ob sich dieser Trend in den nächsten Monaten fortsetze, bleibe aber abzuwarten.

Diese schwächere Erwärmung sei auf natürliche Schwankungen zurückzuführen. Das hänge auch damit zusammen, dass El Niño – also die ungewöhnlich starke Erwärmung von Teilen des pazifischen Ozeans – im Gegensatz zu letztem Jahr ausblieb. „Im äquatorialen Atlantik haben wir daher derzeit leicht kühlere Bedingungen als normal“, so Latif. Dennoch: der langfristige Trend der Erderwärmung bleibt bestehen, „und weitere Temperaturrekorde sind zu erwarten“, fügt der Experte hinzu.

Mögliche Wechselwirkungen von Atlantik und Pazifik Niña

Zum Hintergrund: Die unerwartete Abkühlung des Atlantiks tritt zeitgleich mit dem erwarteten Übergang zur La Niña im Pazifik auf. Diese zeichnet sich durch ungewöhnlich kühle Oberflächentemperaturen im zentralen und östlichen tropischen Pazifik aus. Während die „Pazifik-Niña“ oft mit trockenem Wetter in den westlichen USA und feuchterem Wetter in Ostafrika verbunden ist, reduziert die „Atlantic-Niña“ typischerweise Niederschläge in der Sahelzone und erhöht Regenfälle in Brasilien.

Das gleichzeitige Auftreten beider Phänomene könnte daher zu komplexen Wechselwirkungen führen. So könnte die Wahrscheinlichkeit atlantischer Hurrikans – verursacht durch die pazifische Niña – durch die atlantische Niña abgeschwächt werden. Darüber hinaus wäre unter anderem denkbar, dass die atlantische Niña die abkühlende Wirkung der pazifischen Niña auf das globale Wetter verzögert.