Die Monster, die die Banken riefen

Sparkassen und Volksbanken - Die Monster, die die Banken riefen

Es gibt Sparkassen-Direktoren und Volksbank-Chefs, die zweifeln am Sinn von sozialen Netzwerken wie Twitter oder Facebook. Wie soll das Kunden dazu bewegen, in die Filialen kommen, fragen sie. Der nötige Aufwand für die Betreuung der Kanäle sei zu hoch, die Kosten rechneten sich nicht. Doch ein neuer Hype macht es fast ohne Aufwand möglich, dichte Menschentrauben zumindest schon einmal vor die eigene Filiale zu locken: .

Die Sparkasse Witten hat es vorgemacht: Vor ihrer Zentrale finden sich gleich drei Spielstationen, die Fans der virtuellen Monsterjagd gerne aufsuchen. Regelmäßig bilden sich dort Menschentrauben. Und die Sparkasse hat mit der wenige Euro teuren Investition in sogenannte „Lockmodule“ noch mehr Spieler angezogen. Die Lokalpresse und das Geldhaus bekam einen Imageschub bei jungen Leuten.

An diesem Wochenende machten Spieler vor der Wittener Sparkasse sogar landesweit Schlagzeilen, weil sie aus einem Vorraum der Sparkasse per Kabeltrommel Strom für ihre Handy-Ladegeräte beschafft hatten. Die Polizei .

Keine Stadt, kein Ort in Deutschland ist vor dem Fieber rund um das Smartphone-Spiel gefeit. Das Spiel, das von der Google-Beteiligung Niantic und den Pokémon-Erfindern Nintendo entwickelt wurde, kombiniert die virtuelle Welt der Monsterjagd mit der realen Umgebung. Jugendliche bewegen sich in Scharen aus dem Haus, ziehen durch die Straßen, um mehr Monster zu finden. Millionenfach ist das Spiel heruntergeladen worden – und sicherlich wird die Begeisterung daran auch wieder abflauen. Doch zumindest derzeit bietet sich Firmen eine gute Marketing-Gelegenheit, vor allem wenn sie ein Filialnetz haben.

Banken und Sparkassen sind derzeit vor allem damit beschäftigt, Geschäftsstellen zu schließen – was besonders im ländlichen Raum oft heftige Proteste auslöst. Fast jede dritte Filiale – also 10.000 Stück – könnten in den kommenden zwei Jahren dicht machen, . Die Niedrigzinsen drücken auf die Erträge, Banken müssen sparen. Und zu wenige Kunden kommen in die Filialen, seitdem sich Online-Banking durchsetzt.

Banken haben schon versucht, mit Paketschaltern die Attraktivität der Geschäftsstellen zu erhöhen und so potenzielle Kunden nebenbei auf Finanzprodukte aufmerksam zu machen. Jetzt zeigt sich: Wer schnell auf Trends reagiert, kann die Frequenz des Filialbesuchs erhöhen. Und Auszubildende sind die Schnittstelle zu den Dingen, die auf Smartphones im Trend sind.


Erfrischung, Akkus, Strom: die Palette der Anlocktricks

So hat die Volksbank Allgäu-West „Lockmodule“ gestreut und gleichzeitig freies WLAN spendiert, . Ein Auszubildender hatte die Idee eingebracht und tatsächlich versammelten sich während der zwei Stunden immer einige Leute vor der Filiale.

Ein Mann kaufte deswegen Eintrittskarten in der Bank statt in einem anderen Geschäft, berichtet Vertriebsmanagerin Lisa Döring – obwohl er gar kein Kunde gewesen sei. Junge Leute hätten per Whatsapp andere Jugendliche zur Filiale bestellt, um gemeinsam auf Monsterjagd zu gehen. Und ja, die Volksbank sei sogar als „voll cool“ bezeichnet worden.

Auch die in eine von Azubis betreute Filiale und versprach gleichzeitig kleine Preise. Die Volksbank Gronau-Ahaus machte dasselbe , dann vor der Hauptstelle und bot zudem noch ein Erfrischungsgetränk an.

In Hamburg wählte die Hamburger Sparkasse eine andere Variante: Sie bot einige Plüsch-Pokémons in vier Filialen an, die -Nutzer . Die Taunus-Sparkasse im Norden Frankfurts von den stärksten Monstern ihrer Pokémon spielenden Facebook-Fans – fast hundert machten mit.

Um einem Stromdiebstahl wie in Witten vorzubeugen, hat die Volksbank Bühl einfach eine Mehrfachsteckdose frei zugänglich gemacht. Einen selbst gedruckten Aufkleber „Pokémon-Supercharger“ drauf, fertig war das handgemachte Lockmodul. Denn noch mehr als bei der Monsterjagd zu patzen, fürchten die Spieler leere Akkus. Die Sparkasse Essen hat das auch erkannt: Bei ihrem Pokémon-Gewinnspiel gab es . Dafür wissen jetzt alle, dass in der Filiale Steele die Chance besteht, eine „Nidoqueen“ zu ergattern.

KONTEXT

Pokémon GO: Kleine Kampf-Monster erobern die Welt

Das Spiel

"Pokémon", kurz für "Pocket Monster", tragen seltsame Namen wie Pikachu, Traumato oder Magnetilo, kämpfen gern gegeneinander und haben eine gewaltige weltweite Fangemeinde.

Sechs Fragen ...

"¦ und sechs Antworten zu dem Phänomen, das mit dem Smartphone-Spiel "Pokémon Go" einen neuen Schub bekam.Quelle: dpa

1. Wieso scheint die ganze Welt auf einmal nach "Pokémon" verrückt zu sein?

Es ist das erste Mal, dass man "Pokémon" auf dem Smartphone spielen kann. Der japanische Spiele-Anbieter Nintendo brachte die beliebten Figuren bisher nur in Games für die hauseigenen Konsolen heraus. Inzwischen jedoch wechseln immer mehr Spieler auf Smartphones und Nintendo konnte diesen Trend nicht mehr ignorieren.

2. Was sind "Pokémon" überhaupt und worum geht es bei dem Spiel?

"Pokémon" ist eine Wortbildung aus "Pocket Monster" - Taschenmonster. Zum ersten Mal tauchten sie 1996 in einem Spiel in Japan auf. Die "Pokémon" sind darauf versessen, gegeneinander zu kämpfen. Der Spieler fängt sie als "Pokémon-Trainer" mit Hilfe weiß-roter Bälle ein und bildet sie aus. Im "Pokémon"-Universum gibt es mehr als 700 Figuren. Die beliebteste dürfte "Pikachu" sein - ein kleines gelbes Monster mit einem Schwanz in der Form eines Blitzes. Neben den Videospielen blüht ein gewaltiges Geschäft mit Sammelkarten und allen möglichen anderen Fanartikeln von Plüschfiguren bis Brotdosen.

3. Was ist das besondere an dem Smartphone-Game?

Im Grunde geht es auch hier darum, "Pokémon" zu fangen und dann gegeneinander antreten zu lassen. Der Clou ist jedoch die Standort-Erkennung (GPS) auf dem Smartphone. Die "Pokémon" verstecken sich an verschiedenen Orten - und ein Spieler sieht sie nur, wenn er in der Nähe ist. Dann werden die Figuren auf dem Display des Telefons in die echte Umgebung eingeblendet ("Augmented Reality"). In den USA, Neuseeland und Australien sammelten sich schon große Menschenmengen an Orten mit populären "Pokémon" an. Die kleinen Monster reagieren auf die virtuelle Umgebung: So tauchen Wasser-Pokémon besonders häufig in der Nähe von Flüssen oder Seen auf.

4. Kann man Pokémon Go auch in Deutschland spielen?

Seit gestern ist die App im Google Play Store für Android-Geräte und im iTunes-App-Store von Apple für das iPhone verfügbar. Windows-Phone User gucken allerdings wieder einmal in die Röhre.

5. Aber viele Spieler Deutschland hatten Pokémon Go doch schon früher?

Es kursieren im Netz Dateien für Android, da Google auch Installationen außerhalb des Play Stores erlaubt. Da inzwischen allerdings auch mit Schadsoftware infizierte Versionen im Umlauf sind, sollten Anwender nur bekannte und sicher geltende Quellen wie apkmirror.com ansteuern. Als iPhone User konnte man das Spiel beziehen, indem man sich einen US-Account anlegte.

6. Wer steckt hinter dem Spiel?

Es wurde gemeinsam entwickelt von der Nintendo-Beteiligung Pokémon Company und der ehemaligen Google-Tochter Niantic Labs. Letztere hatte unter dem Dach des Internet-Konzerns das ebenfalls auf Ortungsdaten basierte Spiel "Ingress" programmiert. In ihm kämpfen zwei Lager um virtuelle Portale, die an verschiedenen Orten platziert wurden.

KONTEXT

Filialsterben der Banken (2010 bis 2015)

Sparkassen

Zahl der Filialen (Ende 2010): 13.025

Zahl der Filialen (Ende 2013): 12.323

Zahl der Filialen (Ende 2015): 11.459

Veränderung 2015 vs. 2010: -12 Prozent

Quelle: Bundesbank

Volksbanken/Raiffeisenbanken

Zahl der Filialen (Ende 2010): 11.830

Zahl der Filialen (Ende 2013): 11.335

Zahl der Filialen (Ende 2015): 10.630

Veränderung 2015 vs. 2010: -10,1 Prozent

Großbanken

Zahl der Filialen (Ende 2010): 8.132

Zahl der Filialen (Ende 2013): 7.610

Zahl der Filialen (Ende 2015): 7.240

Veränderung 2015 vs. 2010: -11 Prozent

Regional- und Kreditbanken

Zahl der Filialen (Ende 2010): 2.604

Zahl der Filialen (Ende 2013): 2.424

Zahl der Filialen (Ende 2015): 2.340

Veränderung 2015 vs. 2010: -10 Prozent