"Ich musste mir etwas von der Seele schreiben": Claus Kleber wird persönlich

Ein Anchorman, aber alles andere als ein älterer Mann: Claus Kleber, der bis zu seinem Abschied Ende 2021 unglaubliche 2.977 "heute-journal"-Ausgaben moderierte, zählt auch schon 68 Lenze. (Bild: Ralf Juergens/Getty Images)

"Sorry, aber ich kann das nicht niedriger hängen": ZDF-Journalist Claus Kleber nimmt in einem persönlichen Text Stellung zu den Ereignissen vom 6. Januar in Washington und schwingt sich zu einer Abrechnung mit dem Gebaren des 45. Präsidenten der USA auf.

"Ich musste mir etwas von der Seele schreiben. Es geht um meine zweite Heimat." - Mit diesen Worten kündigte ZDF-"heute journal"-Moderator Claus Kleber via Twitter einen bemerkenswerten Kommentar an, der am späten Donnerstagabend unter der Überschrift "6. Januar 2021 - Amerikas neues Datum der Schande" auf dem ZDF-Nachrichtenportal veröffentlicht wurde.

Kleber, der 15 Jahre in den USA lebte und als ARD-Korrespondent in Washington tätig war, bezeichnete den Beitrag als "persönlichen Blick auf die Ereignisse des 6. Januar in Washington". Im Text bezieht er sich auf die erschütternden Geschehnisse im Kapitol: Ein von Präsident Donald Trump aufgestachelter Mob war gewaltsam in das Repräsentantenhaus eingedrungen und hinterließ Verwüstungen - es gab Tote und Verletzte.

Die Bilder, die um die Welt gingen, sorgten weltweit für Entsetzen - auch bei dem bekennenden USA-Freund Claus Kleber. "Während ich mir das von der Seele schreibe, muss ich mich fragen, ob das zu emotional ist, ob die unfassbaren Bilder mich zu sehr getroffen haben, mich und meine unausrottbare Liebe und Faszination für dieses Land", schreibt der 65-jährige ZDF-Journalist.

"Date of Infamy"

Seinen Kommentar beginnt Kleber mit einem Zitat von Franklin D. Roosevelt. "A date which will live in infamy' - 'für immer ein Datum von Niedertracht und Schande' - mehr als ein Dreivierteljahrhundert wusste jeder Erwachsene in Amerika, welchen Tag dieses Zitat meint", erinnerte er an die Worte, die der damalige US-Präsident anlässlich des Überraschungsangriffs der japanischen Luftwaffe am 7. Dezember 1941 auf Pearl Harbor gefunden hatte. Seit Mittwoch müsse "man dem 6. Januar 2021 einen ähnlichen Rang einräumen", so Kleber. Jüngere Menschen würden mit "Date of Infamy" nun "den Sturm auf das Kapitol in Verbindung bringen".

Nach seiner Einschätzung sei die Niederlage für Amerikas Selbstbild sogar noch schlimmer, konstatiert Claus Kleber. "Denn diesmal waren Niedertracht und Schande nicht das Werk eines äußeren Feindes am fernen Ende der Erde, sondern die Tat des Präsidenten der USA, gewählt und eingeschworen, das Land und seine Verfassung zu schützen." Ihm sei sehr wohl bewusst, dass in Pearl Harbor zweieinhalbtausend Menschen starben, schreibt der Journalist, der seit 2003 das "heute journal" moderiert. Aber "historisches Gewicht misst man nicht mit nackten Zahlen". Claus Kleber: "Sorry, aber ich kann das nicht niedriger hängen."

"Warnungen wurden in die Welt gebrüllt"

Jetzt, wie damals, habe es "Warnungen und Vorzeichen" gegeben, "aber 1941 waren sie (entgegen mancher Verschwörungstheorie) schleierhaft verborgen", gab der ZDF-Mann zu bedenken.

Schon im Teaser schreibt Kleber: "Die Warnungen wurden in die Welt gebrüllt - dennoch kam es zum Sturm aufs Kapitol." Auch nach seiner Einschätzung ist es dann wohl Trump selbst gewesen, der das Fass zum Überlaufen brachte: "Endgültig dann in der irrsinnigen Rede des Präsidenten, der die militanten Milizen und ihre fanatischen wie tumben, gut- wie schlechtgläubigen Mitläufer auf den Weg schickte zum Kapitol mit der Mission, den Lauf der Verfassung aufzuhalten." Die Menschen, die das Kapitol gestürmt und verwüstet haben, hätten "gezeigt, wie verletzlich die Maschinerie einer Demokratie ist. Und sie damit für lange Zeit noch verwundbarer gemacht".