Mutterpartei als „Ressourcen-Spender“ - Interne Dokumente enthüllen, wie die Grüne Jugend ihre eigene Partei ausnutzte

Katharina Stolla (l) und Svenja Appuhn, die Ex-Vorsitzenden der Grüne Jugend.<span class="copyright">Kay Nietfeld/dpa</span>
Katharina Stolla (l) und Svenja Appuhn, die Ex-Vorsitzenden der Grüne Jugend.Kay Nietfeld/dpa

Der Ex-Vorstand der Grünen Jugend bereitete seinen Abschied von der Mutterpartei wohl detaillierter vor, als bisher bekannt. Interne Dokumente zeigen, dass die Führungsleute bereits seit Ende 2023 an einem Austritt aus der Partei arbeiteten – und dabei keine Scheu hatten, die Ressourcen der Mutterpartei für ihre Pläne zu nutzen.

Die FDP sorgte kürzlich mit ihrem „D-Day“-Papier für Schlagzeilen , in dem der Koalitionsbruch mit der Ampel bis ins Detail geplant wurde – einschließlich Zeitplan, Risiken und Kommunikationsstrategie.

Nun wird bekannt: Auch eine ganz andere politische Gruppe hatte bereits seit längerem einen umfassenden Bruch vorbereitet. Laut „Spiegel“ plante der Ex-Bundesvorstand der Grünen Jugend seinen Abschied von der Mutterpartei schon deutlich länger als bisher angenommen – und das um einiges detaillierter als die FDP ihre „Feldschlacht“.

Spitze der Grünen Jugend: Austritt war von langer Hand geplant

Ende September überschlugen sich die Ereignisse bei den Grünen: Zuerst gab der Parteivorstand um Omid Nouripour und Ricarda Lang seinen Rücktritt für November bekannt. Kurz darauf folgte der zehnköpfige Vorstand der Grünen Jugend mit der Ankündigung, nicht wieder zu kandidieren und geschlossen aus der Partei auszutreten.

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Die genannten Gründe: zu wenig linkes Profil und zu viele Kompromisse in der Ampel-Koalition. Die Spitze der Nachwuchsorganisation um Svenja Appuhn und Katharina Stolla erklärte damals, dass die Entscheidung schon vor dem Rücktritt des Parteivorstands gefallen sei.

Wie weit im Voraus dieser Schritt tatsächlich geplant wurde, zeigen nun interne Unterlagen, die dem „Spiegel“ vorliegen: Demnach arbeitete die Führung der Grünen Jugend bereits seit Ende 2023 an einem umfassenden Bruch mit der Mutterpartei: „Die strukturelle Verbundenheit mit den Grünen steht im Widerspruch zu unserer Analyse, dass es eine andere Partei für strukturelle Änderungen braucht“, steht demnach in einem Papier des Bundesvorstands vom 17. November 2023.

Die Mutterpartei als „praktischer Ressourcen-Spender“

Zwar werde man als Grüne Jugend keine neue Partei aufbauen. „Wir sehen unsere Aufgabe dennoch darin, die gesellschaftlichen, politischen und personellen Bedingungen für eine linke Partei zu schaffen und aktiv darauf hinwirken.“

Dabei hatte sich die Gruppe erst im Oktober 2023 zum Bundesvorstand der Grünen Jugend wählen lassen. Laut den „Spiegel“ -Recherchen befeuerte sie den Konflikt mit den Grünen über Monate und steuerte zusammen mit ausgewählten Verbündeten in den Landesverbänden auf einen Bruch zu.

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Ebenfalls brisant: Der Ex-Vorstand scheute sich offenbar nicht, die finanziellen Ressourcen der Mutterpartei für seine Pläne zu nutzen. Zwar beteuerte Katharina Stolla noch beim Bundeskongress der Grünen Jugend Mitte Oktober, dass die Gruppe „keine Ressourcen, keine Strukturen dafür genutzt“ habe. Doch auch das war laut der internen Papieren anders: „Die Partei ist nicht der Ort der gesellschaftlichen Veränderung, sondern aktuell teilweise ein praktischer Ressourcen-Spender“, heißt es hier.

Die Ressourcen müssten „gezielt in unserem Sinne“ und „für Schritte hin zu einem linken Machtaufbau“ verwendet werden.

„Chats und Accounts löschen wäre eine gute Idee“

Der Vorstand der Grünen Jugend hatte schließlich im September seinen Rücktritt und Austritt aus der Partei verkündet. Ex-Sprecherin Katharina Stolla sagte dem „Spiegel“, es sei kein Geheimnis, dass die linke Positionierung der Grünen Jugend schon seit vielen Jahren zu einem Widerspruch zwischen Partei und Jugendorganisation geführt habe.

Trotzdem: Die rund 16.000 Mitglieder der Grünen Jugend über ihre wachsende Entfremdung von der Mutterpartei zu informieren, erachtete die Gruppe scheinbar als nicht notwendig. Stattdessen setzte sie auf Geheimhaltung. Als sie im September den Austritt aus der Partei beschloss, diskutierten sie laut dem „Spiegel“ bei mehreren Vorstandssitzungen darüber, wie sie ihre Spuren verwischen könnte.

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In einem Protokoll einer Sitzung Anfang September heißt es demnach: „Chats und Accounts löschen wäre eine ganz gute Idee.“ Ein weiteres Protokoll führt an: „Bevor man Handys abgibt, alles leeren und Dinge löschen.“

Ex-Spitze gründet neuen Jugendverein

Die Grüne Jugend hat nun ein neues Führungsduo. Auf ihrem Bundeskongress in Leipzig wurden Jette Nietzard und Jakob Blasel zu den neuen Vorsitzenden gewählt.

Die ehemalige Spitze um Svenja Appuhn und Katharina Stolla will derweil einen neuen linken Jugendverein gründen. „Wir wollen all die jungen Menschen erreichen, die zu Recht das Gefühl haben, dass sich niemand um sie kümmert“, so Appuhn im Gespräch mit der „taz“.

„Denkbar sind Beratungsangebote für Menschen, die vom Vermieter abgezockt werden oder kostenlose Lernangebote für diejenigen, die kein Geld für Nachhilfe haben. Wir wollen das nicht einfach als Charity-Projekt machen. Wo der Staat versagt, wollen wir unsere Arbeit mit Kampagnen verbinden und Druck auf die Politik ausüben.“