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Mythos Darknet: Technologie zwischen Verbrechen und Freiheit

Im Darknet (Illustration) können sich Internetnutzer fast komplett anonym bewegen. Foto: Silas Stein
Im Darknet (Illustration) können sich Internetnutzer fast komplett anonym bewegen. Foto: Silas Stein

Im Darknet können sich Internetnutzer fast komplett anonym bewegen. Das sind zum einen Anwender, die viel Wert auf Privatsphäre legen - aber auch Kriminelle. Eine TV-Doku nähert sich dem «Mythos Darknet» von verschiedenen Seiten.

Berlin (dpa) - Der 18-jährige Amokläufer David S. tötete vor einem Jahr in München neun Menschen und sich selbst. Die Waffe hatte er zuvor aus dem Darknet bezogen. Nicht nur zu diesem Anlass fragen sich viele, welche Dimensionen dieser Netz-Marktplatz für menschliche Abseitigkeiten tatsächlich hat.

Die TV-Dokumentation «Mythos Darknet - Verbrechen, Überwachung, Freiheit», die am Donnerstag (20. Juli, um 20.15 Uhr) auf ZDF info läuft, beleuchtet die dunkle Seite des Internets. Sie lässt dabei auch ausführlich die Unterstützer der Technologie zu Wort kommen, die den positiven Nutzen erläutern, den das Darknet mit sich bringt.

Um in das Darknet zu gelangen, benötigt man die kostenlose Software «Tor». Damit werden Daten nach dem Zwiebelschalenprinzip zwischen Tor-Servern verschlüsselt weitergeleitet. Jeder Server kennt so nur seinen Vorgänger und seinen Nachfolger, aber nicht die gesamte Kette. Damit wird der Nutzer getarnt.

Anwender können über das Tor-Netzwerk zum einen öffentliche Websites anonym ansteuern. Im Tor-Netz werden aber auch sogenannte «.onion-Sites» bereitgestellt, bei dem auch die Anbieter anonym bleiben. Experten schätzen, dass die Hälfte der rund 30 000 Darkweb-Seiten illegal sind. Auf Marktplätzen wie Alphabay werden gestohlene Kreditkartennummern, Falschgeld und Waffen offeriert. Der Umsatz mit Drogen dort soll weltweit 21 Millionen Dollar monatlich betragen. Dennoch sei die Darknet-Kriminalität «nur ein Nischenphänomen». So komme der illegale Drogenmarkt in Europa insgesamt auf einen Umsatz von 2,3 Milliarden Euro im Monat.

In Deutschland kursierten auch 20 Millionen illegale Waffen, deren Herkunft nichts mit dem Darknet zu tun habe. «In Erinnerung bleiben aber Fälle wie des Münchner Amokläufers David S., der sich seine Waffe im Darknet beschafft hatte», heißt es in dem Film.

In der TV-Doku erläutern Tor-Unterstützer wie Moritz Bartl vom Verein Zwiebelfreunde, warum sie sich trotz eines möglichen Missbrauchs der Technologie für das Tor-Netzwerk engagieren: «Ich will jetzt nicht, dass mein Telekom-Provider Statistiken darüber sammelt, welche Seiten ich abgreife. Google soll nicht mitkriegen, über welche Krankheiten ich mich jetzt gerade informiere.»

Christian Mihr, Geschäftsführer von «Reporter ohne Grenzen», verweist in dem Film darauf, dass Journalisten, Blogger und Fotografen in Ländern wie Bahrain drangsaliert und willkürlich festgenommen werden. Das Tor-Netzwerk helfe dabei, der staatlichen Willkür zu entgehen.

In der Dokumentation stellen aber auch Experten die Sicherheit des Tor-Netzwerks in Frage. Der Oldenburger Computerwissenschaftler Jürgen Geuter, verweist darauf, dass das Tor-Netzwerk nicht so groß sei, wie viele Anwender sich das vorstellten. «Im Vergleich zum Internet ist das winzig.» Wer einen Tor-Server bereitstelle, bekomme auch mit, was in dem Netzwerk läuft.

Andy Müller-Maguhn, Internet-Aktivist und langjähriger Sprecher des Chaos Computer Clubs, stört sich daran, dass das Tor-Projekt aus den USA staatlich gefördert wird. Über die Geldgeber bekämen die Geheimdienste dann auch Antworten auf Fragen: Wer sind die beteiligten Akteure? Wo laufen bestimmte Informationen zusammen? «Das sind ja aus der Sicht von Nachrichtendiensten alles hochinteressante Informationen, die die Aufgabe haben, solche Informationsnetzwerke unter ihre Kontrolle zu bringen.»

Thomas Rid, IT-Sicherheitsexperte am Londoner King's College, war anfänglich der Überzeugung, dass das Darknet über das Ziel hinaus schießt, weil es den Missbrauch zu einfach macht. Jetzt ist er anderer Meinung. «Ich habe einfach Angst, angesichts der politischen Entwicklung der vergangenen zwei Jahre, dass wir irgendwann in die Situation kommen, in der wir Verschlüsselungstechnologie und das Darknet brauchen, um die Freiheit am Leben zu erhalten.»