Nach Echo-Aus: Warum der Skandal Kollegah und Farid Bang nicht schadet

Farid Bang (l.) und Kollegah sorgten bei der Echo-Verleihung 2018 für jede Menge Empörung. Allerdings in den meisten Fällen erst danach. (Bild: Andreas Rentz/Getty Images)
Farid Bang (l.) und Kollegah sorgten bei der Echo-Verleihung 2018 für jede Menge Empörung. Allerdings in den meisten Fällen erst danach. (Bild: Andreas Rentz/Getty Images)

Die Antisemitismus-Debatte um die Rapper Kollegah und Farid Bang schaffte es, den deutschen Musikpreis Echo in die Knie zu zwingen. Ob die Debatte allerdings sinnvoll geführt wurde und wem sie tatsächlich nützt oder schadet, steht auf einem anderen Blatt.

„Mein Körper ist definierter als von Auschwitzinsassen“ – wer so eine Textzeile veröffentlicht, darf nicht mit dem größten Musikpreis Deutschlands ausgezeichnet werden. Dieser Konsens geistert seit Wochen durch die deutsche Musik- und Medienlandschaft. Auf ihn geeinigt hat sich die Musikindustrie, der Ethikrat der Echo-Jury und die Medienöffentlichkeit allerdings erst, als die beiden Verantwortlichen für genannte Zeile, die Rapper Farid Bang und Kollegah, längst mit der gewonnenen Trophäe in der Hand auf der Bühne der Preisverleihung standen und sich über die Kritik von Tote-Hosen-Sänger Campino lustig machen. Campino war es auch, der sich als einziger bereits während der Veranstaltung kritisch geäußert hatte. Was in den Tagen darauf folgte, war eine Flut von – mal mehr, mal weniger glaubwürdigen – Distanzierungen und Echo-Rückgaben. Die schlechteste Figur von allen machten aber jene, die davon am meisten profitierten: die Musikindustrie selbst.

So reagieren die Promis auf das Echo-Aus

Einen besonders schalen Beigeschmack hat die Trennung der Plattenfirma BMG von ihren Künstlern. Die Distanzierung des Branchenriesen wirkte mehr wie eine mediale Pflichtübung, nachdem der Druck zu groß und der generelle Konsens in dieser Debatte zu übermächtig wurde. Man könnte schließlich durchaus argumentieren, dass das Album „Jung, brutal, gutaussehend 3“ nicht erst seit der Echoverleihung erhältlich ist und dass – sollte die Plattenfirma die viel kritisierte Textzeile („Mein Körper ist definierter als von Auschwitzinsassen“) bis zu diesem Zeitpunkt tatsächlich übersehen haben – definitiv an ihren eigenen Kontrollmechanismen arbeiten sollte. Zunächst reagierte BMG sogar noch verhaltener: „Wir hatten den Vertrag über ein Album. Jetzt lassen wir die Aktivitäten ruhen, um die Haltung beider Parteien zu besprechen“, erklärte Vorstandschef Hartwig Masuch vergangenen Donnerstag der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“.

Ein Schaden für die Künstler?

Dass sowohl die Debatte als auch die geschäftliche Konsequenz den Künstlern selbst beziehungsweise dem Gangsta-Rap-Genre (oder wie auch immer man die Subgattung der beiden nennen möchte) an sich schadet, ist stark zu bezweifeln. Eines darf bei der Diskussion nämlich nicht vergessen werden: Der Großteil der Zielgruppe, die Rapper wie Farid Bang und Kollegah punktgenau mit Provokationen bedienen, nimmt de facto am flächendeckend wirkenden Diskurs um Kunstfreiheit, Antisemitismus und Sinn und Unsinn eines Echo-Ethik-Komitees gar nicht teil. Es ist eine junge, aber kaufkräftige bzw. kaufwillige Zielgruppe, die ihre Künstler regelmäßig an die Spitzenposition der deutschen Charts katapultiert.

Die Argumente der Befürworter von Farid Bang und Kollegah mögen nicht alle hundertprozentig stichhaltig sein. Eins sind sie aber allesamt: völlig unbeeindruckt vom moralischen Zeigerfinger des Diskurses. Ob Fans der Rapper an Textzeilen wie jener mit der Auschwitz-Metapher aus politischer Überzeugung (zu bezweifeln), Lust am Verbotenen oder einfach aus Spaß an allzu deftigen Battle-Rap-Metaphern Gefallen finden, sei dahingestellt und wäre eher anhand einer sozio-politischen Umfrage zu eruieren. Es ist jedoch ein unrealistisches Szenario, dass der mediale Pranger die Verkaufszahlen der Musiker einbrechen lässt. Das Gegenteil ist der Fall: Medienpräsenz bringt Verkäufe – auch im Fall von missglückten und moralisch zu verabscheuenden Metaphern. Kein Kollegah-Fan wird empört von seinem Glauben, sein Idol sei politisch korrekt, abfallen und ihm entsagen.

Kommentar zum Echo-Aus: Stoppt die Gratis-Promo

Auch die Indizierung durch die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften ist nicht unbedingt kontraproduktiv: Zwar mag durch eine Indizierung ein Lied oder Tonträgers aus dem kommerziellen Verkehr gezogen werden. Für eine Legendenbildung ist eine Indizierung aber ohne Frage eher zuträglich.

Mainstreamfähigkeit?

Auch wenn es gegenteilige Beispiele wie zum Beispiel Sido gibt, der vom „Aggro Berlin“-Underground (und Stücken wie dem „Arschfick-Song“) im Laufe der Zeit in den Mainstream wechselte und auch lyrisch wie musikalisch konsensfähiger wurde, ist es für Rapper wie die beiden Echo-Preisträger kommerziell wie strategisch nur wenig sinnvoll, nach dem Mainstream zu schielen. Es mag im Rap viele Genres, Welten und Sozialbiotope geben: Jenes von Kollegah und Farid Bang funktioniert mit ganz eigenen Spielregeln. Dazu gehört medienwirksamer Streit mit anderen Rappern (zum Beispiel Farid Bang gegen Fler, Bushido gegen Kay One, oder noch älter: Kool Savas gegen Eko Fresh) genauso wie die kontinuierlichen Grenzüberschreitungen. Ob dies tatsächlich als Wesenszug des kompetitiven Battle-Raps zu orten ist oder eine konstruierte Geschmacklosigkeit ist, ist eine Frage.

Philipp Burger von der Südtiroler Band Frei.Wild hat seine Erfahrungen mit dem Moralkompass des Echos gemacht. (Bild: Frank Hoensch/Redferns)
Philipp Burger von der Südtiroler Band Frei.Wild hat seine Erfahrungen mit dem Moralkompass des Echos gemacht. (Bild: Frank Hoensch/Redferns)

Was Farid Bang und Kollegah machen werden

Was werden Farid Bang und Kollegah also machen? Die Antwort ist ganz einfach: nichts – und so weiter wie bisher. So verabscheuungswürdig die Auschwitz-Metapher sein mag: Der Fall von Farid Bang und Kollegah zeigt vielmehr, wo es im Diskurs wirklich hakt. Das zeigte sich bereits im jahrelangen Hin und Her mit den überaus erfolgreichen Südtiroler Deutschrockern von Frei.Wild, denen vielerorts zumindest Heimattümelei und Koketterie mit dem rechten Spektrum vorgeworfen wird. Zuerst waren die Südtiroler um Sänger Philipp Burger Personae non gratae, schließlich wurden sie doch mit dem Echo ausgezeichnet. Schließlich geht, pardon, ging es beim Echo um Verkaufszahlen – wie sich dies mit einem extra gegründeten Ethik-Komitee verträgt, ist diskutabel.

Farid Bang und Kollegah schadet der öffentliche Fingerzeig nicht im Geringsten. Beide haben eigene Labels – Kollegah die Firma Alpha Empire, Farid Bang das erfolgreiche Banger Music. Es werden sich für beide auch weiterhin lukrative Vertriebswege finden. Fragwürdige Inhalte vertreten beide auch nicht erst seit dem Vorfeld der Echo-Verleihung.

Was die Industrie machen sollte

Ein Moralkompass kann nicht nur punktuell eingesetzt werden, wenn die mediale Aufmerksamkeit gerade auf einem selbst ist. Er sollte eine ganze Landkarte abstecken, die ganze Zeit gelten. Sexismus, Misogynie und Rassismus sind nicht erst seit dem Echo 2018 zu verorten. Die Industrie hat immer gut daran verdient.
Um diesen Diskurs nicht zum reinen Lippenbekenntnis verkommen zu lassen, werden viele in der Musikindustrie den erhobenen Zeigefinger auch nutzen müssen, um sich damit selbst – und das ausgiebig! – an die eigene Nase zu fassen.