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Folter von Homosexuellen: Das steckt hinter dem Putin-Protest des LGBT-Aktivisten in Russland

Der LGBT-Aktivist Peter Tatchell nutzte die WM, um für sein Anliegen zu protestieren. (Bild: Getty Images)
Der LGBT-Aktivist Peter Tatchell nutzte die WM, um für sein Anliegen zu protestieren. (Bild: Getty Images)

Bereits am ersten Spieltag der Fußball-WM wurde in Moskau der Aktivist Peter Tatchell festgenommen. Er hatte auf einem öffentlichen Platz ein Anti-Putin-Plakat hochgehalten und machte damit weltweit Schlagzeilen. Mittlerweile durfte der Brite Russland wieder problemlos verlassen. Seine Festnahme nahm ein glimpfliches Ende. Ganz anders ergeht es den inhaftierten Homosexuellen in Tschetschenien, für die der Aktivist protestiert hatte.

Obwohl Demonstrationen in der Nähe des Kreml während der Fußball-WM untersagt sind, war Tatchell extra in die russische Hauptstadt gereist, um unweit des Roten Platzes gegen Wladimir Putin zu protestieren. Auf einem Schild, das Tatchell mit sich führte und in die Höhe hielt, stand geschrieben: „Putin versäumt es, gegen die Folter von Schwulen in Tschetschenien vorzugehen.“

Umgang mit Homosexuellen in Tschetschenien

Damit wollte Tatchell auf die dramatische Situation in der autonomen Republik Russlands aufmerksam machen. Vergangenes Jahr wurde bekannt, dass mindestens 100 homosexuelle Männer in Tschetschenien von Polizei und Sicherheitskräften gefangen genommen wurden und in „moderne Konzentrationslager“ gesteckt worden sein sollen. In diesen Gefängnissen sollen die Verschleppten körperlich gefoltert und psychisch misshandelt worden sein. Wie die russische Zeitung „Nowaja Gaseta“ berichtet, seien einige der Insassen inzwischen tot.

Der Machthaber Tschetscheniens, Ramsan Kadyrow, bestreitet allerdings, dass solche Camps existieren. Ebenfalls bestreitet er, dass es überhaupt Homosexuelle in Tschetschenien gibt. Im Internet sind jedoch Bilder und Videos aufgetaucht, die gefangene Männer mit Wundmalen zeigen.

Immer wieder kommt es in der nordkaukasischen Teilrepublik zu Menschenrechtsverletzungen. Russland führte in der autonomen Region zwei Jahrzehnte lang Kriege gegen Aufständische. Im muslimisch geprägten Tschetschenien werden Homosexuelle seit Jahren verfolgt, wie unter anderem die „Zeit“ berichtet. Auf genau diese Missstände wollte Tatchell mit seinem Protest im Rahmen der Fußball-WM aufmerksam machen.

„Ich wurde heute von der Polizei in Moskau festgenommen, aber das ist nichts im Vergleich zu dem, was LGBT-Menschen in Tschetschenien widerfährt: ohne Anklage festgehalten, gefoltert und manchmal getötet. Und das ist der Grund, warum ich protestiert habe. Präsident Putin könnte diese Verfolgung beenden, hat es aber bisher unterlassen. Schande!“

Der Berufsaktivist und LGBT-Befürworter Peter Tatchell konnte nach seiner Festnahme Russland ohne Einschränkungen verlassen. Noch aus dem Flugzeug postete er die frohe Botschaft an all seine Unterstützer: „Job erledigt. Auf Wiedersehen, Moskau“. Der gebürtige Australier, der seit Jahrzehnten gegen die Unterdrückung von Homosexuellen angeht, befindet sich nun wieder in seiner Wahlheimat Großbritannien.

Dem LGBT-Portal „Pink News“ sagte Tatchell, dass die Beamten bei der Festnahme zwar grob mit ihm umgegangen seien, der erfassende Polizeibeamte jedoch sehr hilfsbereit, freundlich und höflich war. „Ich nehme an, ich wurde deshalb gut behandelt, weil ich Brite bin und weil ein höherer Mitarbeiter der britischen Botschaft, Colin Wells, die Polizei kontaktiert hat.“

„Job erledigt. Auf Wiedersehen, Moskau. Kein Problem bei der Ausreise trotz meines vorgesehenen Gerichtstermins am 26. Juni. Es war mir eine Ehre, die heldenhaften russischen LGBT-Aktivisten von @rulgbtnet und @lgbtsportRussia zu unterstützen.“

Insgesamt befand sich Tatchell eine Stunde und vierzig Minuten in Polizeigewahrsam. Obwohl Tatchell am 26. Juni vor Gericht erscheinen sollte, gestatteten ihm die russischen Behörden eine vorzeitige Ausreise. Den Gerichtstermin muss Tatchell somit nicht wahrnehmen.

Homosexuellenpolitik in Russland

Während seines Aufenthalts unterstützte Peter Tatchell auch die russische LGBT-Community, die während der WM sogenannte „Diversity Houses“ in Moskau und St. Petersburg betreibt. Dabei handelt es sich um sichere Orte, an denen Schwule und Lesben in Ruhe Fußball gucken können und keine Repressalien befürchten müssen. Allerdings wurde das Projekt in St. Petersburg nur einen Tag vor der Eröffnung gestoppt, weil angeblich der Vermieter abgesprungen ist.

In Moskau hingegen konnte das „Diversity House“ plangemäß seine Pforten öffnen. Vertreter der russischen Regierung sowie der Fifa besuchten das Eröffnungsevent.

„Fühle mich geehrt, heute Nacht das tolle LGBT-Sport-Russland-Event im Diversity House in Moskau zu unterstützen. Es wurde von farenet ausgerichtet, das sich für Rassen- und Geschlechtergleichheit, für Menschen mit Behinderung, Sexualität und Geschlechteridentität, Gleichheit und Diversität im Fußball einsetzt. Bravo!“

Im Westen steht Russland seit Jahren wegen seine Homosexuellenpolitik in der Kritik. Zwar ist gleichgeschlechtliche Liebe nicht verboten, dennoch müssen Menschen der LGBT-Community während der Fußball-WM mit Einschränkungen rechnen. Weniger durch staatliche Behörden als vielmehr durch Gruppen aus der Bevölkerung. So haben laut der Nachrichtenseite „news.com.au“ einige russische Kosaken gedroht, küssende Schwulenpärchen der Polizei zu melden.

Kurz vor der WM wurde zudem ein schwules Pärchen aus Frankreich in St. Petersburg brutal attackiert. Laut „Pink News“ trug einer der beiden Männer einen Hirnschaden davon. Die beiden Angreifer wurden kurz nach der Attacke festgenommen und müssen nun mit einer Anklage rechnen.