Nackte an der polnischen Grenze

In einer Scheune an der polnischen Grenze wird getanzt, gemalt, geschrien und gesungen. Die Leute im Dorf stören sich nicht daran. Auch nicht, wenn Nackte herumspringen und sich verrenken. Denn wenn das Wetter schön ist, tun sie das im Freien.

Was machen die denn da? Nacktmodels Hannah und Tiko in Hintersee (Foto: Thomas Krause, Nordkurier)
Was machen die denn da? Nacktmodels Hannah und Tiko in Hintersee (Foto: Thomas Krause, Nordkurier)

Die Gegend ist gottverlassen. Vorpommern, im Nordosten der Republik gelegen, zur polnischen Grenze fehlen nur drei Kilometer. Hintersee heißt das winzige Dorf, 300 Einwohner. Dort liegt das Gehöft des Künstlers Utz Benkel, 56, und wer daran vorbeikommt, dem bietet sich mitunter ein sinnlich-erotischer Anblick: Ein splitterfasernacktes Paar turnt im Garten vor der Scheune herum. Drum herum sitzen Männer und Frauen, die sie genau beobachten – und malen.

Denn Utz Benkel, gebürtiger Münchner, hat mal wieder zum Aktzeichnen eingeladen. Vor drei Jahren zog er von Berlin nach Vorpommern und veranstaltet diese Treffs für Künstler in der Abgeschiedenheit der Uckermünder Heide. Dann pilgern Künstler aus Deutschland, Iran, Belgien und anderen Ländern nach Hintersee und freuen sich, wenn die Sonne scheint und Scheune oder Garten wärmt, so dass die Models keine Gänsehaut bekommen.

Jeder Maler interpretiert seine Nackten anders (Foto: Thomas Krause, Nordkurier)
Jeder Maler interpretiert seine Nackten anders (Foto: Thomas Krause, Nordkurier)

Die Schreie hört man weit über die Felder

Die Models sind Hannah, die auf Haiti lebt, und Tiko, der aus Korsika anreist. Sie modeln in London, Paris, Prag, und Hintersee. „Sie kommen gern her“, meint Benkel, „hier lenkt nichts ab, kein Verkehrslärm, wir haben nur den freien Blick auf Wiesen, Felder und Wald.“ Denn Hintersee liegt am Naturschutzgebiet Ahlbecker Seegrund, mitunter verirren sich höchstens Pilzesammler, Wanderer, Reiter oder Radfahrer auf das 2000 Quadratmeter große Grundstück des Künstlers. Die wundern sich vielleicht kurz über die Nackten im Garten, aber keiner hat sich bisher beschwert, erzählt Utz Benkel. Auch die Dorfbewohner nicht, im Gegenteil, der Wirt der Fennschänke freut sich, weil das Grüppchen dreimal täglich bei ihm einkehrt.

Und Künstler Benkel aus Berlin gilt ohnehin als schräger, aber freundlicher Vogel im Dorf. Er veranstaltet in seiner Scheune, die er Künstlerstall nennt, Konzerte, Lesungen, Yogakurse und sogenannte Bonding-Therapien. „Dabei kommen teilweise sehr tief liegende Gefühle sehr gewaltig hoch“, beschreibt er das Geschehen in der Scheune, das man beim Bonding hunderte Meter weit über Felder und Wiesen hört. „Ich hab´ es erlebt! Man kann mit diesen Gefühlen und mit Hilfe des Therapeuten vieles auflösen. Und dabei wird manchmal wahnsinnig laut geschrien und gebrüllt.“ Doch auch deswegen hat sich bisher niemand beschwert. Welche Kurse und Workshops Utz Benkel das Jahr hindurch anbietet, erfahren Interessierte auf seiner Website.

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