Gewalteskalation zwischen libanesischer Hisbollah-Miliz und Israel
Die Spannungen zwischen Israel und der pro-iranischen Hisbollah-Miliz im Libanon sind in einem Gewaltausbruch eskaliert: Während die Hisbollah Israel nach eigenen Angaben am Sonntag mit rund 340 Raketen und einer "großen Zahl von Drohnen" angriff, zerstörten israelische Kampfjets nach Armeeangaben "tausende" Raketenwerfer der Hisbollah. Die mit der Hisbollah verbündete Hamas feuerte derweil eine Rakete auf Tel Aviv ab, die nach israelischen Angaben in unbewohntem Gebiet einschlug.
Der Hisbollah zufolge feuerten deren Kämpfer am Morgen hunderte Raketen auf "feindliche Positionen" jenseits der Grenze zu Israel ab und starteten zahlreiche Kampfdrohnen. Nach Angaben der Miliz handelte es sich dabei um eine Vergeltungsmaßnahme für den Tod ihres Militärchefs Fuad Schukr, der Ende Juli bei einem israelischen Luftangriff in Beirut getötet worden war.
Hauptziel des Angriffs war nach den Worten von Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah der israelische Militärstützpunkt Glilot nahe Tel Aviv, auf dem sich die "zentrale Basis des israelischen Militärgeheimdienstes" befinde. Ein Sprecher der israelischen Armee sagte der Nachrichtenagentur AFP, der Stützpunkt Glilot sei nicht getroffen worden.
Nasrallah wies Aussagen von Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu als "falsche Behauptungen" zurück, wonach die israelische Armee tausende Raketen der Hisbollah abgefangen und tausende Raketenwerfer zerstört habe. Vielmehr seien lediglich "dutzende" Raketenwerfer zerstört worden. Die Miliz bezeichnete ihren Angriff auf Israel als "vollen Erfolg".
Nach Angaben der israelischen Armee zerstörten rund hundert Kampfjets Raketenwerfer der Hisbollah. Diese israelischen Präventivangriffe auf Ziele im Libanon seien "nicht das letzte Wort" im Kampf gegen die Hisbollah, sagte Netanjahu bei einer Kabinettssitzung. Es gelte die eine einfache Regel: "Wer auch immer uns wehtut, dem tun wir weh."
Der britische Außenminister David Lammy mahnte die Konfliktparteien, eine weitere Eskalation im Nahen Osten "um jeden Preis zu vermeiden". In einem Telefonat mit dem israelischen Minister für strategische Fragen, Ron Dermer, habe er Londons Unterstützung für die Sicherheit Israels ebenso unterstrichen wie "die Wichtigkeit von Zurückhaltung", erklärte er.
Auch das Büro der UN-Libanonbeauftragten Jeanine Hennis-Plasschaert und die UN-Friedenstruppe Unifil mahnten beide Konfliktparteien, das Feuer einzustellen und jegliche weitere Eskalation zu vermeiden.
In Israel wurde wegen des massiven Beschusses ein 48-stündiger Ausnahmezustand ausgerufen, das Luftabwehrsystem "Iron Dome" (Eiserne Kuppel) war im Einsatz. Videoaufnahmen von AFPTV zeigen, wie dutzende israelische Abfangraketen über Nordisrael aufstiegen.
Der Hisbollah-Beschuss am Sonntag sei "Teil eines größeren Angriffs", den die Miliz seit einiger Zeit plane, sagte der israelische Armeesprecher Nadav Shoshani. Israel habe "heute Morgen einen Großteil davon vereiteln können".
Im Ort Acre im Norden Israels wurde laut Augenzeugen ein Gebäude von einer Rakete getroffen, drei benachbarte Häuser wurden beschädigt. Aus dem Libanon wurden drei Tote durch die israelischen Angriffe gemeldet. Der israelische Armeesprecher Daniel Hagari sprach von sechs getöteten Kämpfern im Libanon.
Am Sonntagabend feuerte der bewaffnete Arm der radikalislamischen Palästinenserorganisation Hamas nach eigenen Angaben eine Rakete auf die Stadt Tel Aviv ab. Die israelische Armee teilte mit, die Rakete sei über unbewohntem Gebiet der Stadt Rischon Lezion südlich von Tel Aviv niedergegangen.
Kämpfer der von den USA und der EU als Terrororganisation eingestuften Hamas sowie weiterer militanter Palästinensergruppen hatten Israel am 7. Oktober überfallen und 1197 Menschen getötet sowie 251 weitere als Geiseln in den Gazastreifen verschleppt.
Als Reaktion geht Israel seither massiv militärisch im Gazastreifen vor. Nach Angaben der Hamas, die sich nicht unabhängig überprüfen lassen, wurden seitdem mehr als 40.400 Menschen getötet. Seit Beginn des Krieges zwischen Israel und Hamas haben auch die Gefechte im israelisch-libanesischen Grenzgebiet massiv zugenommen.
In Kairo laufen derzeit Gespräche über eine Waffenruhe im Gazastreifen. Vertreter der Hamas ließen sich am Sonntag bei einem Treffen mit ägyptischen und katarischen Vermittlern über den Stand der Gespräche informieren. Anschließend habe die Delegation die ägyptische Hauptstadt verlassen, teilte der Hamas-Vertreter Issat al-Rischk mit. Israel und die Hamas verhandeln nicht direkt miteinander; die USA, Katar und Ägypten treten in den indirekten Gesprächen als Vermittler auf.
bfi