Werbung

Nato: Zahl der schnellen Eingreifkräfte drastisch erhöhen

Brüssel (dpa) - Die Nato will vor dem Hintergrund des Angriffskriegs gegen die Ukraine die Zahl ihrer schnellen Eingreifkräfte von rund 40.000 auf mehr als 300.000 erhöhen. Wie Generalsekretär Jens Stoltenberg am Montag vor dem Nato-Gipfel in Madrid ankündigte, wird dazu auch die bisherige Nato-Eingreiftruppe NRF umgebaut. Sie ist wegen der Spannungen mit Russland seit mehreren Monaten in Alarmbereitschaft.

Die geplante Transformation der NRF ist Teil eines neuen Streitkräfte-Modells für das gesamte Bündnisgebiet. Dieses sieht mehr Kräfte in hoher Bereitschaft vor. Zudem sollen Kräfte auch bestimmten Gebieten zugeordnet werden. Damit könnten deutsche Soldaten etwa fest dafür eingeplant werden, litauische Truppen im Fall eines russischen Angriffs zu unterstützen.

Beitrag der Bundeswehr zu dem neuen Konzept könnte nach Angaben aus Nato-Kreisen die 10. Panzerdivision werden, die aus dem bayerischen Veitshöchheim ihr unterstellte Brigaden und Bataillone führt. «Wir gehen davon aus, dass wir 2025 eine Division mit etwa 15.000 Frauen und Männern vollständig modernisiert der Nato zur Verfügung stellen können - ausgebildet, ausgerüstet und somit voll einsatzbereit», sagte bereits im April Generalinspekteur Eberhard Zorn. Später wurde klar gemacht, dass es sich dabei um die 10. Panzerdivision handeln soll.

Verstärkter Schutz der Ostflanke

Integriert werden sollen in das neue Streitkräfte-Modell auch die Pläne zum verstärkten Schutz der Ostflanke. Er erwarte, dass bei dem am Dienstag beginnenden Nato-Gipfel deutlich gemacht werde, dass die Alliierten Russland als die «bedeutendste und direkteste Bedrohung» ansehen, sagte Stoltenberg am Montag.

Dem Norweger zufolge sollen deswegen auch die existierenden multinationalen Nato-Gefechtsverbände in den Mitgliedstaaten an der Ostflanke auf Brigade-Niveau ausgebaut werden. Derzeit umfasst beispielsweise der in Litauen 1600 Soldaten. Eine Brigade besteht in der Regel aus etwa 3000 bis 5000 Soldaten.

Deutschland will Brigade in Litauen führen

Deutschland hat bereits angekündigt, dass es die Kampftruppen-Brigade in Litauen führen will. In dem an die russische Exklave Kaliningrad grenzenden Land ist die Bundeswehr aktuell mit rund 1000 Soldaten Führungsnation in dem existierenden Nato-Gefechtsverband. Die Battlegroup ist in die litauische Infanterie-Brigade «Iron Wolf» eingegliedert.

Die künftig mehr als 300.000 schnellen Eingreifkräfte sollen in Friedenszeiten in der Regel unter nationalem Kommando stehen, könnten dann aber im Ernstfall vom Oberbefehlshaber der Nato-Streitkräfte in Europa (Saceur) angefordert werden. Für die Truppen würden zudem feste Zeiten für die Einsatzbereitschaft vorgegeben. Im Gespräch ist, dass manche Einheiten innerhalb von höchstens 10 Tagen verlegebereit sein müssten, andere in 30 oder 50 Tagen.

Details für den Ernstfall sollen in neuen regionalen Verteidigungsplänen festgelegt werden, die nächstes Jahr fertig sein sollen. Wenn die Nato-Staaten dem Bündnis mehr als 300.000 schnelle Eingreifkräfte einsatzbereit melden, würde dies einem Anteil am gesamten militärischen Personal von rund zehn Prozent entsprechen. Nach Zahlen vom Montag umfasste es zuletzt rund 3,3 Millionen Männer und Frauen, rund 1,3 Millionen davon meldeten die USA.

Start direkt nach dem G7-Treffen

Der Nato-Gipfel in Madrid beginnt an diesem Dienstag nur wenige Stunden nach dem G7-Treffen der Staats- und Regierungschefs der führenden demokratischen Industrienationen in Elmau. Die Nato will unter anderem ein neues strategisches Konzept beschließen. Die aktuelle Fassung stammt aus dem Jahr 2010. Damals hatten die Alliierten noch gehofft, dass die Zeit der großen Spannungen mit Russland vorbei sei, und auf eine «echte strategische Partnerschaft» mit dem Land gesetzt.

Auch wurde China mit keinem Wort erwähnt, was sich nun ändern soll. In dem neuen Konzept werde man sich erstmals mit China und den Herausforderungen befassen, die es für die Sicherheit, die Interessen und die Werte der Nato darstelle, sagte Stoltenberg am Montag.

Unklar ist, ob der Gipfel von der anhaltenden Weigerung der Türkei überschattet wird, einem Start von Nato-Beitrittsgesprächen mit Finnland und Schweden zuzustimmen. Die beiden Länder hatten bereits Mitte Mai die Aufnahme in die Verteidigungsallianz beantragt und darauf gehofft, als zum Beitritt eingeladene Staaten beim Gipfel in Madrid dabei sein zu können. Die Türkei blockiert bislang aber den Aufnahmeprozess. Sie begründet dies damit, dass Finnland und Schweden «Terrororganisationen» wie die verbotene kurdische Arbeiterpartei PKK und die syrische Kurdenmiliz YPG unterstützten - was beide Länder zurückweisen.